23.11.2024
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Bundessozialgericht Urteil24.05.2012

Gewal­top­ferrente nicht auf Asylbe­wer­ber­leis­tungen anzurechnenGrundrente ist nicht als Einkommen anzusehen

Nach dem Asylbe­wer­ber­leis­tungs­gesetz sind Einkommen und Vermögen, über das verfügt werden kann, von dem Leistungs­be­rech­tigten vor Eintritt von Leistungen nach diesem Gesetz aufzubrauchen. Zum Einkommen in diesem Sinne gehört nicht die Beschädigten-Grundrente nach dem Opferent­schä­di­gungs­gesetz in Verbindung mit dem Bundes­ver­sor­gungs­gesetz. Dies entschied das Bundes­so­zi­al­gericht in einem so genannten Erstat­tungs­streit.

Im zugrunde liegenden Streitfall wurde die beigeladene Bezieherin von Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz im Dezember 2001 Opfer von Gewalttaten. Auf ihren Antrag gewährte ihr der beklagte Freistaat unter anderem eine Beschädigten-Grundrente. Daraufhin forderte der klagende Landkreis, von dem die Beigeladene laufend Asylbe­wer­ber­leis­tungen erhalten hatte, vom Beklagten für die Zeit von Dezember 2003 bis Mai 2004 eine Erstattung in Höhe der insoweit noch nicht an die Beigeladene ausgezahlten Grundrente.

Beschädigten-Grundrente ist zusätzlich zu den bereits erhaltenen Grundleistungen nach dem Asylbe­wer­ber­leis­tungs­gesetz auszuzahlen

Mit seiner Klage ist der Landkreis vor dem Bundes­so­zi­al­gericht erfolglos geblieben. Ihm steht der geltend gemachte Erstat­tungs­an­spruch nicht zu. Vielmehr hat die Beigeladene Anspruch darauf, die Beschädigten-Grundrente nach dem Opferent­schä­di­gungs­gesetz in Verbindung mit dem Bundes­ver­sor­gungs­gesetz zusätzlich zu den bereits erhaltenen Grundleistungen nach dem Asylbe­wer­ber­leis­tungs­gesetz ausgezahlt zu bekommen. Die Grundrente wäre nicht vor dem Eintritt von Leistungen nach diesem Gesetz aufzubrauchen gewesen, weil sie insoweit nicht als Einkommen anzusehen ist. Da das Asylbe­wer­ber­leis­tungs­gesetz den Begriff des Einkommens nicht selbst regelt, ist insoweit auf andere gesetzliche Bestimmungen zurückzugreifen.

Beschädigten-Grundrente dient nicht sozio-kultureller Teilhabe, sondern der Rehabilitation

Nach Auffassung des Bundes­so­zi­al­ge­richts ist es sachgerecht, für den streitigen Zeitraum den Einkom­mens­begriff des § 76 Absatz 1 Bundes­so­zi­a­l­hil­fe­gesetz heranzuziehen, der die Grundrente ausdrücklich ausnimmt. Zwar sollen Asylbe­wer­ber­leis­tungen, anders als Sozialhilfe, nicht das sozio-kulturelle, sondern nur das absolute Existenzminimum sichern. Dieser Unterschied ist hier jedoch unerheblich, weil die Beschädigten-Grundrente nicht der sozio-kulturellen Teilhabe, sondern der Rehabilitation dient.

Hinweise zur Rechtslage:

§ 7 Asylbe­wer­ber­leis­tungs­gesetz in der Fassung vom 25. August 1998

(1) Einkommen und Vermögen, über das verfügt werden kann, sind von dem Leistungs­be­rech­tigten und seinen Familien­an­ge­hörigen, die im selben Haushalt leben, vor Eintritt von Leistungen nach diesem Gesetz aufzubrauchen. § 122 des Bundes­so­zi­a­l­hil­fe­ge­setzes findet entsprechende Anwendung. Bei der Unterbringung in einer Einrichtung, in der Sachleistungen gewährt werden, haben Leistungs­be­rechtigte, soweit Einkommen und Vermögen im Sinne des Satzes 1 vorhanden sind, für erhaltene Leistungen dem Kostenträger für sich und ihre Familien­an­ge­hörigen die Kosten in entsprechender Höhe der in § 3 Abs. 2 Satz 2 genannten Leistungen sowie die Kosten der Unterkunft und Heizung zu erstatten; für die Kosten der Unterkunft und Heizung können die Länder Pauschalbeträge festsetzen oder die zuständige Behörde dazu ermächtigen.

(2) - (4) […]

§ 1 Opferent­schä­di­gungs­gesetz in der Fassung vom 19. Juni 2006 (gültig vom 15. Dezember 2000 bis 31. Dezember 2004)

(1) Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesund­heit­lichen und wirtschaft­lichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundes­ver­sor­gungs­ge­setzes. […]

(2) - (4) […]

(5) Sonstige Ausländer, die sich rechtmäßig nicht nur für einen vorübergehenden Aufenthalt von längstens sechs Monaten im Bundesgebiet aufhalten, erhalten Versorgung nach folgenden Maßgaben:

1. […]

2. […]

3. […]

Rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne dieses Gesetzes ist auch ein aus humanitären Gründen oder aus erheblichem öffentlichen Interesse geduldeter Aufenthalt. […]

(6) - (14) (…)

§ 76 Bundes­so­zi­a­l­hil­fe­gesetz in der Fassung vom 27. April 2002 (gültig vom 1. Mai 2002 bis 31. Dezember 2004)

(1) Zum Einkommen im Sinne dieses Gesetzes gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldwert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Gesetz, der Grundrente nach dem Bundes­ver­sorgungs-gesetz und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundes­ent­schä­di­gungs­gesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit gewährt werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundes­ver­sor­gungs­gesetz.

(2) - (3) […]

Quelle: Bundessozialgericht/ra-online

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