23.11.2024
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Bundessozialgericht Urteil11.04.2013

Gefahrtarif: Von Bäckereien und Konditoreien dürfen in der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung gleiche Beiträge gefordert werdenRegelungen des Gefahrtarifs halten sich in gesetzten Grenzen einer zulässigen Typisierung

Bäckereien und Konditoreien dürfen in der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung dem gleichen Gefahrtarif zugeordnet werden, sodass für beide Betriebszweige gleiche Beiträge gefordert werden können. Dies entschied das Bundes­so­zi­al­gericht.

Die Klägerinnen des zugrunde liegenden Streitfalls sind zwei Unternehmen des Kondi­to­rei­ge­werbes. Eine Klägerin stellt Konditoreiwaren in industrieller Fertigung, die andere als handwerklich geprägter Betrieb her. Beide Unternehmen wurden von der beklagten Berufs­ge­nos­sen­schaft für Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN) für das Jahr 2005 nach dem neuen Gefahrtarif zu der Gefahr­ta­rif­stelle 1 mit Gefahrklasse 6, veranlagt. In dem Gefahrtarif wurden die Gewerbezweige "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren" erstmals zusammengefasst, was bei den "Nur-Konditoren" zu einer erheblichen Beitrags­stei­gerung führte. Hiergegen wandten sich die Klägerinnen und machten geltend, der Gefahrtarif sei rechtswidrig, weil beide Gewerbezweige zu derselben Tarifstelle veranlagt werden. Diese seien weiterhin getrennt zu veranlagen, weil die Risiken signifikant voneinander abwichen.

Vertre­ter­ver­sammlung steht bei Bildung von Gefahrklassen selbständig auszufüllender Entscheidungs- und Gestal­tungs­spielraum zu

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat den Gefahrtarif 2005 der Beklagten gebilligt. Die Unfall­ver­si­che­rungs­träger setzen die Gefahrklassen durch ihre Vertre­ter­ver­samm­lungen als autonomes Recht in einem Gefahrtarif fest (§ 157 Abs. 1 SGB VII, § 33 Abs. 1 SGB IV). Bei der Bildung von Gefahrklassen steht der Vertre­ter­ver­sammlung als Satzungsgeber ein selbständig auszufüllender Entscheidungs- und Gestal­tungs­spielraum zu. Die hier mittelbar angegriffene Regelung im Gefahrtarif 2005 hält sich noch im Rahmen dieses Gestal­tungs­spielraums. Sie entspricht den Vorgaben der gesetzlichen Ermäch­ti­gungs­normen (§§ 157, 158 SGB VII, 33, 34 SGB IV). Werden in einer Tarifstelle verschiedene Gewerbezweige zusammengefasst, dürfen die Belas­tungs­ziffern der einzelnen Zweige statistisch nicht signifikant von der durch­schnitt­lichen Belas­tungs­ziffer der Tarifstelle abweichen. Das ist hier (noch) nicht der Fall. Für den Gefahrtarif 2005 wäre bei getrennter Veranlagung für die Herstellung von Konditoreiwaren die Gefahrklasse 4, vorzusehen gewesen. Die Abweichung der Gefähr­dungs­risiken der Konditoreien zu der festgesetzten Gefahrklasse erreiche zwar ein Ausmaß von ca. einem Drittel. Damit hält sich der Normgeber unter Berück­sich­tigung eines versi­che­rungs­mäßigen Ausgleichs aber gerade noch im Rahmen seines Regelungs­spielraums.

BSG verneint Verletzung von Grundrechten

Auch die Grundrechte der Klägerinnen sind nicht verletzt. Der Schutz der allgemeinen wirtschaft­lichen Handlungs­freiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) schließt eine Zusammenführung von Tarifstellen oder die Überführung von sich wandelnden Gewerbezweigen in andere Tarifstellen grundsätzlich nicht aus. Auch war bei der Prüfung, ob den Klägerinnen Vertrau­ens­schutz gemäß Art. 2 Abs. 1 GG iVm Art. 20 Abs. 3 GG zustand, zu berücksichtigen, dass der Gefahrtarif jeweils nach Ablauf seiner Geltungsdauer zwingend neu festzulegen ist und das Gesetz selbst eine maximale Geltungsdauer eines Gefahrtarifs von 6 Jahren vorsieht. Die Regelungen des Gefahrtarifs halten sich auch in den durch Art. 3 Abs. 1 GG gesetzten Grenzen einer zulässigen Typisierung.

Quelle: Bundessozialgericht/ra-online

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