18.10.2024
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Bundessozialgericht Urteil13.04.2011

BSG: Rechtswidriger Ein-Euro-Job kann Anspruch auf Wertersatz begründenZugeteilte Arbeits­ge­le­genheit muss Merkmal der Zusätzlichkeit tragen

Ein Empfänger von Sozia­l­leis­tungen nach dem SGB II hat dann Anspruch auf Wertersatz durch das Jobcenter für eine geleistete Arbeit im Rahmen einer Arbeits­ge­le­genheit gegen Mehrauf­wand­s­ent­schä­digung (so genannter Ein-Euro-Job), wenn der wahrgenommenen Arbeits­ge­le­genheit das Merkmal der Zusätzlichkeit fehlt. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­so­zi­al­ge­richts hervor.

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls begehrt von dem beklagten Jobcenter Wertersatz für geleistete Arbeit im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit gegen Mehrauf­wand­s­ent­schä­digung (so genannter Ein-Euro-Job). Er erhält seit dem 1. Januar 2005 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebens­un­ter­haltes nach dem Zweiten Buch Sozial­ge­setzbuch (SGB II). Am 24. März 2005 erließ der Beklagte einen Bescheid, mit dem der Kläger verpflichtet wurde, für die Dauer von sechs Monaten gegen eine Mehrauf­wand­s­ent­schä­digung von einem Euro pro geleisteter Arbeitsstunde einen so genannten Zusatzjob als Bürohilfskraft bei der Stadt Mannheim auszuüben; die Stelle war jedoch bereits anderweitig vergeben. Daraufhin schlug der Beklagte dem Kläger am 6. April 2005 eine Arbeitsstelle als Umzugshelfer bei der Stadt Mannheim – Fachbereich soziale Sicherung – für vorbereitende Arbeiten für den Umzug des Fachbereichs Gesundheit vor. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und beantragte zugleich beim Sozialgericht einstweiligen Rechtsschutz. Während des laufenden Eilverfahrens arbeitete der Kläger ab dem 25. April 2005 als Umzugshelfer und erhielt hierfür eine entsprechende Mehrauf­wand­s­ent­schä­digung. Der Beklagte nahm im Verlauf des Eilverfahrens den Bescheid vom 24. März 2005 zurück. Am 18. Mai 2005 stellte der Kläger die Arbeit ein.

Arbeitsgericht weist Klage auf Zahlung von Arbeitsentgelt ab

Eine vor dem Arbeitsgericht Mannheim gegen die Stadt Mannheim erhobene Klage auf Zahlung von Arbeitsentgelt wurde mit der Begründung abgewiesen, es habe kein Arbeits­ver­hältnis bestanden. Mit seiner danach beim Sozialgericht erhobenen Klage, macht der Kläger geltend, mit der Rücknahme des Bescheides vom 24. März 2005 sei der Rechtsgrund für die von ihm geleistete Arbeit entfallen. Die Arbeits­ver­pflichtung sei zudem rechtswidrig gewesen, weil die beim Umzug des Gesund­heit­samtes angefallene Arbeit nicht zusätzlich gewesen sei. Aus diesem Grund habe der Beklagte ihm den Tariflohn zu erstatten.

Landes­so­zi­al­gericht verneint Bereicherung des Jobcenters durch die vom Kläger erbrachte Arbeit

