23.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Urteil19.12.2017

Numerus Clausus: Verga­be­ver­fahren zur Zulassung zum Studium der Humanmedizin teilweise verfas­sungs­widrigGrund­recht­licher Anspruch von Studien­platz­bewerbern auf gleiche Teilhabe am staatlichen Studienangebot verletzt

Das Bundes­verfassungs­gericht hat entschieden, dass die bundes- und landes­ge­setz­lichen Vorschriften über das Verfahren zur Vergabe von Studienplätzen an staatlichen Hochschulen, soweit sie die Zulassung zum Studium der Humanmedizin betreffen, teilweise mit dem Grundgesetz unvereinbar sind. Die beanstandeten bundes­ge­setz­lichen Rahmen­vor­schriften und gesetzlichen Regelungen der Länder über die Studi­en­platz­vergabe für das Fach Humanmedizin verletzen den grund­recht­lichen Anspruch der Studien­platz­bewerberinnen und -bewerber auf gleiche Teilhabe am staatlichen Studienangebot. Außerdem verfehlen die landes­ge­setz­lichen Bestimmungen zum Auswahl­ver­fahren der Hochschulen teilweise die Anforderungen, die sich aus dem Vorbehalt des Gesetzes ergeben. Eine Neuregelung ist bis zum 31. Dezember 2019 zu treffen.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Das Verwal­tungs­gericht Gelsenkirchen hatte dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die für die Studi­en­platz­vergabe für das Fach Humanmedizin im Hochschul­rah­men­gesetz (HRG) und in den Vorschriften der Länder zur Ratifizierung und Umsetzung des Staatsvertrages über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschul­zu­lassung vorgesehenen Regelungen mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

Bundes- und landes­ge­setzliche Vorschriften zur Studi­en­platz­vergabe für Studiengang Humanmedizin teilweise mit Grundgesetz unvereinbar

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschied, dass die bundes- und landes­ge­setz­lichen Vorschriften zur Studi­en­platz­vergabe in dem bundesweit zulas­sungs­be­schränkten Studiengang der Humanmedizin mit Art. 12 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sind, soweit sie die Angabe von Ortswünschen in der Abitur­bes­tenquote beschränken und diese bei der Vergabe vorrangig vor der Abiturnote berücksichtigen, soweit sie die Hochschulen im eigenen Auswahl­ver­fahren zur unbegrenzten Berück­sich­tigung eines von ihnen zu bestimmenden Grades der Ortspräferenz berechtigen, soweit sie im Auswahl­ver­fahren der Hochschulen auf einen Ausgleichs­me­cha­nismus zur Herstellung einer hinreichenden Vergleich­barkeit der Abiturnoten über die Landesgrenzen hinweg verzichten, soweit sie gegenüber den Hochschulen neben der Abiturnote nicht die verpflichtende Anwendung mindestens eines ergänzenden, nicht schul­no­ten­ba­sierten Auswahl­kri­teriums zur Bestimmung der Eignung sicherstellen und soweit sie die Wartedauer in der Wartezeitquote nicht zeitlich begrenzen. Die Gestaltung des Auswahl­ver­fahrens der Hochschulen wird den Anforderungen des Vorbehalts des Gesetzes nicht gerecht, soweit nicht durch Gesetz sichergestellt ist, dass die hochschu­l­eigenen Eignungs­prü­fungs­ver­fahren oder die Auswahl nach voraus­ge­gangener Berufs­aus­bildung oder -tätigkeit auf standardisierte und strukturierte Weise erfolgt. Nicht mit dem Vorbehalt des Gesetzes vereinbar ist auch, dass den Hochschulen im bayerischen und hamburgischen Landesrecht die Möglichkeit gegeben ist, eigenständig weitere Auswahl­kri­terien festzulegen.

Recht auf chancengleichen Zugang zum Hochschul­studium besteht nur im Rahmen tatsächlich bestehender Ausbil­dungs­ka­pa­zitäten

Aus der Ausbildungs- und Berufs­wahl­freiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ergibt sich ein Recht auf Teilhabe an den vorhandenen Studi­en­an­geboten, die der Staat mit öffentlichen Mitteln geschaffen hat. Diejenigen, die dafür die subjektiven Zulas­sungs­vor­aus­set­zungen erfüllen, haben ein Recht auf gleiche Teilhabe am staatlichen Studienangebot und damit einen Anspruch auf gleich­heits­ge­rechte Zulassung zum Studium ihrer Wahl. Da die Frage der Bemessung der Anzahl verfügbarer Ausbil­dungs­plätze aber der Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers obliegt, besteht das Recht auf chancengleichen Zugang zum Hochschul­studium nur im Rahmen der tatsächlich bestehenden Ausbil­dungs­ka­pa­zitäten.

Für Platzverteilung relevante Eignung hängt von Erfordernissen des konkreten Studienfachs ab

Aus dem Gebot der Gleich­heits­ge­rech­tigkeit folgt, dass sich die Regeln über die Vergabe von Studienplätzen grundsätzlich am Kriterium der Eignung orientieren müssen. Dabei bemisst sich die für die Verteilung relevante Eignung an den Erfordernissen des konkreten Studienfachs und den typischerweise anschließenden beruflichen Tätigkeiten. Der Gesetzgeber ist nicht von Verfassungs wegen auf die Verwendung eines bestimmten Eignungs­kri­teriums oder einer bestimmten Krite­ri­en­kom­bi­nation verwiesen. Die Kriterien müssen aber in ihrer Gesamtheit Gewähr für eine hinreichende Vorhersagekraft bieten.

Hochschulen müssen zulässige Eignungs­prü­fungen in standa­r­di­sierten und strukturierten Verfahren durchführen

Bei der Vergabe von Studienplätzen handelt es sich um eine wesentliche Regelungs­materie, die den Kern des Zulas­sungs­wesens ausmacht und damit dem Parla­ments­vor­behalt unterliegt. Insofern müssen die Auswahl­kri­terien ihrer Art nach durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber selbst bestimmt werden. Allerdings darf er den Universitäten gewisse Spielräume für die Konkretisierung der gesetzlich festgelegten Kriterien lassen, anhand derer die Eignung von Studien­be­wer­be­rinnen und -bewerbern beurteilt werden soll. Solche Spielräume rechtfertigen sich durch den direkten Erfahrungsbezug der Hochschulen und die grundrechtlich geschützte Freiheit von Forschung und Lehre. Eine solche Konkre­ti­sie­rungs­be­fugnis der Hochschulen schlägt sich insbesondere in den Ausge­stal­tungs­mög­lich­keiten hochschu­l­eigener Eignungs­prü­fungen nieder. Allerdings verlangt der Vorbehalt des Gesetzes gesetzliche Sicherungen dafür, dass die Hochschulen Eignungs­prü­fungen in standa­r­di­sierten und strukturierten Verfahren durchführen.

Keine verfas­sungs­recht­lichen Bedenken im Hinblick auf Abiturnote als Eignungs­kri­terium für Vergabe von Studienplätzen für Humanmedizin

Das Abstellen auf die Durch­schnittsnote der Hochschul­zu­gangs­be­rech­tigung für einen Anteil von 20 % der in den Hauptquoten zu vergebenden Studienplätze (Abitur­bes­tenquote) unterliegt keinen verfas­sungs­recht­lichen Bedenken. Insoweit knüpft der Gesetzgeber an eine Beurteilung der Leistungen der Studienbewerber an, die von der Schule am Ende einer allge­mein­bil­denden Ausbildung vorgenommen wurde. An der Sachge­rech­tigkeit der Abiturnote als Eignungs­kri­terium auch für die Vergabe von Studienplätzen der Humanmedizin bestehen auf Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse keine verfas­sungs­recht­lichen Bedenken. Insbesondere hat der Gesetzgeber im Hinblick auf föderale Unterschiede der Schulausbildung und Benotung Vorkehrungen getroffen, indem er für die zentrale Studi­en­platz­vergabe in der Abitur­bes­tenquote durch die Bildung von Landesquoten einen Ausgleich schafft.

Ortswun­sch­angaben dürfen grundsätzlich nur als Sekun­dä­r­kri­terium für Verteilung vorhandener Studienplätze herangezogen werden

Demgegenüber ist im Rahmen der Abitur­bes­tenquote die vorrangige Berück­sich­tigung von obligatorisch anzugebenden Ortswünschen mit den verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen an die gleiche Teilhabe nicht vereinbar. Denn das Kriterium der Abitur­durch­schnittsnote wird als Maßstab für die Eignung durch den Rang des Ortswunsches überlagert und entwertet. Die Chancen der Abiturienten auf einen Studienplatz hängen danach in erster Linie davon ab, welchen Ortswunsch sie angegeben haben und nur in zweiter Linie von ihrer Eignung für das Studium. Dies ist im Rahmen einer zentralen Vergabe von Studienplätzen nach dem Kriterium der Abitur­durch­schnittsnote verfas­sungs­rechtlich nicht zu rechtfertigen. Bezüglich eines Studienfachs, das über den Zugang zu einem breiten Berufsfeld entscheidet, muss die Frage, ob überhaupt ein Studienplatz vergeben wird, der Ortspräferenz vorgehen. Ortswun­sch­angaben dürfen aus verfas­sungs­recht­licher Sicht grundsätzlich nur als Sekun­dä­r­kri­terium für die Verteilung der vorhandenen Studienplätze unter den ausgewählten Bewerbern herangezogen werden. Entsprechend ist auch die Begrenzung des Zulas­sungs­antrags auf sechs Studienorte in der Abitur­bes­tenquote verfas­sungs­rechtlich nicht gerechtfertigt. Diese lässt sich insbesondere nicht mit verfah­rens­öko­no­mischen Notwendigkeiten begründen.

Eigenes Krite­ri­e­n­er­fin­dungsrecht von Hochschulen verfas­sungs­rechtlich grundsätzlich unzulässig

Der Gesetzgeber sieht für weitere 60 % der in den Hauptquoten zu vergebenden Studienplätze ein Auswahl­ver­fahren der Hochschulen vor. Die Regelung dieses Verfahrens wird den Anforderungen des Vorbehalts des Gesetzes nicht gerecht. Sie genügt in verschiedener Hinsicht auch nicht den inhaltlichen Anforderungen des Rechts auf gleiche Teilhabe an den staatlichen Studi­en­an­geboten. Die bundes­rechtliche Rahmenregelung und die landes­recht­lichen Regelungen, die diese durch die Vorgabe abschließender Krite­ri­en­ka­taloge weiter ausgestalten, sind im Grundsatz nicht zu beanstanden. Mit dem Vorbehalt des Gesetzes nicht vereinbar ist jedoch, dass den Hochschulen im bayerischen und im hamburgischen Landesrecht die Möglichkeit gegeben ist, eigenständig weitere Auswahl­kri­terien festzulegen, die sich nicht im gesetzlichen Krite­ri­en­katalog finden. Ein eigenes Krite­ri­e­n­er­fin­dungsrecht der Hochschulen ist verfas­sungs­rechtlich grundsätzlich unzulässig.

Den Hochschulen eingeräumte Konkre­ti­sie­rungs­be­fugnis darf sich ausschließlich auf fachliche Ausgestaltung und Schwer­punkt­s­etzung beziehen

Der Gesetzgeber muss zudem sicherstellen, dass die Hochschulen, sofern sie von der gesetzlich eingeräumten Möglichkeit Gebrauch machen, eigene Eignungs­prü­fungs­ver­fahren durchzuführen oder Berufs­aus­bil­dungen oder -tätigkeiten zu berücksichtigen, dies in standa­r­di­sierter und strukturierter Weise tun. Er muss dabei auch festlegen, dass in den hochschu­l­eigenen Studier­fä­hig­keitstests und Auswahl­ge­sprächen nur die Eignung der Bewerberinnen und Bewerber geprüft wird. Die den Hochschulen eingeräumte Konkre­ti­sie­rungs­be­fugnis darf sich ausschließlich auf die fachliche Ausgestaltung und Schwer­punkt­s­etzung unter Einbeziehung auch hochschul­s­pe­zi­fischer Profilbildungen beziehen. Diesen Anforderungen werden die vorgelegten Vorschriften nicht uneingeschränkt gerecht. An den erforderlichen gesetzlichen Maßgaben zur Standa­r­di­sierung und Strukturierung von Eignungs­prü­fungs­ver­fahren und Auswahl­kri­terien fehlt es sowohl auf der Ebene des Hochschul­rah­men­ge­setzes als auch in den Landesgesetzen.

In Voraus­wahl­ver­fahren zur Begrenzung der Zahl der Bewerbungen darf nicht Ortspräferenz mit einfließen

Grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, dass der Gesetzgeber den Hochschulen die Durchführung eines Voraus­wahl­ver­fahrens eröffnet, mit dem sie die Zahl der Bewerbungen begrenzen können, die in das eigentliche Auswahl­ver­fahren einbezogen werden. Mit der Verfassung nicht vereinbar ist dabei jedoch, dass er den Hochschulen die Möglichkeit einräumt, der Vorauswahl voraus­set­zungslos und uneingeschränkt den Grad der von den Bewerberinnen und Bewerbern angegebenen Ortspräferenz zugrunde zu legen. Beim Grad der Ortspräferenz handelt es sich um ein Kriterium, das nicht an die Eignung für Studium und Beruf anknüpft und dessen Verwendung sich erheblich chancen­ver­ringernd auswirken kann.

