14.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss02.05.2012

Normen­kon­trol­lantrag zur Regelung der Erziehungsrente unzulässigDarle­gungs­pflicht des fragenden Gerichts nicht genügend, da nicht alle Leistungsnormen einbezogen wurden

Das Bayerische Landes­so­zi­al­gericht hält die Vorschrift die Vorschrift über die Erziehungsrente in mehrfacher Hinsicht für verfas­sungs­widrig. § 47 Abs. 1 SGB VI sei mit der durch Art. 6 Abs. 5 GG garantierten Gleichstellung unehelicher Kinder unvereinbar, weil sie den überlebenden Elternteil gemeinsamer nichtehelicher Kinder von der Erziehungsrente ausschließe und diese dadurch zumindest mittelbar benachteilige. Unvereinbar sei die Vorschrift auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), weil sie für den Rentenanspruch der geschiedenen Erzie­hungs­personen die Erziehung sowohl gemeinsamer ehelicher Kinder als auch nicht gemeinsamer Kinder ausreichen lasse, während gemeinsame nichteheliche Kinder keinen Anspruch begründen könnten. Nach Vorlage des Landes­so­zi­al­ge­richts hat nun das Bundes­ver­fas­sungs­gericht den Normen­kon­tra­l­lantrag für unzulässig erklärt.

Die Klägerin des Ausgangs­ver­fahrens war nie verheiratet und hat ein minderjähriges Kind, dessen Vater 2008 verstarb. Nach Angaben der Klägerin lebte er bis zu seinem Tod mit ihr und dem Kind - wenn auch in einer separaten Wohnung im gleichen Mietshaus - wie eine „richtige Familie“ zusammen. Er bezog eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, zahlte aber keinen Unterhalt für seinen Sohn. Den Antrag der Klägerin auf Erziehungsrente lehnte die Renten­ver­si­cherung ab, weil die Klägerin mit dem Verstorbenen nie verheiratet war.

Grundsätzliches zum Rentenrecht:

Das Rentenrecht kennt mehrere Regelungen, die einem überlebenden Ehegatten eine Rente zugestehen. Für Verheiratete regelt § 46 SGB VI den Anspruch auf Witwen- und Witwerrente. Die große Witwen- und Witwerrente wird Witwen und Witwern gewährt, wenn sie ein minderjähriges eigenes Kind oder ein Kind des verstorbenen Ehegatten erziehen. Nach dem 30. Juni 1977 geschiedene überlebende Ehegatten haben nach § 47 Abs. 1 SGB VI einen Anspruch auf Erziehungsrente, wenn sie ein minderjähriges eigenes Kind oder ein Kind des verstorbenen Ehegatten erziehen. Der Kreis der Kinder, deren Erziehung einen Rentenanspruch auslöst, wird für die Witwen- und die Erziehungsrente einheitlich bestimmt. Es muss sich nicht um gemeinsame Kinder handeln; auch nichteheliche Kinder oder Kinder aus einer früheren Ehe sowohl des Verstorbenen als auch des erziehenden Ehegatten sowie auch deren Stiefkinder, Enkel oder Geschwister fallen darunter. Die Erziehungsrente ist wie die Witwenrente eine Rente wegen Todes, aber im Gegensatz zu jener eine Rente aus eigener Versicherung des überlebenden, geschiedenen Ehegatten.

BVerfG erklärt Vorlage für unzulässig

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat entschieden, dass die Vorlage unzulässig ist, weil das vorlegende Gericht seiner Darle­gungs­pflicht dadurch nicht genügt hat, dass es in seine Gleich­heits­prüfung nicht alle in Betracht kommenden Leistungsnormen einbezogen hat.

Zu überprüfende Norm muss entschei­dungs­er­heblich sein

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Die Zulässigkeit einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG setzt voraus, dass die Verfas­sungs­mä­ßigkeit der zur Prüfung vorgelegten Norm für das Ausgangs­ver­fahren entschei­dungs­er­heblich ist. Richten sich die Bedenken des vorlegenden Gerichts bei einer Gleich­heits­prüfung gegen eine Vorschrift, von deren Anwendung die Entscheidung nicht allein abhängt, muss es bei der Darlegung auch die weiteren mit der Norm im Zusammenhang stehenden Bestimmungen in die rechtlichen Erwägungen einbeziehen.