Sozialgericht und Landes­so­zi­al­gericht haben die Klage zurückgewiesen; es bestehe insbesondere kein öffentlich-rechtlicher Erstat­tungs­an­spruch, weil der Wert der geleisteten Arbeit den Wert der im fraglichen Zeitraum bezogenen Sozialleistung nicht erreiche. Zwar komme bei einer rechtswidrigen Heranziehung zu einem Ein-Euro-Job eine Rückabwicklung im Wege des öffentlich-rechtlichen Erstat­tungs­an­spruchs in Betracht. Die Höhe der Erstattung richte sich nach dem Wert der geleisteten Arbeit, der sich vorrangig nach den einschlägigen Tarifverträgen, gegebenenfalls nach den ortsüblichen Entgelten bemesse. Nach dem einschlägigen Tarifvertrag ergebe sich hieraus ein Entgelt in Höhe von insgesamt 697,60 Euro. Dem stünden jedoch die vom Beklagten in den betroffenen Monaten erbrachten Grund­si­che­rungs­leis­tungen in Höhe von 1.231,36 Euro gegenüber. Der Beklagte sei daher durch die vom Kläger erbrachte Arbeit nicht bereichert. Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, durch die von dem Beklagten erfolgte Zuweisung an die Stadt Mannheim liege im Ergebnis eine Leistung an den Beklagten vor. Ein Vergleich mit regulär Beschäftigten ergebe zudem, dass dem Kläger zumindest die Erwer­b­s­tä­ti­gen­frei­beträge verbleiben müssten.

Sozia­l­leis­tungen dürfen nur für die Zeit berücksichtigt werden, in der durch die Arbeitsleistung eine Bereicherung des Jobcenters bewirkt wurde

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat das beklagte Jobcenter verurteilt, an den Kläger den Betrag von 149,28 Euro, auf den der Kläger den Revisionsantrag begrenzt hatte, zu zahlen. Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein öffentlich rechtlicher Erstat­tungs­an­spruch zu. Bei der Arbeits­ge­le­genheit, die vom Kläger wahrgenommen worden ist, fehlte das Merkmal der Zusätzlichkeit. Maßgebend für den durch diese nicht zusätzliche Tätigkeit bedingten Vermö­gens­vorteil bei dem Beklagten ist, dass dieser durch die Schaffung der Arbeits­ge­le­genheit und die Zuweisung des Klägers an den Maßnahmeträger die Arbeitsleistung veranlasst hat. Hinsichtlich der Höhe des Erstat­tungs­an­spruchs ist das Landes­so­zi­al­gericht zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte für die Arbeit des Klägers das übliche Arbeitsentgelt nach dem Tarifvertrag für das Spedi­ti­o­ns­gewerbe hätte aufwenden müssen und dem hieraus resultierenden Betrag die von dem Beklagten erbrachten Grund­si­che­rungs­leis­tungen (einschließlich der zu tragenden Aufwendungen für die gesetzliche Renten-, Kranken- und Pflege­ver­si­cherung) gegenüber zu stellen sind. Anders als das Landes­so­zi­al­gericht entschieden hat, können hierbei jedoch nur Sozia­l­leis­tungen berücksichtigt werden, die der Kläger für die Zeit erhalten hat, in der er durch seine Arbeitsleistung eine Bereicherung des Beklagten bewirkt hat. Dies war hier der Zeitraum vom 25. April 2005 bis 18. Mai 2005. Das Landes­so­zi­al­gericht hat demgegenüber zu Unrecht die gesamten Grund­si­che­rungs­leis­tungen für die Monate April und Mai 2005 berücksichtigt.

Hinweis zur Rechtslage:

Erläuterungen

SGB II § 16 d Arbeits­ge­le­gen­heiten

Für erwerbsfähige Hilfebedürftige, die keine Arbeit finden können, sollen Arbeits­ge­le­gen­heiten geschaffen werden. Werden Gelegenheiten für im öffentlichen Interesse liegende, zusätzliche Arbeiten gefördert, ist den erwerbsfähigen Hilfe­be­dürftigen zuzüglich zum Arbeits­lo­sengeld II eine angemessene Entschädigung für Mehrauf­wen­dungen zu zahlen; diese Arbeiten begründen kein Arbeits­ver­hältnis im Sinne des Arbeitsrechts; die Vorschriften über den Arbeitsschutz und das Bundes­ur­laubs­gesetz mit Ausnahme der Regelungen über das Urlaubsentgelt sind entsprechend anzuwenden; für Schäden bei der Ausübung ihrer Tätigkeit haften erwerbsfähige Hilfebedürftige nur wie Arbeit­neh­me­rinnen und Arbeitnehmer.

Quelle: Bundessozialgericht/ra-online

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