21.11.2024
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Bundessozialgericht Urteil22.04.2015

Gesetzliche Kranken­ver­si­cherung muss älterem männlichem Versicherten Kosten für eine Perücke nicht erstattenHaarverlust von Brauen, Wimpern und Bartwuchs kann bei jüngeren Versicherten als Krankheit angesehen werden

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat entschieden, dass der typische männliche Verlust des Kopfhaares weder eine Krankheit noch eine Behinderung im Sinne von § 33 Absatz 1 SGB V, der die Voraussetzung für die Versorgung mit Hilfsmitteln in der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung beschreibt. Ein darüber hinausgehender Haarverlust, der unter anderem auch die Brauen, Wimpern und den Bartwuchs umfasst (Alopecia areata universalis), kann jedoch bei einem jungen Mann eine Krankheit darstellen.

Nach der Rechtsprechung des Bundes­so­zi­al­ge­richts können Perücken ein Hilfsmittel sein. Insbesondere sind Vollperücken nicht als Gebrauchs­ge­gen­stände des täglichen Lebens von der Leistungs­pflicht der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung ausgenommen.

Verlust des Kopfhaares ist bei einem Mann nicht als Krankheit zu werten

Der alleinige Verlust des Kopfhaares bei einem Mann ist jedoch nicht als Krankheit zu werten, weil er weder die Körper­funk­tionen beeinträchtigt noch entstellend wirkt. Die überwiegende Zahl der Männer verliert im Laufe des Lebens ganz oder teilweise ihr Kopfhaar. Dadurch erregen Männer aber weder besondere Aufmerksamkeit im Sinne von Angestarrt-Werden noch werden sie stigmatisiert. Demgegenüber tritt bei Frauen aus biologischen Gründen in der Regel im Laufe des Lebens kein entsprechender Haarverlust ein. Eine Frau ohne Kopfhaar fällt daher besonders auf und zieht die Blicke anderer auf sich. Dieser bei Frauen von der Norm deutlich abweichende Zustand ist - wenn er entstellend wirkt - krank­heits­wertig, sodass die Versorgung mit einer Perücke bei Frauen Aufgabe der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung sein kann.

Versorgung mit Vollperücken zu Lasten der Kranken­ver­si­cherung in Ausnahmen möglich

Männer sind allerdings nicht vollständig von der Versorgung mit Vollperücken zu Lasten der Kranken­ver­si­cherung ausgeschlossen. Ein solcher Anspruch kann bestehen, wenn der Haarverlust nicht allein die Kopfbehaarung, sondern auch die übrige Behaarung des Kopfes wie Brauen, Wimpern und Bart erfasst. Ein solcher Haarverlust geht über den typischen männlichen Haarverlust hinaus und kann insbesondere bei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen Aufsehen erregen. Je nach Alter des Mannes und Aussehen des unbehaarten Kopfes kann in einem solchen Fall daher eine auffallende, entstellende Wirkung vorliegen, die Krankheitswert besitzt.

Krankenkasse lehnt Koste­n­er­stattung zu Recht ab

Eine entsprechende Wirkung hat der haarlose Kopf des zum Zeitpunkt der Beschaffung der Perücke deutlich über siebzigjährigen Klägers hingegen nicht. Nicht maßgeblich ist dabei, ob der Betroffene seine Haarlosigkeit subjektiv entstellend empfindet. Die beklagte Krankenkasse hat es daher zu Recht abgelehnt, den Kläger mit einer Perücke zu versorgen.

Rechtsvorschriften

§ 33 SGB V

Erläuterungen

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körpe­rer­satz­stücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Kranken­be­handlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchs­ge­gen­stände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. [...]

Quelle: Bundessozialgericht/ra-online

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