Kriterium des Grades der Ortspräferenz nur in Ausnahmen gerechtfertigt

Gerechtfertigt ist das Kriterium des Grades der Ortspräferenz nur dann, wenn es für Studienplätze herangezogen wird, die tatsächlich im Rahmen eines aufwendigen indivi­du­a­li­sierten Auswahl­ver­fahrens vergeben werden. Denn die Durchführung solcher Auswahl­ver­fahren darf der Gesetzgeber als einen wichtigen Bestandteil im Gesamtsystem der Studi­en­platz­vergabe ansehen. Das kann aber nur gelingen, wenn dieser Aufwand auf solche Personen beschränkt wird, bei denen die Wahrschein­lichkeit hinreichend hoch ist, dass sie den Studienplatz auch annehmen. Daher rechtfertigt das Ziel der Ermöglichung komplexer, eignungs­ori­en­tierter Auswahl­ver­fahren für diese Fälle, das Ortsprä­fe­renz­kri­terium trotz seines fehlenden Eignungsbezugs ausnahmsweise bei der Vorauswahl anzuwenden. Dies gilt jedoch nur, wenn anschließend auch entsprechend aufwendige Auswahl­ver­fahren durchgeführt werden, wie es vor allem bei den im Krite­ri­en­katalog vorgesehenen qualifizierten Gesprächen der Fall sein kann. Für Fallge­stal­tungen ohne aufwendig gestaltete Auswahl­pro­zeduren erweist sich das Voraus­wahl­kri­terium des Grades der Ortspräferenz als nicht sachgerecht und unangemessen. Verfas­sungs­rechtlich geboten ist außerdem, dass nur ein hinreichend begrenzter Anteil der Studienplätze jeder Universität von einem hohen Grad der Ortspräferenz abhängt. Es ist daher auszuschließen, dass die Universitäten das Ortsprä­fe­renz­kri­terium für alle in ihrem Auswahl­ver­fahren zu vergebenden Studienplätze anwenden.

Gesetzgeber stellt als Auswahl­kri­terium Rückgriff auf Abitur­durch­schnittsnote zur Verfügung

Sowohl für das Voraus­wahl­ver­fahren als auch für das Auswahl­ver­fahren selbst eröffnet der Gesetzgeber den Hochschulen als Auswahl­kri­terium unter anderem den Rückgriff auf die Abitur­durch­schnittsnote. Anders als für die Studi­en­platz­vergabe in der Abitur­bes­tenquote verzichtet der Gesetzgeber dabei auf Mechanismen, die die nicht in dem erforderlichen Maße gegebene länder­über­greifende Vergleich­barkeit der Abitur­durch­schnittsnoten ausgleichen. Das Außerachtlassen dieser Unterschiede führt zu einer gewichtigen Ungleich­be­handlung. Es nimmt in Kauf, dass eine große Zahl von Bewerberinnen und Bewerbern abhängig davon, in welchem Land sie ihre allgemeine Hochschulreife erworben haben, erhebliche Nachteile erleiden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es auch im Auswahl­ver­fahren der Hochschulen maßgeblich auf Grenzbereiche der Benotung ankommt und die Dezimalstellen der Durch­schnittsnoten häufig über den Erfolg einer Bewerbung entscheiden. Für diese Ungleich­be­handlung fehlt es an einem einleuchtenden, belastbaren Sachgrund.

Für das Auswahl­ver­fahren der Hochschulen bestimmen das HRG und der Staatsvertrag 2008 verschiedene Kriterien, die von den Hochschulen für die Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber herangezogen werden können. Diese Kriterien sind je für sich als Indikatoren für eine an Eignung orientierte Auswahl von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Jedoch muss mit Blick auf die Studier­fä­hig­keitstests und von den Hochschulen durchzuführende qualifizierte Gespräche sichergestellt werden, dass sie hinreichend strukturiert sind, auf die Ermittlung der Eignung zielen und einer diskri­mi­nie­renden Anwendung vorgebeugt wird. Entsprechendes gilt für das Kriterium der Berück­sich­tigung fachnaher Berufs­aus­bil­dungen oder -tätigkeiten. Auch hiermit lassen sich Anhaltspunkte für die Eignung zum Studium der Humanmedizin erfassen. Angesichts seiner Offenheit muss die Konkretisierung dieses Kriteriums jedoch in transparente Regeln eingebunden werden.

