21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen das Schild des Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss08.02.2017

BGH zum Adoptionsrecht nicht miteinander verheirateter und nicht verpartnerter LebensgefährtenStief­kin­da­d­option bleibt im Interesse des Kindeswohls weiterhin an besonders gefestigte Beziehung in Form von Ehe oder Leben­s­part­ner­schaft geknüpft

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass eine mit ihrem Lebensgefährten weder verheiratete noch in einer Leben­s­part­ner­schaft lebende Person dessen Kind nicht annehmen kann, ohne dass zugleich das Verwandtschafts­verhältnis zwischen ihrem Lebensgefährten und dem Kind erlischt.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die beiden nicht miteinander verheirateten Antragsteller begehren die Adoption der minderjährigen Kinder J. und G. durch den Antragsteller mit der Maßgabe, dass diese die Stellung gemein­schaft­licher Kinder der beiden Antragsteller erlangen. Die Antragstellerin ist die leibliche Mutter der Anzunehmenden; ihr leiblicher Vater ist 2006 verstorben. Der Antragsteller lebt seit 2007 mit der Kindesmutter in einer nichtehelichen Lebens­ge­mein­schaft. Das Amtsgericht hatte den Antrag zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragsteller war erfolglos geblieben.

Eindeutige gesetzliche Regelungen lassen keine andere Auslegung zu

Der Bundes­ge­richtshof bestätigte die Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts. Anders als bei der Stiefkindadoption durch Ehegatten oder Lebenspartner hat der Gesetzgeber für nicht verheiratete Personen keine vergleichbare Regelung geschaffen. Deshalb könne eine nicht verheiratete und nicht verpartnerte Person ein Kind gemäß § 1741 Abs. 2 Satz 1 BGB nur allein annehmen, so dass das Verwandt­schafts­ver­hältnis des Kindes zu ihrem Lebensgefährten gemäß § 1755 Abs. 1 Satz 1 BGB erlischt. Diese eindeutigen Regelungen lassen keine andere Auslegung zu.

Keine Verletzung des Eltern- oder Famili­en­grund­rechts

Der Bundes­ge­richtshof erachtet die entsprechenden Regelungen nicht für verfas­sungs­widrig. Auf das Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG kann sich der Antragsteller nicht berufen, weil er lediglich sozialer, nicht aber rechtlicher bzw. leiblicher Elternteil ist. Das Famili­en­grundrecht gemäß Art. 6 Abs. 1 GG ist nicht verletzt, weil dieses keinen Anspruch der Famili­en­mit­glieder auf Adoption umfasst. Auch der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt, weil der Gesetzgeber die zu vergleichenden Sachverhalte (nicht verheiratete Lebensgefährten einerseits und Ehegatten oder Lebenspartner andererseits) unterschiedlich behandeln darf. Der von ihm erstrebte Zweck, den anzunehmenden Kindern eine stabile Elternbeziehung zu gewährleisten, ist legitim. Wenn der Gesetzgeber hierfür maßgeblich auf eine rechtlich abgesicherte Partnerschaft in Form einer Ehe bzw. einer eingetragenen Leben­s­part­ner­schaft abstellt, liegt das noch in seinem gesetz­ge­be­rischen Ermessen.

Auch geschütztes Recht auf Achtung des Familienlebens gemäß EMRK nicht verletzt

Die hier im Streit stehenden Adopti­o­ns­re­ge­lungen verletzen die Antragsteller auch nicht in ihrem von Art. 8 EMRK geschützten Recht auf Achtung des Familienlebens. Zwar erlaubt das im Jahr 2008 geänderte Europäische Adopti­o­ns­über­ein­kommen den Vertragsstaaten, die Adoption eines Kindes u.a. durch zwei Personen verschiedenen Geschlechts zuzulassen, wenn diese "in einer stabilen Beziehung" leben. Dabei handelt es sich jedoch lediglich um eine Öffnungsklausel, nicht aber bereits um eine (bindende) Wertent­scheidung. Ebenso wenig fordert der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte es nicht verheirateten Lebensgefährten zu ermöglichen, durch Adoption die Stellung gemein­schaft­licher Eltern minderjähriger Kinder zu erlangen. Vielmehr hat der Gerichtshof bei der Adoption Minderjähriger den Abbruch der Beziehung des Kindes zu seinen leiblichen Eltern im Grundsatz anerkannt. Eine Verletzung von Art. 8 EMRK hat er dagegen nur für den Ausnahmefall der Adoption eines volljährigen, aber behinderten Kindes durch den Lebensgefährten der Mutter mit Erlöschen der verwandt­schaft­lichen Beziehungen zur Mutter festgestellt. Demgegenüber geht es bei dem vom Bundes­ge­richtshof zu entscheidenden Fall um minderjährige Kinder, für die der deutsche Gesetzgeber im Interesse des Kindeswohls eine Stief­kin­da­d­option weiterhin an eine besonders gefestigte Beziehung der Annehmenden in Form einer Ehe oder Leben­s­part­ner­schaft geknüpft hat. Schließlich lässt das deutsche Recht im Falle einer Volljäh­ri­ge­na­d­option gemäß § 1770 Abs. 2 BGB die verwandt­schaft­lichen Beziehungen des Angenommenen grundsätzlich unberührt.

§ 1741 Abs. 2 BGB

Wer nicht verheiratet ist, kann ein Kind nur allein annehmen. Ein Ehepaar kann ein Kind nur gemein­schaftlich annehmen. Ein Ehegatte kann ein Kind seines Ehegatten allein annehmen. [...]

§ 1755 Abs. 1 Satz 1 BGB

Mit der Annahme erlöschen das Verwandt­schafts­ver­hältnis des Kindes und seiner Abkömmlinge zu den bisherigen Verwandten und die sich aus ihm ergebenden Rechte und Pflichten.

Art. 6 Abs. 2 GG

Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

Art. 6 Abs. 1 GG

Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

Art. 3 Abs. 1 GG

Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

Art. 8 EMRK

Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.

Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrecht­er­haltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.

§ 1770 Abs. 2 BGB

Die Rechte und Pflichten aus dem Verwandt­schafts­ver­hältnis des Angenommenen und seiner Abkömmlinge zu ihren Verwandten werden durch die Annahme nicht berührt, soweit das Gesetz nichts anderes vorschreibt.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss23948

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI