23.11.2024
23.11.2024  
Sie sehen das Schild des Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Dokument-Nr. 15266

Drucken
Urteil19.02.2013Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte19010/07
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • FamRZ 2013, 763Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht (FamRZ), Jahrgang: 2013, Seite: 763
  • NJW 2013, 2173Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2013, Seite: 2173
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
ergänzende Informationen

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Urteil19.02.2013

Fehlende Möglichkeit der Stief­kin­da­d­option diskriminiert gleich­geschlechtliche Paare in Österreich im Vergleich zu unverheirateten heterosexuellen PaarenAusschluss von Stief­kin­da­d­option bei gleich­geschlecht­lichen zum Schutz der Familie im traditionellen Sinne oder zum Wohl des Kindes nicht notwendig

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden, dass die fehlende Möglichkeit der Stief­kin­da­d­option in Österreich gleich­geschlechtliche Paare im Vergleich zu unverheirateten heterosexuellen Paaren diskriminiert. Der Gerichtshof rügte in seiner Entscheidung eine Verletzung des Diskri­mi­nierungs­verbots (Artikel 14) und des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Artikel 8) der Europäischen Menschenrechts­konvention. Der Gerichtshof war der Auffassung, dass die Ungleich­be­handlung der Beschwerde­führerinnen im Vergleich zu einem unverheirateten heterosexuellen Paar, bei dem ein Partner die Adoption des Kindes des anderen anstrebt, auf ihrer sexuellen Orientierung beruhte. Die öster­rei­chischen Gerichte hatten keine überzeugenden Argumente zum Nachweis der Notwendigkeit einer solchen Ungleich­be­handlung zum Schutz der Familie oder des Kindeswohls vorgebracht. Gleichzeitig unterstrich der Gerichtshof jedoch auch, dass die Konvention Staaten nicht verpflichtet, unverheirateten Paaren das Recht auf Stief­kin­da­d­option einzuräumen.

Die Beschwer­de­führer des zugrunde liegenden Falls sind zwei österreichische Frauen ("die erste und dritte Beschwer­de­führerin"), beide 1967 geboren, die in einer stabilen Beziehung zusammenleben sowie der Sohn einer der beiden Frauen ("der zweite Beschwer­de­führer"), der 1995 außerehelich geboren wurde und für den seine Mutter (die dritte Beschwer­de­führerin) das alleinige Sorgerecht hat. Die drei Beschwer­de­führer leben in einem gemeinsamen Haushalt und die beiden Beschwer­de­füh­re­rinnen kümmern sich gemeinsam um das Kind.

Beschwer­de­führerin beantragt beim Bezirksgericht die Bewilligung eines Adopti­o­ns­an­trages

In der Absicht, eine familen­rechtliche Beziehung zwischen der ersten Beschwer­de­führerin und dem Kind herzustellen, ohne dabei dessen rechtliche Beziehung zu seiner leiblichen Mutter aufzuheben, beantragten die Beschwer­de­führer 2005 beim zuständigen Bezirksgericht die Bewilligung eines Adopti­o­ns­an­trages. Im Bewusstsein, dass sich die anwendbare Bestimmung, § 182 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), dahingehend auslegen ließ, dass die Adoption des Kindes eines Partners durch den anderen bei einem homosexuellen Paar ausgeschlossen war, ohne dabei die rechtliche Beziehung zum leiblichen Elternteil aufzuheben, beantragten die Beschwer­de­führer außerdem beim Verfas­sungs­ge­richtshof, § 182 ABGB für verfas­sungs­widrig zu erklären, da er sie wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminiere. Der Verfas­sungs­ge­richtshof wies das Ersuchen im Juni 2005 als unzulässig ab, da der Antrag der Beschwer­de­füh­re­rinnen noch vor dem Bezirksgericht anhängig war.

Adoption würde Beziehung zur leiblichen Mutter aufheben

Im Oktober 2005 wies das Bezirksgericht den Antrag mit der Begründung ab, § 182 ABGB sehe vor, dass bei einer Adoption durch nur eine Person die Beziehungen zu jenem leiblichen Elternteil erlöschen, der dasselbe Geschlecht wie der Adopti­v­el­ternteil hat. Im vorliegenden Fall würde die Adoption des Kindes durch die erste Beschwer­de­führerin folglich die Beziehung zu seiner leiblichen Mutter, nicht zu seinem Vater, aufheben.

