18.10.2024
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Hessisches Landessozialgericht Urteil09.03.2011

Hessisches LSG: Traumatisiertes Gewaltopfer hat Anspruch auf EntschädigungGesund­heits­schäden aufgrund der Flucht des Täters müssen berücksichtigt werden

Wer infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs erkrankt, hat Anspruch auf Opferent­schä­digung. Wird eine durch den Angriff verursachte psychische Erkrankung durch die Flucht des Täters vor der Straf­voll­streckung verschlimmert, so ist dies ebenfalls eine Folge der Gewalttat. Dies entschied das Hessische Landes­so­zi­al­gericht.

Im zugrunde liegenden Fall wurde eine Frau aus dem Landkreis Offenbach Ende 2004 von ihrem geschiedenen Ehemann schwer misshandelt und mit dem Tod bedroht. Zunächst gelang es der zweifachen Mutter, das erlittene Trauma zu verdrängen und ihre berufliche Selbst­stän­digkeit weiter aufzubauen. Nach seiner rechtskräftigen Verurteilung zu einer Haftstrafe flüchtete der Täter vor der Straf­voll­streckung ins Ausland. Hierauf dekompensierte die Frau. Sie leidet jetzt unter einer posttrau­ma­tischen Belas­tungs­störung mit schwerer ängst­lich­de­pressiver Symptomatik und kann einer vollschichtigen Berufstätigkeit nicht mehr nachgehen.

Landes­ver­sor­gungsamt Hessen lehnt Zahlung einer Beschä­dig­tenrente ab

Das Landes­ver­sor­gungsamt Hessen lehnte die Zahlung einer Beschä­dig­tenrente jedoch ab. Die Gewalttat habe lediglich zu einer Anpas­sungs­störung geführt. Die durch die Flucht des Gewalttäters verursachten Gesund­heits­schäden seien nicht auf die Gewalttat zurückzuführen. Daher sei ein Grad der Schädi­gungs­folgen von lediglich 20 zu berücksichtigen, so dass ein Anspruch auf Beschä­dig­tenrente nicht bestehe.

Angst vor Wiederholung der Gewalttat ist zu entschädigen

Dem widersprachen die Richter des Hessischen Landes­so­zi­al­ge­richts. Mit der Opferentschädigung sollen die durch eine Gewalttat verursachten Gesund­heits­schäden ausgeglichen werden. Deshalb sei die Flucht des Täters vor der Straf­voll­streckung nicht von der ursprünglichen Tat zu trennen und die hierdurch verursachte Zunahme von Angst und Depression auf die Tat zurückzuführen. Damit sei bei der nunmehr 46-jährigen Frau, die von Minijobs und Hartz-IV-Leistungen lebt, von einem Grad der Schädi­gungs­folgen von 40 auszugehen und eine Beschä­dig­tenrente zu zahlen.

Hinweise zur Rechtslage

Erläuterungen

§ 1 Opferent­schä­di­gungs­gesetz

(1) Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes (…) infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesund­heit­lichen und wirtschaft­lichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundes­ver­sor­gungs­ge­setzes.

[…]

§ 31 Bundes­ver­sor­gungs­gesetz (Fassung vom 17.7.2009)

(1) Beschädigte erhalten eine monatliche Grundrente bei einem Grad der Schädi­gungs­folgen

von 30 in Höhe von 123 Euro,

von 40 in Höhe von 168 Euro,

von 50 in Höhe von 226 Euro,

[…]

§ 30 Bundes­ver­sor­gungs­gesetz (Fassung vom 17.7.2009)

(1) Der Grad der Schädi­gungs­folgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funkti­o­ns­be­ein­träch­ti­gungen, die durch die als Schädi­gungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesund­heits­s­tö­rungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädi­gungs­folgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädi­gungs­folgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesund­heits­s­tö­rungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. […]

Quelle: Hessisches Landessozialgericht/ra-online

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