Landes­so­zi­al­gericht hätte Regelung der Witwenrente in die Gleich­heits­prüfung einbeziehen müssen

Diesen Anforderungen wird die Vorlage des Landes­so­zi­al­ge­richts nicht gerecht, weil es bei der Gleich­heits­prüfung lediglich die Vorschrift über die Erziehungsrente nach § 47 SGB VI als Bezugspunkt heranzieht, aber die Bestimmung über die große Witwenrente nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI für einen möglichen Rentenanspruch der Klägerin gar nicht in Betracht zieht. Die Bestimmung über die Witwenrente nach § 46 SGB VI setzt nur das Bestehen einer Ehe voraus, während die Regelung der Erziehungsrente nach § 47 SGB VI zusätzlich zum Eingehen einer Ehe noch eine Ehescheidung erfordert. Da die Beschwer­de­führerin und ihr verstorbener Partner nach ihrem Vortrag bis zu dessen Tod jedoch in einer intakten Lebens­ge­mein­schaft lebten, drängt es sich für die von ihr geltend gemachten Gleich­heits­fragen auf, auch eine Parallele zur Ehe zu ziehen und auf die Vorschrift des § 46 SGB VI abzustellen. Das Landes­so­zi­al­gericht hätte daher in seiner Vorlage die Bestimmung über die Erziehungsrente in das Gesamt­leis­tungs­system der Versorgung bei Versterben eines Ehegatten einordnen und die mit ihr im Zusammenhang stehende Regelung der Witwenrente in die Gleich­heits­prüfung einbeziehen müssen.

BVerfG weis auf Rechtsprechung zu Art. 3 Abs. 1 GG Fürsorgerecht hin

Soweit das Landes­so­zi­al­gericht einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz darin sieht, dass nicht einmal der Tod des leiblichen Vaters zur Gewährung einer Erziehungsrente an die nicht mit ihm verheiratete Mutter führt, während „Patchwork-Kinder“, also mit dem Verstorbenen nicht verwandte Kinder der geschiedenen Erzie­hungs­person hierfür ausreichen, setzt es sich nicht mit der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zu Art. 3 Abs. 1 GG im Fürsorgerecht auseinander. Danach kann eine Hinter­blie­be­nen­ver­sorgung wie für Witwen und Witwer bei Erziehung gemeinsamer nichtehelicher Kinder durch den überlebenden Partner einer nichtehelichen Lebens­ge­mein­schaft durch Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG geboten sein.

Gericht muss sich Frage stellen, ab wann eine nichtehelicher Leben­s­part­ner­schaft vergleichbar mit der rechtlich verbindlichen Verantwortung der Ehe ist

Ferner nimmt das Landes­so­zi­al­gericht letztlich an, dass Ehen und nichteheliche Lebens­ge­mein­schaften in der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung nicht unterschiedlich behandelt werden dürften, wenn der Rentenanspruch auch an die Erziehung eines Kindes anknüpft, weil nach Art. 6 Abs. 5 GG eheliche und nichteheliche Kinder gleich zu behandeln seien. Insoweit fehlt es an einer Ausein­an­der­setzung mit der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zum Schutz der Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG, insbesondere an Ausführungen dazu, wann eine rechtlich nicht ausgeformte, nichteheliche Lebens­ge­mein­schaft der Ehe oder einer eingetragenen Lebenspartnerschaft vergleichbar ist, in der auf Dauer rechtlich verbindlich Verantwortung für einander übernommen wird. Zudem stellt das Landes­so­zi­al­gericht nicht in seine Überlegungen ein, dass es nicht um einen Betreu­ungs­un­ter­halts­an­spruch des erziehenden Elternteils gegen den anderen Elternteil geht, sondern um einen Anspruch gegen die Renten­ver­si­cherung, der in keiner Weise davon abhängig ist, ob durch den Todesfall etwaige Betreu­ungs­un­ter­halts­ansprüche verloren gegangen sind.

Quelle: Bundesverfassungsgricht/ra-online

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