Öster­rei­chisches Recht sieht für "Eltern" grundsätzlich zwei Personen verschiedenen Geschlechts vor

Das Berufungs­gericht bestätigte die Entscheidung im Februar 2006. Ergänzend zur Argumentation des Bezirksgerichts stellte das Gericht fest, dass das österreichische Recht davon ausgehe, dass "Eltern", auch wenn der Begriff nicht präzise definiert sei, grundsätzlich zwei Personen verschiedenen Geschlechts bezeichnet. Wenn ein Kind, wie im vorliegenden Fall, beide Elternteile habe, bestehe keine Notwendigkeit, eines durch einen Adopti­v­el­ternteil zu ersetzen. In diesem Zusammenhang wies das Gericht darauf hin, dass das Kind regelmäßig Kontakt zu seinem Vater habe. Das Gericht befasste sich nicht mit der Frage ob, wie die Beschwer­de­füh­re­rinnen geltend machten, Gründe für die Nicht­be­rück­sich­tigung der mangelnden Zustimmung des Vaters zur Adoption vorlägen.

Oberster Gerichtshof verneint Adoption eines Kindes durch die Partnerin der Mutter

Im September 2006 wies der Oberste Gerichtshof die Berufung der Beschwer­de­führer zurück, mit der Begründung, die Adoption eines Kindes durch die Partnerin seiner Mutter sei rechtlich ausgeschlossen. Der Oberste Gerichtshof vertrat die Auffassung, es gebe keine Anhaltspunkte für die Verfas­sungs­wid­rigkeit von § 182 ABGB.

Beschwer­de­führerin rügt Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung

Unter Berufung auf Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 rügten die Beschwer­de­führer sie würden aufgrund der sexuellen Orientierung der beiden Beschwer­de­füh­re­rinnen diskriminiert. Sie machten geltend, es gebe keine vernünftige und objektive Rechtfertigung dafür, der Adoption des Kindes eines Partners durch den anderen bei heterosexuellen Paaren – ob verheiratet oder unverheiratet – zuzustimmen und gleichzeitig eine entsprechende Adoption bei homosexuellen Paaren zu verbieten. Die Beschwerde wurde am 24. April 2007 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingelegt. Die zunächst zuständige Kammer gab den Fall am 5. Juni 2012 an die Große Kammer ab. Eine Verhandlung der Großen Kammer fand am 3. Oktober 2012 statt.

Beziehung zwischen den drei Beschwer­de­führern ist als "Familienleben" anzusehen

Der Gerichtshof bestätigte, dass die Beziehung zwischen den drei Beschwer­de­führern nach seiner Rechtsprechung als "Familienleben" im Sinne von Artikel 8 zu gelten hat. Folglich war Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 in ihrem Fall anwendbar. Die österreichische Regierung hatte die Anwendbarkeit der beiden Artikel nicht in Frage gestellt.

Gleich­ge­schlecht­liches Paar bei Adoptionswunsch nicht mit Ehepaar vergleichbar

In einem kürzlich ergangenen Urteil im Verfahren Gas und Dubois gegen Frankreich hatte der Gerichtshof die Auffasung vertreten, dass sich ein gleich­ge­schlecht­liches Paar, bei dem ein Partner das Kind des anderen Partners adoptieren möchte, nicht in einer einem Ehepaar vergleichbaren Situation befand. Der Gerichtshof sah keinen Grund, von seiner Schluss­fol­gerung in diesem Fall abzuweichen. Er unterstrich, dass die Konvention Staaten nicht verpflichtet, gleich­ge­schlecht­lichen Paaren die Möglichkeit zu geben, zu heiraten. Wählt ein Staat eine andere Form der rechtlichen Anerkennung für gleichgeschlechtliche Paare, so hat er bei der konkreten Ausgestaltung einen gewissen Beurtei­lungs­spielraum. Im Übrigen verleiht die Ehe jenen, die sie eingehen, einen besonderen Status, der mit sozialen, persönlichen und rechtlichen Konsequenzen einhergeht.

