15.11.2024
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Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einer Krankenschwester im Vordergrund.
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Bundessozialgericht Urteil23.03.2011

BSG: Verstöße gegen normative Vorgaben für ambulante Operationen können Schaden­s­er­satz­ansprüche konkurrierender Vertragsärzte auslösenVertragsärzten eines Krankenhauses ist bei ambulanten Operationen Vorrang zu gewähren

Verstöße eines Krankenhauses gegen die normativen Vorgaben für ambulante Operationen können Schaden­s­er­satz­ansprüche konkurrierender Vertragsärzte auslösen. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­so­zi­al­ge­richts hervor.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Falls ist eine Gemein­schaft­s­praxis, die aus Fachärzten für Anästhesie besteht. Der Praxis angegliedert ist ein Opera­ti­o­ns­zentrum, in dem Chirurgen unter Mitwirkung dieser Anästhesisten ambulante Operationen durchführen. Die Anästhesisten hatten sich nach den Feststellungen des Sozialgerichts auf eine solche Kooperation auch mit den am selben Ort vertrag­s­ärztlich zugelassenen Chirurgen Dres. P., S. und B. eingestellt. Diese führten ambulante Operationen jedoch in dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus durch, das bei ihr angestellte Kranken­hau­särzte als Anästhesisten zur Verfügung stellte. Die Abrechnung der Leistungen erfolgte auf der Grundlage eines Vertrages gemäß § 115 b SGB V unmittelbar im Verhältnis zwischen dem Krankenhaus bzw seiner Trägerin und den Krankenkassen.

Klägerin verlangt von Krankenhaus Ersatz für entgangenen Gewinn

Die Klägerin machte geltend, die Handlungsweise der Beklagten sei rechtswidrig, sie habe unzuläs­si­gerweise in den Räumen ihres Krankenhauses ambulante Operationen durch Vertragsärzte in Kooperation mit ihren Anästhesisten durchführen lassen; dies sei nicht durch § 115 b SGB V iVm dem AOP-Vertrag gedeckt. Die Beklagte erklärte im August 2006, ihre Handlungsweise einzustellen. Wegen der bis dahin bereits durchgeführten Operationen ohne die Anästhesisten der Klägerin erhob diese im Oktober 2006 Klage. Sie forderte von der Beklagten, ihr Auskunft über die in Kooperation mit den Chirurgen Dres. P., S. und B. durchgeführten Behandlungen zu erteilen und ihr den sich daraus ergebenden - ihr entgangenen - Gewinn zu ersetzen.

Sozialgericht verneint mangels Vorliegen eines rechtswidriges Verhaltens jeglichen Schaden­s­er­satz­an­spruch

Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen: Die Durchführung ambulanter Operationen im Krankenhaus durch vertrag­s­ärztlich zugelassene Chirurgen sei weder nach § 115 b SGB V noch nach dem AOP-Vertrag verboten. Dieser enthalte keine Beschränkung der Leistungs­er­bringung durch Vertragsärzte. Unter einem "belegärztlich tätigen Vertragsarzt" im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 2 AOP-Vertrag sei jeder Vertragsarzt zu verstehen, der im Krankenhaus ambulant operiere. Nach alledem liege kein rechtswidriges Verhalten der Beklagten vor. Das Schaden­s­er­satz­ver­langen der Klägerin scheitere zudem daran, dass nicht festgestellt werden könne, dass ohne das Verhalten der Beklagten die Operateure gerade im Opera­ti­o­ns­zentrum der Klägerin operiert und deren Anästhesisten herangezogen haben würden.

Schaden­s­er­satz­ansprüche vertrag­s­ärztlich tätiger Anästhesisten möglich

Das Bundes­so­zi­al­gericht war anderer Auffassung und wies das Verfahren zurück an das Sozialgericht. Das Gericht wies darauf hin, dass ein Krankenhaus, das in seinen Räumen ambulante Operationen in einer Weise durchführen lässt, die nicht durch die maßgeblichen Vorschriften gedeckt sind (§ 115 b SGB V in Verbindung mit dem "Vertrag nach § 115 b Abs. 1 SGB V – Ambulantes Operieren und stati­o­ns­er­setzende Eingriffe im Krankenhaus", so genannter AOP-Vertrag), so kann das Schaden­s­er­satz­ansprüche vertrag­s­ärztlich tätiger Anästhesisten auslösen, sofern diese geltend machen können, bei korrektem Vorgehen des Krankenhauses wären sie in größerem Umfang zur Mitwirkung bei ambulanten Operationen herangezogen worden.

Zu wirtschaft­lichen Einbußen führende Rechtsverstöße können Schaden­s­er­satz­ansprüche zugunsten der Vertragsärzte begründen

Werden die Möglichkeiten ambulanter Tätigkeit überschritten, die durch § 115 b SGB V und den AOP-Vertrag eingeräumt sind, so wird in den Vorrang der Vertragsärzte für die ambulante vertrag­s­ärztliche Versorgung eingegriffen. Diese haben einen im Status ihrer Zulassung wurzelnden Abwehranspruch gegen die Leistungs­er­bringung anderer Ärzte und Institutionen, wenn diese nicht regelkonform im ambulanten Bereich tätig werden. Dies ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts und des Bundes­so­zi­al­ge­richts zur Abwehr rechtswidrig tätiger Konkurrenten. Solche Rechtsverstöße können Auskunfts­ansprüche und gegebenenfalls auch Schaden­s­er­satz­ansprüche gegen den Kranken­haus­träger begründen, wenn der Vertragsarzt dadurch wirtschaftliche Einbußen erlitten hat. Ob das Verhalten des Krankenhauses, in dessen Räumen ambulante Operationen in rechtswidriger Weise durchgeführt wurden, die klagende Gemein­schaft­s­praxis schädigte, wird das Sozialgericht festzustellen haben, an das der Rechtsstreit zurückverwiesen wird: Es wird zu prüfen haben, ob die Chirurgen sonst ihre Operationen in relevantem Umfang im Opera­ti­o­ns­zentrum der Klägerin durchgeführt und dafür deren Anästhesisten hinzugezogen hätten.

Rechtsgrundlage zur Durchführung ambulanter Operationen durch Vertragsärzte nicht gegeben

Nach den Regelungen des § 115 b SGB V und des AOP-Vertrages (die hier in der 2005/06 geltenden Fassung anzuwenden sind) gibt es keine Rechtsgrundlage dafür, dass Vertragsärzte in den Räumen des Krankenhauses ambulante Operationen durchführen durften. Der AOP-Vertrag sieht nur ambulante Operationen durch Operateure des Krankenhauses oder durch Belegärzte vor, in Verbindung mit einem Anästhesisten des Krankenhauses. Darin sind Operationen durch Vertragsärzte, die nicht belegärztlich mit dem Krankenhaus verbunden sind, nicht vorgesehen.

Quelle: Bundessozialrecht/ra-online

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