18.10.2024
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Sie sehen eine Geldbörse mit einer Gesundheitskarte von einer deutschen Krankenversicherung.

Dokument-Nr. 10326

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Urteil28.09.2010BundessozialgerichtB 1 SF 1/10 R, B 1 SF 2/10 R, B 1 SF 3/10 R
Vorinstanz zu B 1 SF 2/10 R :
  • Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss14.06.2010, L 11 KR 199/10 KL
Vorinstanz zu B 1 SF 3/10 R:
  • Landessozialgericht Hamburg, , L 1 KR 22/10 KL
ergänzende Informationen

Bundessozialgericht Urteil28.09.2010

BSG: Zuständigkeit für Klagen von Krankenkassen gegen Bundes­kar­tellamt liegt bei Sozial­ge­richts­barkeitÖffentlich-rechtlicher Streit in Angelegenheiten der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung ist zwingend und ausschließlich Sozial­ge­richts­barkeit zugeordnet

Für die Klagen von Krankenkassen gegen die Auskunfts­be­schlüsse des Bundes­kar­tellamts ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozial­ge­richts­barkeit eröffnet. Dies entschied das Bundes­so­zi­al­gericht.

Acht Krankenkassen, darunter die drei Klägerinnen, informierten am 25. Januar 2010 in einer Pressekonferenz in Berlin über das Thema "Finan­z­ent­wicklung in der GKV Einstieg in den Zusatzbeitrag". Sie äußerten u.a., Zusatzbeiträge würden nach Expertenmeinung nun die Regel. Da die beteiligten Krankenkassen seit 1. Februar 2010 Zusatzbeiträge von ihren Mitgliedern erheben, gab ihnen das Bundes­kar­tellamt auf, einen Fragenkatalog zu beantworten, weil der Anfangsverdacht einer "unzulässigen Preisabsprache zwischen Unternehmen" im Sinne des Gesetzes gegen Wettbe­wer­bs­be­schrän­kungen bestehe. Hiergegen haben die betroffenen Krankenkassen klageweise Landes­so­zi­al­ge­richte angerufen.

Uneinigkeit über Zulässigkeit oder Unzulässigkeit hinsichtlich des Rechtswegs zu den Gerichten der Sozial­ge­richts­barkeit

Die beklagte Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundes­kar­tellamt, hat jeweils den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozial­ge­richts­barkeit als unzulässig gerügt. Während das Hessische Landes­so­zi­al­gericht und das Landes­so­zi­al­gericht Nordrhein-Westfalen die Sozial­ge­richts­barkeit für zuständig angesehen haben, hat das Landes­so­zi­al­gericht Hamburg diesen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Streit an das Oberlan­des­gericht Düsseldorf verwiesen. All diese Beschlüsse sind mit der Rechts­weg­be­schwerde angefochten.

Entscheidung, ob Auskunfts­be­schlüsse des Bundes­kar­tellamts mit Gesetz und Recht vereinbar sind, liegt bei Landes­so­zi­al­ge­richten

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat entschieden, dass für die erhobenen Klagen gegen die Auskunfts­be­schlüsse des Bundes­kar­tellamts der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozial­ge­richts­barkeit eröffnet ist, nicht aber die Oberlan­des­ge­richte zuständig sind. Die Streitigkeiten betreffen nämlich die Reichweite des Selbst­ver­wal­tungs­rechts der Klägerinnen. Es geht um ihren Anspruch auf Unterlassung kompe­ten­z­widriger Aufsichts­maß­nahmen, wenn sie Zusatzbeiträge erheben und dabei ihrer Pflicht nachkommen, mit anderen Krankenkassen zu kooperieren. Dies ist jeweils ein öffentlich-rechtlicher Streit in Angelegenheiten der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung, der zwingend und ausschließlich der Sozial­ge­richts­barkeit zugeordnet ist. Nur im Rahmen des Selbst­ver­wal­tungs­rechts der Klägerinnen interessiert das Kartellrecht. Darüber, ob die Auskunfts­be­schlüsse des Bundes­kar­tellamts in der Sache mit Gesetz und Recht vereinbar sind, müssen nun die Landes­so­zi­al­ge­richte befinden.

Hinweise zum rechtlichen Hintergrund:

Erläuterungen
Sozialgerichtsgesetz

§ 29

(2) Die Landes­so­zi­al­ge­richte entscheiden im ersten Rechtszug über

[…]

2. Aufsichts­an­ge­le­gen­heiten gegenüber Trägern der Sozia­l­ver­si­cherung …, bei denen die Aufsicht von einer Landes- oder Bundesbehörde ausgeübt wird.

§ 51

(1) Die Gerichte der Sozial­ge­richts­barkeit entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten

[…]

2. in Angelegenheiten der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung, …, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden; dies gilt nicht für Streitigkeiten in Angelegenheiten nach § 110 des Fünften Buches Sozial­ge­setzbuch aufgrund einer Kündigung von Versor­gungs­ver­trägen, die für Hochschul­kliniken oder Plankran­ken­häuser … gelten,

[…]

(2) Die Gerichte der Sozial­ge­richts­barkeit entscheiden auch über privat­rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. § 87 des Gesetzes gegen Wettbe­wer­bs­be­schrän­kungen findet keine Anwendung.

§ 54

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichts­behörde begehren, wenn sie behauptet, dass die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

Gesetz gegen Wettbe­wer­bs­be­schrän­kungen § 63

(1) Gegen Verfügungen der Kartellbehörde ist die Beschwerde zulässig...

(2) Die Beschwerde steht den am Verfahren vor der Kartellbehörde Beteiligten … zu.

[…]

(4) Über die Beschwerde entscheidet ausschließlich das für den Sitz der Kartellbehörde zuständige Oberlan­des­gericht, in den Fällen der §§ 35 bis 42 ausschließlich das für den Sitz des Bundes­kar­tellamts zuständige Oberlan­des­gericht, und zwar auch dann, wenn …

Fünftes Buch Sozial­ge­setzbuch

§ 4 - Krankenkassen

(1) Die Krankenkassen sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbst­ver­waltung.

[…]

(3) Im Interesse der Leistungs­fä­higkeit und Wirtschaft­lichkeit der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung arbeiten die Krankenkassen und ihre Verbände sowohl innerhalb einer Kassenart als auch kassen­ar­ten­über­greifend miteinander und mit allen anderen Einrichtungen des Gesund­heits­wesens eng zusammen.

§ 242 - Kassen­in­di­vi­dueller Zusatzbeitrag

(1) Soweit der Finanzbedarf einer Krankenkasse durch die Zuweisungen aus dem Fonds nicht gedeckt ist, hat sie in ihrer Satzung zu bestimmen, dass von ihren Mitgliedern ein Zusatzbeitrag erhoben wird. Der Zusatzbeitrag ist auf 1 vom Hundert der beitrags­pflichtigen Einnahmen des Mitglieds begrenzt. Abweichend von Satz 2 erhebt die Krankenkasse den Zusatzbeitrag ohne Prüfung der Höhe der Einnahmen des Mitglieds, wenn der monatliche Zusatzbeitrag den Betrag von 8 Euro nicht übersteigt [...]

Quelle: Bundessozialgericht/ra-online

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