Keine Verletzung des Diskri­mi­nie­rungs­verbots in Verbindung mit dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

Der Gerichtshof gelangte zu dem Schluss, dass sich die Beschwer­de­füh­re­rinnen im vorliegenden Fall nicht in einer einem Ehepaar vergleichbaren Situation befanden. Folglich lag im Vergleich der Situation der Beschwer­de­führer mit derjenigen von verheirateten Paaren, bei denen ein Ehepartner das leibliche Kind des/der anderen adoptieren möchte, keine Verletzung von Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 vor.

Österreichische Regierung: Gleich­ge­schlechtliche Paare grundsätzlich gleichermaßen zur Adoption geeignet oder ungeeignet wie heterosexuelle Paare

Der Gerichtshof erkannte in einem anderen Fall an, dass sich die Beschwer­de­führer in einer einem unverheirateten heterosexuellen Paar vergleichbaren Situation befanden, bei dem ein Partner das Kind des anderen adoptieren möchte. Die österreichische Regierung hatte nicht behauptet, dass ein besonderer Status ein unverheiratetes heterosexuelles Paar von einem gleich­ge­schlecht­lichen Paar unterscheide. Vielmehr hatte sie eingeräumt, dass gleich­ge­schlechtliche Paare grundsätzlich gleichermaßen zur Adoption, einschließlich der Stief­kin­da­d­option, geeignet oder ungeeignet sein können wie heterosexuelle Paare.

Stief­kin­da­d­option bei gleich­ge­schlecht­lichem Paar rechtlich unmöglich

Nach öster­rei­chischem Recht ist die Stief­kin­da­d­option bei unverheirateten heterosexuellen Paaren möglich. Nach dem ABGB können Einzelpersonen ein Kind adoptieren und bei unverheirateten heterosexuellen Paaren ist es einem Partner nicht verwehrt, das Kind des anderen Partners zu adoptieren, ohne dabei die rechtliche Beziehung des letzteren zum Kind aufzuheben. Im Gegensatz dazu ist die Stief­kin­da­d­option bei einem gleich­ge­schlecht­lichen Paar rechtlich unmöglich. Die anwendbaren Bestimmungen des ABGB sehen vor, dass der Adopti­v­el­ternteil den leiblichen Elternteil des gleichen Geschlechts ersetzt. Da die erste Beschwer­de­führerin eine Frau ist, würde ihre Adoption des Kindes ihrer Partnerin deren rechtliche Beziehung zum Kind aufheben. Die Adoption könnte also nicht dazu dienen, eine rechtliche Beziehung der ersten Beschwer­de­führerin zum Kind zusätzlich zu dessen rechtlicher Beziehung zur Mutter herzustellen.

Bezirks- und Berufungs­gericht stützten sich auf rechtliche Unmöglichkeit der beantragten Adoption ohne Prüfung der Umstände des Falls

Der Gerichtshof war nicht vom Argument der öster­rei­chischen Regierung überzeugt, dass der Adoptionsantrag der Beschwer­de­führer aus Gründen abgewiesen worden sei, die nichts mit ihrer sexuellen Orientierung zu tun hätten, und dass die Beschwer­de­führer vom Gerichtshof folglich eine abstrakte Prüfung der rechtlichen Situation verlangten. Die öster­rei­chischen Gerichte hatten deutlich gemacht, dass eine Adoption mit der von den Beschwer­de­führern gewünschten Wirkung nach dem ABGB unmöglich war. Sowohl das Bezirksgericht als auch das Berufungs­gericht hatten sich im Wesentlichen auf die rechtliche Unmöglichkeit der von den Beschwer­de­führern beantragten Adoption gestützt und hatten die Umstände des Falls nicht im Einzelnen untersucht. Insbesondere hatten sie sich nicht mit der Frage befasst, ob Gründe für die Nicht­be­rück­sich­tigung der mangelnden Zustimmung des Vaters zur Adoption vorlägen. Vielmehr hatte das Berufungs­gericht unterstrichen, dass der Begriff "Eltern" grundsätzlich zwei Personen verschiedenen Geschlechts bezeichnete und betont, es liege im Kindeswohl, den Umgang mit zwei Elternteilen unter­schied­lichen Geschlechts aufrecht­zu­er­halten. Der Oberste Gerichtshof hatte bestätigt, dass die von den Beschwer­de­führern beantragte Adoption rechtlich unmöglich war.