Studi­en­platz­vergabe darf nicht allein und auch nicht ganz überwiegend nach Kriterium der Abiturnoten erfolgen

Verfas­sungs­widrig ist schließlich, dass der Gesetzgeber für die Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber im Auswahl­ver­fahren der Hochschulen keine hinreichend breit angelegten Eignungs­kri­terien vorgibt. Die Öffnung des Auswahl­ver­fahrens für eine Einbeziehung weiterer Kriterien liegt nicht allein in der freien Entscheidung des Gesetzgebers, sondern ist zur Gewährleistung einer gleich­heits­ge­rechten Zulassung zum Studium in gewissem Umfang auch verfas­sungs­rechtlich geboten. Soweit der Gesetzgeber – wie nach derzeitiger Regelung – für die Berück­sich­tigung anderer Eignungs­kri­terien als der Abitur­durch­schnittsnote allein das Auswahl­ver­fahren der Hochschulen vorsieht, richten sich entsprechende Anforderungen an dessen Ausgestaltung. Geboten ist insoweit, dass der Gesetzgeber die Hochschulen dazu verpflichtet, die Studienplätze nicht allein und auch nicht ganz überwiegend nach dem Kriterium der Abiturnoten zu vergeben, sondern zumindest ergänzend ein nicht schul­no­ten­ba­siertes, anderes eignungs­re­le­vantes Kriterium einzubeziehen. Diesen Anforderungen genügt die derzeitige Rechtslage nicht. Weder das HRG noch der Staatsvertrag 2008 verpflichten die Hochschulen, bei der Auswah­l­ent­scheidung neben dem Abitur auch ein weiteres, nicht schul­no­ten­ba­siertes Kriterium in der verfas­sungs­rechtlich gebotenen Weise zu berücksichtigen. Auch die den Staatsvertrag in einigen Ländern ergänzenden Vorschriften stellen dies nicht hinreichend sicher.

Wartezeitquote verfas­sungs­rechtlich nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig

Schließlich sieht der Gesetzgeber für einen Anteil von 20 % der in den Hauptquoten zu vergebenden Studienplätze die Vergabe nach Wartezeit vor (Wartezeitquote). Die Bildung einer solchen Wartezeitquote ist verfas­sungs­rechtlich nicht unzulässig, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen mit Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Die jetzige Bemessung der Quote ist noch verfas­sungsgemäß. Über den Anteil von 20 % der in den Hauptquoten zu vergebenden Studienplätze hinaus darf der Gesetzgeber die Wartezeitquote jedoch nicht erhöhen. Als verfassungswidrig erweist es sich, dass der Gesetzgeber die Wartezeit in ihrer Dauer nicht angemessen begrenzt hat. Denn ein zu langes Warten beeinträchtigt erheblich die Erfolgschancen im Studium und damit die Möglichkeit zur Verwirklichung der Berufswahl. Sieht der Gesetzgeber demnach zu einem kleineren Teil auch eine Studie­ren­de­n­auswahl nach Wartezeit vor, ist er von Verfassungs wegen gehalten, die Wartedauer auf ein mit Blick auf ihre negativen Folgen noch angemessenes Maß zu begrenzen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass die verfas­sungs­rechtlich gebotene Beschränkung der Wartedauer dazu führen mag, dass viele Bewerber am Ende keinen Studienplatz über die Wartezeitquote erhalten können. Ferner ist für die Wartezeitquote - ebenso wie für die Abitur­bes­tenquote - eine verfah­rens­öko­no­mische Notwendigkeit, die eine zahlenmäßige Beschränkung der Ortswahlangaben erfordern könnte, nicht erkennbar; auch hier hat der Gesetzgeber zudem dem Grad der Ortspräferenz eine zu große Bedeutung beigemessen.

Landes­ge­setzgeber müssen bis 31. Dezember 2019 Neuregelung treffen

Mit Ausnahme der gemäß Art. 31 GG zur Nichtigkeit führenden Abweichung in § 8 a BerlHZG von den Regelungen des Hochschul­rah­men­ge­setzes verbleibt es bei der bloßen Feststellung der Unvereinbarkeit der beanstandeten Vorschriften mit dem Grundgesetz. Zugleich wird deren begrenzte Fortgeltung angeordnet; den zuständigen Landes­ge­setz­gebern wird aufgegeben, bis zum 31. Dezember 2019 eine Neuregelung zu treffen, wenn und soweit der Bund bis dahin nicht von seiner konkurrierenden Gesetz­ge­bungs­kom­petenz Gebrauch gemacht hat.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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