21.11.2024
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Bundessozialgericht Urteil27.09.2018

Soziale Entschädigung bei Internierung in unmittelbarer Nähe von Atom­waffen­test­gelände möglichBetroffene waren während Inter­nie­rungszeit schutzlos ionisierender Strahlung ausgeliefert

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat entschieden, dass die von einem in Kasachstan gelegenen Atom­waffen­test­gelände ausgehende Strahlung für die in unmittelbarer Nähe internierten Wolgadeutschen Versorgungs­ansprüche wegen erlittener Gesund­heits­schäden auslösen kann.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls ist als Spätaussiedler anerkannt. Seine Eltern waren Wolgadeutsche und wurden im Jahr 1941 nach Kasachstan in eine Sondersiedlung zwangsweise umgesiedelt. In dieser Region befand sich das Atomwaf­fen­test­gelände der Sowjetunion, die dort von 1949 bis 1991 nukleare Bombentests durchführte. Der 1947 geborene Kläger und seine Eltern standen bis 1956 unter sowjetischer Komman­dan­tu­raufsicht und durften die Sondersiedlung ohne behördliche Genehmigung unter Strafandrohung nicht verlassen.

LSG muss mögliche Gesund­heits­schä­digung durch Strah­lungs­ex­po­sition und dauerhafte gesundheitliche Schädi­gungs­folgen prüfen

Das Landes­so­zi­al­gericht hatte keine ausreichenden Grundlagen für eine Verurteilung des beklagten Landes zur Gewährung einer Beschä­dig­ten­ver­sorgung wegen erlittener Gesundheitsschäden gesehen. Das Bundes­so­zi­al­gericht hob das Urteil des Landes­so­zi­al­ge­richts auf und wies die Sache an die Vorinstanz zurück. Der Kläger war jedenfalls während der Zeit der sowjetischen Komman­dan­tu­raufsicht in der Sondersiedlung bis zum Jahr 1956 wegen seiner deutschen Volks­zu­ge­hö­rigkeit interniert. Damit gehört er grundsätzlich zu dem geschützten Personenkreis des § 1 Absatz 2 Buchstabe c Bundes­ver­sor­gungs­gesetz. Mit den in der Nähe des Inter­nie­rungsorts im sowjetischen Atomwaf­fen­test­gelände durchgeführten Atomwaf­fen­ver­suchen und der durch sie verursachten Strah­len­kon­ta­mi­nation liegt auch ein mit der Internierung zusam­men­hän­gendes schädigendes Ereignis vor. Im Gegensatz zur einheimischen Wohnbevölkerung wurden die Volksdeutschen in die Nähe des Atomwaf­fen­test­ge­ländes deportiert und unter Strafandrohung zum Verbleib in die ihnen gegen ihren Willen jeweils zugewiesene Sondersiedlung gezwungen. Sie konnten sich wegen der Internierung der atomwaf­fen­test­be­dingten ionisierenden Strahlung nicht entziehen und waren ihr demzufolge während der Inter­nie­rungszeit schutzlos ausgeliefert. Ob diese Strah­lungs­ex­po­sition zu einer Gesund­heits­schä­digung beim Kläger geführt hat, die eine oder mehrere dauerhafte gesundheitliche Schädi­gungs­folgen bedingt, hat das Landes­so­zi­al­gericht aber nicht ermittelt. Wegen der fehlenden Feststellungen wies das Bundes­so­zi­al­gericht den Rechtsstreit zurück.

Hinweis auf Rechts­vor­schriften

Bundes­ver­sor­gungs­gesetz idF vom 13.12.2007 (BGBl. S. 2904)

Auszug § 1

Erläuterungen

(1) Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienst­ver­richtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militä­r­ähn­lichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesund­heit­lichen und wirtschaft­lichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung.

(2) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die herbeigeführt worden sind durch

a) eine unmittelbare Kriegs­ein­wirkung

b) eine Kriegs­ge­fan­gen­schaft,

c) eine Internierung im Ausland oder in den nicht unter deutscher Verwaltung stehenden deutschen Gebieten wegen deutscher Staats­an­ge­hö­rigkeit oder deutscher Volks­zu­ge­hö­rigkeit,

[...]

Quelle: Bundessozialgericht/ra-online

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