Kindeswohl blieb unbeachtet

Da die rechtliche Unmöglichkeit der Adoption im Mittelpunkt ihrer Überlegungen stand, waren die öster­rei­chischen Gerichte daran gehindert, ernsthaft zu prüfen, ob die beantragte Adoption im Kindeswohl läge. Hätte es sich dagegen um den Fall eines unverheirateten heterosexuellen Paares gehandelt, wären die Gerichte dazu verpflichtet gewesen, zu untersuchen, ob eine Adoption dem Kindeswohl diente. Folglich waren die Beschwer­de­führer direkt von der rechtlichen Situation betroffen, die sie rügten. Da die Beziehung zwischen den Beschwer­de­führern als "Familienleben" im Sinne von Artikel 8 gelten konnte, wie unbestritten war, konnten zudem alle drei beanspruchen, Opfer der behaupteten Konven­ti­o­ns­ver­letzung zu sein.

Ungleich­be­handlung der Beschwer­de­füh­re­rinnen im Vergleich zu unverheirateten heterosexuellen Paar beruhte auf sexueller Orientierung

Die Ungleich­be­handlung der Beschwer­de­füh­re­rinnen im Vergleich zu einem unverheirateten heterosexuellen Paar, bei dem ein Partner die Adoption des Kindes des anderen anstrebt, beruhte auf ihrer sexuellen Orientierung. Der Fall unterscheidet sich in dieser Hinsicht vom Verfahren Gas und Dubois gegen Frankreich, in dem der Gerichtshof festgestellt hatte, dass keine Ungleich­be­handlung aufgrund der sexuellen Orientierung vorlag zwischen einem unverheirateten verschie­den­ge­schlecht­lichen und einem gleich­ge­schlecht­lichen Paar, da unverheiratete Paare – ob homo- oder heterosexuell – nach französischem Recht generell kein Recht auf Stief­kin­da­d­option haben.

Gerichtshof muss Rechtmäßigkeit der verwehrten Adopti­o­ns­mög­lichkeit prüfen

Aus Artikel 8 lässt sich keine Verpflichtung ableiten, unverheirateten Paaren das Recht auf Stief­kin­da­d­option einzuräumen. Da die Stief­kin­da­d­option nach öster­rei­chischem Recht aber für unverheiratete heterosexuelle Paare möglich ist, hatte der Gerichtshof zu prüfen, ob es einem legitimen Ziel diente und im Hinblick auf dieses Ziel verhältnismäßig war, (unverheirateten) gleich­ge­schlecht­lichen Paaren dieses Recht zu verwehren.

Schutz der Familie im traditionellen Sinne kann Ungleich­be­handlung rechtfertigen

Die öster­rei­chischen Gerichte und die Regierung hatten argumentiert, das österreichische Adoptionsrecht ziele darauf ab, die Lebensumstände einer leiblichen Familie nachzubilden. Der Gerichtshof erkannte an, dass der Schutz der Familie im traditionellen Sinne grundsätzlich ein legitimer Grund war, der eine Ungleich­be­handlung rechtfertigen kann, ebenso wie der Schutz des Kindeswohls. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs hatte die beklagte Regierung in Fällen, die die Ungleich­be­handlung aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung betreffen, allerdings zu zeigen, dass diese Ungleich­be­h­anldung notwendig war, um das verfolgte Ziel zu erreichen.

