14.11.2024
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Sie sehen ein altes Ehepaar auf einer Parkbank.
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Bundessozialgericht Urteil30.10.2007

Bundes­so­zi­al­gericht zum Versi­che­rungs­schutz bei einem Unfall auf dem SchulwegUnreife sowie alter­ss­pe­zi­fische Verhal­tens­weisen von Kindern und Jugendlichen müssen berücksichtigt werden

Schüler sind auf dem Heimweg auch dann gesetzlich unfall­ver­sichert, wenn sie nicht die kürzeste Strecke wählen. Das hat das Bundes­so­zi­al­gericht im Falle eines Jungen entschieden, der zwei Bushaltestellen zu spät ausgestiegen war und hatte dadurch einen längeren Fußweg nach Hause hatte. An einer Kreuzung kam es dann zu einem schweren Unfall.

Schüler sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 Buchst b SGB VII während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen gesetzlich gegen Unfall versichert; der Versi­che­rungs­schutz erstreckt sich nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auf das Zurücklegen des mit dem Schulbesuch zusam­men­hän­genden unmittelbaren Weges nach und von der Schule.

Sachverhalt

Der seinerzeit acht Jahre alte Kläger fuhr am 28. November 2003 nach Unterrichtsende von der Volksschule mit dem Schulbus nach Hause. Er stieg an diesem Tag nicht wie sonst an der auf Höhe der elterlichen Wohnung gelegenen Haltestelle, sondern erst zwei Haltestellen weiter aus, wodurch sich der Fußweg nach Hause um ca. 350 Meter verlängerte. Nach den Feststellungen des Landes­so­zi­al­ge­richts hatte er sich im Bus mit einer Mitschülerin unterhalten und auf deren Aufforderung: "Du musst jetzt raus" nicht reagiert. Auf dem verlängerten Nachhauseweg wurde der Kläger beim Überqueren der Straße von einem PKW erfasst und schwer verletzt.

Der Beklagte lehnte es ab, den Unfall als versicherten Schulunfall ("Arbeitsunfall" in der Terminologie des Gesetzes) anzuerkennen, weil der Kläger vom direkten Nachhauseweg abgewichen sei. Während das Sozialgericht diese Auffassung geteilt und die Klage abgewiesen hat, hat das Landes­so­zi­al­gericht die Beklagte verurteilt, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen. Es hat insbesondere darauf abgehoben, dass ein achtjähriger Schüler nicht über die nötige Einsichts­fä­higkeit und Reife verfüge, um stets den kürzesten Weg nach Hause zu nehmen und an der "richtigen" Haltestelle auszusteigen. Beim Kläger sei die alters­grup­pen­ty­pische Zerstreutheit noch dadurch verstärkt worden, dass er an einer Aufmerk­sam­keits­defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) leide und sich deshalb besonders schlecht konzentrieren könne. Durch das Verpassen der Haltestelle sei deshalb der sachliche Zusammenhang des Weges mit dem Schulbesuch nicht gelöst worden.

Entscheidung des Bundes­so­zi­al­ge­richts

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen. Das Landes­so­zi­al­gericht hat den Verkehrsunfall des Klägers zu Recht als in der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung versicherten "Arbeitsunfall" angesehen. Zwar führt jede Unterbrechung einer versicherten Tätigkeit (hier: Zurücklegen des Weges nach Hause), die aus eigen­wirt­schaft­lichen, privaten Gründen vorgenommen wird, zu einem Entfallen des Versi­che­rungs­schutzes während der Unterbrechung. Es entspricht aber der Rechtsprechung des Bundes­so­zi­al­ge­richts, für die Frage, ob der sachliche Zusammenhang durch eine eigen­wirt­schaftlich bestimmte Handlungs­tendenz gelöst ist, bei Kindern und Jugendlichen weniger strikte Maßstäbe anzulegen und deren Unreife sowie alter­ss­pe­zi­fische Verhal­tens­weisen zu berücksichtigen. Der vom Beklagten geltend gemachte Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht ersichtlich, weil zwischen erwachsenen ausgereiften Personen und Kindern und Jugendlichen tatsächliche Unterschiede in diesem Sinne bestehen, die die rechtliche Ungleichbehandlung nicht nur rechtfertigen, sondern sogar gebieten.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 35/07 des BSG vom 30.10.2007

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