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Sächsisches Landessozialgericht Beschluss03.06.2010
Ambulante Behandlung: Vertragsärzte können gerichtlich gegen Krankenhäuser vorgehenRegionale vertragsärztliche Versorgungssituation darf durch Zulassung von Krankenhäusern zur ambulanten Behandlung nicht wesentlich beeinträchtigt werden
Vertragsärzte können gegen die Zulassung von Krankenhäusern zur ambulanten Behandlung von Versicherten klagen. Dies entschied das Sächsische Landessozialgericht.
Als erstes Landessozialgericht hat das Gericht damit auf der Grundlage des § 116 b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der Fassung vom 1. April 2007 die für das Krankenversicherungsrecht bedeutsame Rechtsfrage geklärt, ob sich niedergelassene Vertragsärzte überhaupt gegen behördliche Erlaubnisse wenden können, die Krankenhäusern die Teilnahme an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung ermöglichen. Die Beschwerde gegen die bereits in diesem Sinne ergangene erstinstanzliche Eilentscheidung des Sozialgerichts Dresden hat das Gericht zurückgewiesen.
Sachverhalt
Dem Rechtstreit lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein niedergelassener, vertragsärztlich tätiger Gynäkologe mit dem Schwerpunkt "gynäkologische Onkologie" wandte sich gegen eine Entscheidung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz, durch die einem großen Krankenhaus, das sich nur wenige Kilometer von seiner Praxis entfernt befindet, die Befugnis eingeräumt wurde, Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung auf dem Gebiet der gynäkologischen Tumoren ambulant und damit in Konkurrenz zu den niedergelassenen Vertragsärzten zu behandeln. Gegen diesen so genannten "Bestimmungsbescheid" hat sich der Arzt gewandt, da er dadurch seine wirtschaftliche Existenz gefährdet sah.
LSG räumt Klage des Arztes überwiegende Erfolgsaussicht ein
Das Ministerium hat daraufhin den angefochtenen Bescheid auf Antrag des Krankenhausträgers für sofort vollziehbar erklärt. Das Sozialgericht Dresden hat diese Entscheidung auf den Eilantrag des Arztes aufgehoben und die aufschiebende Wirkung der Klage wieder angeordnet. Das Sächsische Landessozialgericht hat die Beschwerden des Ministeriums und des Krankenhauses zurückgewiesen und die aufschiebende Wirkung der Klage bestätigt, weil es der Klage des Arztes eine überwiegende Erfolgsaussicht eingeräumt hat.
Ambulante Behandlung von Krebserkrankungen war bisher niedergelassenen Vertragsärzten vorbehalten
Die Regelung des § 116 b Abs. 2 SGB V ("Ambulante Behandlung im Krankenhaus") ist in der dem Rechtstreit zugrunde liegenden Fassung seit dem 01.04.2007 in Kraft. Sie ermöglicht die Zulassung von Krankenhäusern zur ambulanten Behandlung kraft behördlicher Entscheidung. Zur Auslegung dieser Vorschrift existierten bisher weder Entscheidungen des Bundessozialgerichts noch von Landessozialgerichten. Zunächst war zu klären, ob sich ein Vertragsarzt überhaupt gerichtlich gegen die einem Krankenhaus erteilte Erlaubnis zur ambulanten Behandlung wenden kann, da der betreffende Bescheid nicht an den Arzt gerichtet ist. Besondere Brisanz und erhebliche wirtschaftliche Bedeutung gewinnt der Streit deshalb, weil den Krankenhäusern insbesondere die ambulante vertragsärztliche Behandlung von Krebserkrankungen ermöglicht wird, die bisher den niedergelassenen Vertragsärzten vorbehalten gewesen ist und die in die dafür notwendige Ausstattung ihrer Praxen oftmals viel Geld investiert haben.
Bei Bedrohung wirtschaftlicher Existenz kann Bestimmungsbescheid zur Zulassung des Krankenhauses angefochten werden
Das Gericht hat dazu ausgeführt, dass kein absoluter Vorrang der vertragsärztlichen Versorgung gegenüber der ambulanten Behandlung durch die Krankenhäuser bestehe. Vertragsärzte, die sich im regionalen Einzugsbereich eines zur ambulanten Leistungserbringung bestimmten Krankenhaus befinden und dieselben Leistungen anbieten, dürften jedoch den Bestimmungsbescheid anfechten (defensive Konkurrentenklage), um die Zulassung des Krankenhauses zu verhindern. Sie müssten allerdings geltend machen, in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht zu sein. Die in § 116 b Abs. 2 SGB V angeordnete "Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation" entfalte zugunsten der Vertragsärzte im regionalen Einzugsbereich des durch die behördliche Entscheidung begünstigten Krankenhauses eine so genannte "drittschützende Wirkung". Aufgrund des Berücksichtigungsgebots dürfe die regionale vertragsärztliche Versorgungssituation durch die Zulassung von Krankenhäusern zur ambulanten Behandlung nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Der einzelne Vertragsarzt habe aber weder einen Anspruch darauf, überhaupt von Konkurrenten verschont zu bleiben, noch einen Anspruch auf wirtschaftlichen Bestandsschutz.
Erläuterungen
Hinweis: Das Verfahren ist beim Sächsischen Landessozialgericht bislang unter dem Aktzeichen L 1 KA 37/09 B ER geführt, aber unter dem Aktenzeichen L 1 KR 94/10 B ER entschieden worden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 15.06.2010
Quelle: ra-online, Sächsisches Landessozialgericht
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