Schädlichkeit des Aufwachsen eines Kindes in einer gleich­ge­schlecht­lichen Beziehung nicht nachgewiesen

Die österreichische Regierung hatte keine Beweise dafür erbracht, dass es für ein Kind schädlich wäre, von einem gleich­ge­schlecht­lichen Paar großgezogen zu werden oder in rechtlicher Hinsicht zwei Mütter oder zwei Väter zu haben. Überdies war nach öster­rei­chischem Recht die Adoption eines Kindes durch eine Einzelperson, auch einem bzw. einer Homosexuellen, möglich. Wenn diese Person einen eingetragenen Partner bzw. eine eingetragene Partnerin hatte, musste dieser bzw. diese der Adoption zustimmen. Der Gesetzgeber hatte folglich anerkannt, dass ein Kind in einer durch ein gleich­ge­schlecht­liches Paar gebildeten Familie aufwachsen konnte und dies nicht schädlich für das Kind war. Der Gerichtshof fand zudem das Argument der Beschwer­de­füh­re­rinnen überzeugend, dass durch ein gleich­ge­schlecht­liches Paar gebildete Familien existierten, ihnen aber die Möglichkeit verwehrt werde, rechtliche Anerkennung und rechtlichen Schutz zu erlangen. Diese Überlegungen zogen die Verhält­nis­mä­ßigkeit des absoluten Verbots der Stief­kin­da­d­option bei gleich­ge­schlecht­lichen Paaren in Zweifel.

Kein Konsens unter den Europarats-Mitgliedstaaten im Hinblick auf Stief­kin­da­d­option vorhanden

Die österreichische Regierung hatte außerdem argumentiert, es gebe keinen Konsens unter den Europarats-Mitgliedstaaten im Hinblick auf Stief­kin­da­d­option bei gleich­ge­schlecht­lichen Paaren und folglich hätten Staaten einen weiten Beurtei­lungs­spielraum bei der Regelung dieser Frage. Der Gerichtshof hatte aber nicht allgemein die Frage des Zugangs zur Stief­kin­da­d­option für gleich­ge­schlechtliche Paare zu beurteilen, sondern die Ungleich­be­handlung zwischen unverheirateten heterosexuellen und gleich­ge­schlecht­lichen Paaren im Hinblick auf diese Form der Adoption. Folglich konnten nur diejenigen zehn Europarats-Mitgliedstaaten als Vergleichs­grundlage herangezogen werden, die Stief­kin­da­d­option bei unverheirateten Paaren erlauben*. Unter diesen Staaten behandeln sechs heterosexuelle und gleich­ge­schlechtliche Paare in dieser Frage gleich, während vier dieselbe Haltung wie Österreich einnehmen**. Diese kleine Vergleichs­gruppe ließ keine Rückschlüsse hinsichtlich eines möglichen Konsenses unter den Europa­rats­s­taaten zu.

Ungleich­be­handlung stellt Diskriminierung dar

Der Gerichtshof gelangte zu dem Schluss, dass die Regierung keine überzeugenden Gründe dafür vorgebracht hatte, dass es zum Schutz der Familie im traditionellen Sinne oder des Kindeswohls notwendig wäre, Stief­kin­da­d­option bei gleich­ge­schlecht­lichen Paaren auszuschließen, diese Möglichkeit bei unverheirateten heterosexuellen Paaren aber zu erlauben. Diese Ungleich­be­handlung war folglich diskriminierend und es lag eine Verletzung von Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 vor.

Österreich zur Schaden­s­er­satz­leistung verpflichtet

Der Gerichtshof entschied, dass Österreich den Beschwer­de­führern gemeinsam 10.000 Euro für den erlittenen immateriellen Schaden und 28.420,88 Euro für die entstandenen Kosten zu zahlen hat.

Separate Meinungen

Richter Spielmann äußerte eine zustimmende Meinung. Die Richter Casadevall, Ziemele, Kovler, Joèiene, de Gaetano, Šikuta and Sicilianos äußerten eine gemeinsame abweichende Meinung.

Erläuterungen

* Belgien, Großbritannien (außer Nordirland), Island, die Niederlande, Portugal, Rumänien, Russland, Slowenien, Spanien und die Ukraine.

**Portugal, Rumänien, Russland und die Ukraine

Quelle: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil15266

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI