21.11.2024
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Bundessozialgericht Urteil27.08.2011

Hartz IV-Empfänger hat Anspruch auf Wertersatz bei rechtswidrigem Ein-Euro-JobBundes­so­zi­al­gericht stärkt Rechte von Ein-Euro-Jobbern

Arbeits­lo­sengeld-II-Empfänger, die vom zuständigen Jobcenter rechtswidrige Ein-Euro-Jobs vermittelt bekommen, können mehr Geld für ihre Arbeit vom JobCenter fordern. Dies hat das Bundes­so­zi­al­gericht entschieden.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin Zahlung von Arbeitsentgelt für Tätigkeiten, die sie in der Zeit vom 7. März 2005 bis 6. September 2005 im Rahmen einer von dem beigeladenen Jobcenter veranlassten Arbeits­ge­le­genheit mit Mehraufwandsentschädigung bei einem Träger der freien Wohlfahrts­pflege verrichtet hat.

Klage auf Feststellung des Bestehens eines Arbeits­ver­hält­nisses in Vorinstanzen erfolglos

Die im Jahre 1964 geborene Klägerin erhielt laufend Arbeits­lo­sengeld II. Mit Schreiben vom 2. Februar 2005 schlug ihr der Beigeladene eine "Beschäf­ti­gungs­ge­le­genheit für Arbeits­lo­sengeld II-Bezieher" unter Benennung unter­schied­licher Tätigkeiten bei der Beklagten mit einer Arbeitszeit von 15-20 Stunden und einer Angabe zu "Lohn/Gehalt: 1 Euro" vor. Die Klägerin übte daraufhin eine Tätigkeit als Reinigungskraft in einem Altenheim mit einem Umfang von 20 Stunden pro Woche aus, die auf sechs Monate befristet war und für die eine Mehrauf­wand­s­ent­schä­digung je geleisteter Beschäf­ti­gungs­stunde in Höhe von 2 Euro gewährt wurde. Eine Klage der Klägerin gegen die Beklagte vor den Arbeits­ge­richten auf Feststellung des Bestehens eines Arbeits­ver­hält­nisses hatte keinen Erfolg. Die weitere, auf Zahlung von Arbeitslohn gerichtete Klage verwies das Arbeitsgericht an das Sozialgericht. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg.

LSG muss neu entscheiden

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat das Urteil der Vorinstanz aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landes­so­zi­al­gericht zurückverwiesen.

BSG: Kein Anspruch auf Arbeitsentgelt bei Arbeits­ge­le­genheit mit Mehrauf­wand­s­ent­schä­digung

Keinen Erfolg hatte der Hauptantrag der Klägerin, mit dem sie gegen die Beklagte Vergü­tungs­ansprüche geltend macht. Ansprüche der Klägerin auf Arbeitsentgelt bestehen nicht, weil ihrer Beschäftigung kein Arbeitsverhältnis zugrunde lag. Sie hat in diesem Zeitraum vielmehr eine Arbeits­ge­le­genheit gegen Mehrauf­wand­s­ent­schä­digung wahrgenommen; derartige Arbeiten begründen nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung kein Arbeits­ver­hältnis. Das Vorliegen einer Arbeits­ge­le­genheit gegen Mehrauf­wand­s­ent­schä­digung ergibt sich aus den näheren Umständen des Zustandekommens sowie der Durchführung der Tätigkeit. Das Jobcenter hat die Arbei­ter­wohlfahrt mit Bewil­li­gungs­be­scheid vom 21. Januar 2005 ausdrücklich mit der Schaffung von Arbeits­ge­le­gen­heiten mit Mehrauf­wand­s­ent­schä­digung beauftragt. Der Beigeladene hat der Klägerin mit Zuwei­sungs­schreiben vom 2. Februar 2005 eine Arbeits­ge­le­genheit gegen Mehrauf­wand­s­ent­schä­digung für Arbeits­lo­sengeld II-Bezieher vorgeschlagen und mit der reduzierten Arbeitszeit und der Höhe der Mehrauf­wand­s­ent­schä­digung Merkmale einer Arbeits­ge­le­genheit benannt. Die auf Veranlassung des Jobcenters verrichtete Tätigkeit stellte deshalb eine Arbeits­ge­le­genheit mit Mehrauf­wand­s­ent­schä­digung dar. Es liegt keine Fallgestaltung vor, in der wegen eines gelösten Zusammenhangs zwischen der Vermittlung in eine Arbeits­ge­le­genheit und gänzlich abweichenden Tätig­keits­in­halten ein Arbeits­ent­gel­t­an­spruch möglich sein könnte.

Zusätzliche Arbeiten beim Ein-Euro-Job nicht feststellbar

Hinsichtlich des Hilfsantrags der Klägerin auf Wertersatz für die geleistete Arbeit im Wege eines öffentlich-rechtlichen Erstat­tungs­an­spruchs gegen das beigeladene Jobcenter ist die Revision im Sinne der Zurück­ver­weisung an das Landes­so­zi­al­gericht begründet. Die für einen Erstat­tungs­an­spruch erforderliche Vermö­gens­mehrung kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn es an einer "Zusätzlichkeit" der Arbeits­ge­le­genheit fehlt. Da die Arbeit dann in Erfüllung einer Aufgabe erbracht worden ist, die in jedem Fall hätte durchgeführt werden müssen, ist beim begünstigten Jobcenter durch die ersparten, aber notwendig gewesenen Aufwendungen zur Erfüllung dieser Aufgabe ein Vermögensvorteil entstanden. Der Senat konnte auf Grund der Feststellungen des Landes­so­zi­al­ge­richts nicht abschließend beurteilen, ob die von der Klägerin verrichteten Reini­gungs­a­r­beiten zusätzlich waren. Soweit es zu einer Vermö­gens­mehrung insoweit gekommen sein sollte, muss sich das Jobcenter die von der Klägerin erbrachte Leistung ungeachtet des Umstandes zurechnen lassen, dass die Arbeits­ge­le­genheit bei der Arbei­ter­wohlfahrt durchgeführt worden ist.

Konkrete Beschreibung auszuübender Tätigkeit unverzichtbar im Zuwei­sungs­schreiben

Kommt das Landes­so­zi­al­gericht zu dem Ergebnis, dass eine Zusätzlichkeit der Reini­gungs­a­r­beiten zu verneinen ist, wird es weiter zu prüfen haben, ob diese Vermö­gens­ver­schiebung ohne Rechtsgrund erfolgt ist. Als Rechtsgrund für die Vermö­gens­ver­schiebung kommen grundsätzlich ein bestands­kräftiger Zuwei­sungs­be­scheid bzw eine Einglie­de­rungs­ver­ein­barung in Betracht. In dem an die Klägerin gerichteten Zuwei­sungs­schreiben kann mangels abschließender Regelung kein Verwaltungsakt gesehen werden. Die hier fehlende Benennung der von dem Hilfe­be­dürftigen konkret auszuübenden Tätigkeit ist unverzichtbar, weil allein das Jobcenter für die Eignung der Maßnahme im Sinne einer Eingliederung des Leistungs­be­rech­tigten verantwortlich bleibt.

Quelle: Bundessozialgericht/ra-online

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