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Hessisches Landessozialgericht Urteil09.03.2011
Hessisches LSG: Traumatisiertes Gewaltopfer hat Anspruch auf EntschädigungGesundheitsschäden aufgrund der Flucht des Täters müssen berücksichtigt werden
Wer infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs erkrankt, hat Anspruch auf Opferentschädigung. Wird eine durch den Angriff verursachte psychische Erkrankung durch die Flucht des Täters vor der Strafvollstreckung verschlimmert, so ist dies ebenfalls eine Folge der Gewalttat. Dies entschied das Hessische Landessozialgericht.
Im zugrunde liegenden Fall wurde eine Frau aus dem Landkreis Offenbach Ende 2004 von ihrem geschiedenen Ehemann schwer misshandelt und mit dem Tod bedroht. Zunächst gelang es der zweifachen Mutter, das erlittene Trauma zu verdrängen und ihre berufliche Selbstständigkeit weiter aufzubauen. Nach seiner rechtskräftigen Verurteilung zu einer Haftstrafe flüchtete der Täter vor der Strafvollstreckung ins Ausland. Hierauf dekompensierte die Frau. Sie leidet jetzt unter einer posttraumatischen Belastungsstörung mit schwerer ängstlichdepressiver Symptomatik und kann einer vollschichtigen Berufstätigkeit nicht mehr nachgehen.
Landesversorgungsamt Hessen lehnt Zahlung einer Beschädigtenrente ab
Das Landesversorgungsamt Hessen lehnte die Zahlung einer Beschädigtenrente jedoch ab. Die Gewalttat habe lediglich zu einer Anpassungsstörung geführt. Die durch die Flucht des Gewalttäters verursachten Gesundheitsschäden seien nicht auf die Gewalttat zurückzuführen. Daher sei ein Grad der Schädigungsfolgen von lediglich 20 zu berücksichtigen, so dass ein Anspruch auf Beschädigtenrente nicht bestehe.
Angst vor Wiederholung der Gewalttat ist zu entschädigen
Dem widersprachen die Richter des Hessischen Landessozialgerichts. Mit der Opferentschädigung sollen die durch eine Gewalttat verursachten Gesundheitsschäden ausgeglichen werden. Deshalb sei die Flucht des Täters vor der Strafvollstreckung nicht von der ursprünglichen Tat zu trennen und die hierdurch verursachte Zunahme von Angst und Depression auf die Tat zurückzuführen. Damit sei bei der nunmehr 46-jährigen Frau, die von Minijobs und Hartz-IV-Leistungen lebt, von einem Grad der Schädigungsfolgen von 40 auszugehen und eine Beschädigtenrente zu zahlen.
Hinweise zur Rechtslage
§ 1 Opferentschädigungsgesetz
(1) Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes (…) infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes.
[…]
§ 31 Bundesversorgungsgesetz (Fassung vom 17.7.2009)
(1) Beschädigte erhalten eine monatliche Grundrente bei einem Grad der Schädigungsfolgen
von 30 in Höhe von 123 Euro,
von 40 in Höhe von 168 Euro,
von 50 in Höhe von 226 Euro,
[…]
§ 30 Bundesversorgungsgesetz (Fassung vom 17.7.2009)
(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. […]
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 28.04.2011
Quelle: Hessisches Landessozialgericht/ra-online
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