18.10.2024
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Bundessozialgericht Urteil08.05.2019

Härtefall-Mehrbedarf: Jobcenter muss Kosten für Schulbücher übernehmenMangels Lernmit­tel­freiheit selbst zu kaufende Bücher sind nicht vom Regelbedarf erfasst

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat entschieden, dass die Kosten für Schulbücher vom Jobcenter als Härtefall-Mehrbedarf zu übernehmen sind, wenn Schüler mangels Lernmit­tel­freiheit ihre Schulbücher selbst kaufen müssen.

Die Kosten für Schulbücher sind zwar dem Grunde nach vom Regelbedarf erfasst, nicht aber in der richtigen Höhe, wenn keine Lernmit­tel­freiheit besteht. Denn der Ermittlung des Regelbedarfs liegt eine bundesweite Einkommens- und Verbrauchs­s­tichprobe zugrunde. Deren Ergebnis für Schulbücher ist folglich nicht auf Schüler übertragbar, für die anders als in den meisten Bundesländern keine Lernmit­tel­freiheit in der Oberstufe gilt.

Jobcenter muss Kosten für Schulbücher mangels Lehrmit­tel­freiheit als Härtefall-Mehrbedarf tragen

Daher sind Schulbücher für Schüler, die sie mangels Lernmit­tel­freiheit selbst kaufen müssen, durch das Jobcenter als Härtefall-Mehrbedarf nach § 21 Absatz 6 SGB II zu übernehmen. Dieser Mehrbedarf wurde aufgrund der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschen­würdigen Existenz­mi­nimums aus Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Sozial­staats­prinzip des Artikel 20 Absatz 1 Grundgesetz eingeführt.

Härtefall-Mehrbedarf ist verfas­sungs­konform auszulegen

Der Härtefall-Mehrbedarf soll Sonder­si­tua­tionen, in denen ein höherer, überdurch­schnitt­licher Bedarf auftritt, und sich der Regelbedarf als unzureichend erweist, Rechnung tragen und ist verfas­sungs­konform auszulegen (vgl. Bundes­ver­fas­sungs­gericht, Urteil v. 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - und Bundes­ver­fas­sungs­gericht, Beschluss v. 23.07.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12 und 1 BvL 1691/13 -).

Konflikte zwischen Bund und Ländern darf nicht auf dem Rücken der Schüler ausgetragen werden

Aus der Kultushoheit der Länder folgt nichts anderes. Mögliche Konflikte zwischen Bund und Ländern hinsichtlich der Finanzierung der Schulbildung dürfen nach den verfas­sungs­recht­lichen Vorgaben nicht auf dem Rücken der Schüler ausgetragen werden. Ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 SGB II scheidet aus, weil dieses einen vom Regelbedarf zutreffend erfassten Bedarf voraussetzt, was bei fehlender Lernmit­tel­freiheit gerade nicht der Fall ist.

Quelle: Bundessozialgericht/ra-online (pm/kg)

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