22.11.2024
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Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einer Krankenschwester im Vordergrund.
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Sächsisches Landessozialgericht Beschluss03.06.2010

Ambulante Behandlung: Vertragsärzte können gerichtlich gegen Krankenhäuser vorgehenRegionale vertrag­s­ärztliche Versor­gungs­si­tuation darf durch Zulassung von Krankenhäusern zur ambulanten Behandlung nicht wesentlich beeinträchtigt werden

Vertragsärzte können gegen die Zulassung von Krankenhäusern zur ambulanten Behandlung von Versicherten klagen. Dies entschied das Sächsische Landes­so­zi­al­gericht.

Als erstes Landes­so­zi­al­gericht hat das Gericht damit auf der Grundlage des § 116 b Fünftes Buch Sozial­ge­setzbuch (SGB V) in der Fassung vom 1. April 2007 die für das Kranken­ver­si­che­rungsrecht bedeutsame Rechtsfrage geklärt, ob sich niedergelassene Vertragsärzte überhaupt gegen behördliche Erlaubnisse wenden können, die Krankenhäusern die Teilnahme an der ambulanten vertrag­s­ärzt­lichen Versorgung ermöglichen. Die Beschwerde gegen die bereits in diesem Sinne ergangene erstin­sta­nzliche Eilentscheidung des Sozialgerichts Dresden hat das Gericht zurückgewiesen.

Sachverhalt

Dem Rechtstreit lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein nieder­ge­lassener, vertrag­s­ärztlich tätiger Gynäkologe mit dem Schwerpunkt "gynäkologische Onkologie" wandte sich gegen eine Entscheidung des Sächsischen Staats­mi­nis­teriums für Soziales und Verbrau­cher­schutz, durch die einem großen Krankenhaus, das sich nur wenige Kilometer von seiner Praxis entfernt befindet, die Befugnis eingeräumt wurde, Versicherte der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung auf dem Gebiet der gynäkologischen Tumoren ambulant und damit in Konkurrenz zu den nieder­ge­lassenen Vertragsärzten zu behandeln. Gegen diesen so genannten "Bestim­mungs­be­scheid" hat sich der Arzt gewandt, da er dadurch seine wirtschaftliche Existenz gefährdet sah.

LSG räumt Klage des Arztes überwiegende Erfolgsaussicht ein

Das Ministerium hat daraufhin den angefochtenen Bescheid auf Antrag des Kranken­haus­trägers für sofort vollziehbar erklärt. Das Sozialgericht Dresden hat diese Entscheidung auf den Eilantrag des Arztes aufgehoben und die aufschiebende Wirkung der Klage wieder angeordnet. Das Sächsische Landes­so­zi­al­gericht hat die Beschwerden des Ministeriums und des Krankenhauses zurückgewiesen und die aufschiebende Wirkung der Klage bestätigt, weil es der Klage des Arztes eine überwiegende Erfolgsaussicht eingeräumt hat.

Ambulante Behandlung von Krebs­er­kran­kungen war bisher nieder­ge­lassenen Vertragsärzten vorbehalten

Die Regelung des § 116 b Abs. 2 SGB V ("Ambulante Behandlung im Krankenhaus") ist in der dem Rechtstreit zugrunde liegenden Fassung seit dem 01.04.2007 in Kraft. Sie ermöglicht die Zulassung von Krankenhäusern zur ambulanten Behandlung kraft behördlicher Entscheidung. Zur Auslegung dieser Vorschrift existierten bisher weder Entscheidungen des Bundes­so­zi­al­ge­richts noch von Landes­so­zi­al­ge­richten. Zunächst war zu klären, ob sich ein Vertragsarzt überhaupt gerichtlich gegen die einem Krankenhaus erteilte Erlaubnis zur ambulanten Behandlung wenden kann, da der betreffende Bescheid nicht an den Arzt gerichtet ist. Besondere Brisanz und erhebliche wirtschaftliche Bedeutung gewinnt der Streit deshalb, weil den Krankenhäusern insbesondere die ambulante vertrag­s­ärztliche Behandlung von Krebs­er­kran­kungen ermöglicht wird, die bisher den nieder­ge­lassenen Vertragsärzten vorbehalten gewesen ist und die in die dafür notwendige Ausstattung ihrer Praxen oftmals viel Geld investiert haben.

Bei Bedrohung wirtschaft­licher Existenz kann Bestim­mungs­be­scheid zur Zulassung des Krankenhauses angefochten werden

Das Gericht hat dazu ausgeführt, dass kein absoluter Vorrang der vertrag­s­ärzt­lichen Versorgung gegenüber der ambulanten Behandlung durch die Krankenhäuser bestehe. Vertragsärzte, die sich im regionalen Einzugsbereich eines zur ambulanten Leistungs­er­bringung bestimmten Krankenhaus befinden und dieselben Leistungen anbieten, dürften jedoch den Bestim­mungs­be­scheid anfechten (defensive Konkur­ren­tenklage), um die Zulassung des Krankenhauses zu verhindern. Sie müssten allerdings geltend machen, in ihrer wirtschaft­lichen Existenz bedroht zu sein. Die in § 116 b Abs. 2 SGB V angeordnete "Berück­sich­tigung der vertrag­s­ärzt­lichen Versor­gungs­si­tuation" entfalte zugunsten der Vertragsärzte im regionalen Einzugsbereich des durch die behördliche Entscheidung begünstigten Krankenhauses eine so genannte "drittschützende Wirkung". Aufgrund des Berück­sich­ti­gungs­gebots dürfe die regionale vertrag­s­ärztliche Versor­gungs­si­tuation durch die Zulassung von Krankenhäusern zur ambulanten Behandlung nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Der einzelne Vertragsarzt habe aber weder einen Anspruch darauf, überhaupt von Konkurrenten verschont zu bleiben, noch einen Anspruch auf wirtschaft­lichen Bestandsschutz.

Erläuterungen

Hinweis: Das Verfahren ist beim Sächsischen Landes­so­zi­al­gericht bislang unter dem Aktzeichen L 1 KA 37/09 B ER geführt, aber unter dem Aktenzeichen L 1 KR 94/10 B ER entschieden worden.

Quelle: ra-online, Sächsisches Landessozialgericht

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