18.10.2024
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Dokument-Nr. 16718

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Beschluss19.06.2013BundesgerichtshofXII ZB 39/11
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • jM 2014, 14 (Frank Götsche)juris - Die Monatszeitschrift (jM), Jahrgang: 2014, Seite: 14, Entscheidungsbesprechung von Frank Götsche
  • jurisPR-FamR 3/2014, Anm. 2, Heinrich Schürmannjuris PraxisReport Familien- und Erbrecht (jurisPR-FamR), Jahrgang: 2014, Ausgabe: 3, Anmerkung: 2, Autor: Heinrich Schürmann
  • NJW 2013, 2595Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2013, Seite: 2595
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Marburg, Beschluss19.08.2010, 72 F 19/10 UK
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss22.12.2010, 2 UF 274/10
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss19.06.2013

Kindesunterhalt: Berück­sich­tigung eines fiktiven Einkommens nur bei realer Beschäftigungs­chance des arbeitslosen Unterhalts­pflichtigenBetei­lig­ten­wechsel aufgrund Volljährigkeit des Kindes nur bei dessen Einverständnis

Ist ein Arbeitsloser gegenüber seinem Kind unter­halts­pflichtig und nimmt er eine zumutbare Arbeit nicht auf, so kann das fiktiv erzielte Einkommen berücksichtigt werden. Zudem setzt das Unter­halts­ver­fahren das volljährig gewordene Kind nur fort, wenn es damit einverstanden ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor.

Im zugrunde liegenden Fall klagte eine geschiedene Ehefrau gegenüber ihren Ex-Mann auf Zahlung von Kindesunterhalt für die gemeinsame Tochter. Der Ex-Mann hatte in der Vergangenheit eine Vielzahl von Berufen ausgeübt, war jedoch im Zeitpunkt des Gerichts­ver­fahrens arbeitslos und bezog Sozia­l­leis­tungen. Die Ex-Frau behauptete, der Ex-Mann sei in der Lage zu arbeiten. Da er sich jedoch weigere dem nachzukommen, müsse ein fiktives Einkommen hinzugerechnet werden.

Amtsgericht hielt Ex-Mann für unter­halts­pflichtig, Oberlan­des­gericht verneinte Unter­halts­pflicht

Das Amtsgericht Marburg hielt den Ex-Mann für unter­halts­pflichtig, während das Oberlan­des­gericht Frankfurt a.M. eine Unterhaltspflicht verneinte. Seiner Auffassung nach, sei der Ex-Mann auch nach den Anforderungen der gesteigerten Unter­halts­pflicht aus § 1603 Abs. 2 BGB nicht leistungsfähig gewesen. Er habe keinen Betrag für den Kindesunterhalt aufbringen können, ohne seinen eigenen Selbstbehalt zu gefährden. Es sei zudem aufgrund seines Berufslebens nicht zu erwarten gewesen, dass er ein Vollzeitjob bekommt. Außerdem sei nicht ersichtlich gewesen, dass er im Rahmen eines Minijobs einen Betrag über den Selbstbehalt erhält, welchen er zum Unterhalt einsetzen habe können. Die Hinzurechnung eines fiktiven Einkommens wegen Verstoß gegen seine Erwer­b­s­ob­lie­genheit scheide daher aus. Gegen die Entscheidung legte die Ex-Frau Beschwerde ein.

Betei­lig­ten­wechsel nach Beschwerde zulässig

Nach Einlegung der Beschwerde, führte nunmehr die volljährig gewordene Tochter das Unter­halts­ver­fahren weiter. Der Bundes­ge­richtshof hielt diesen Beteiligtenwechsel für zulässig. Jedoch betonte er, dass dies nicht automatisch nach Eintritt der Volljährigkeit des unter­halts­be­rech­tigten Kindes geschehen dürfe. Denn nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Prozess- bzw. Verfah­rens­stand­schaft nach § 1629 Abs. 3 BGB folge, dass es der freien Entscheidung des volljährig gewordenen Kindes überlassen bleiben muss, ob es sich am Verfahren beteiligt und dieses fortsetzt. Die Vorschrift lasse zwingend nur die Geltendmachung des Unterhalts durch den sorge­be­rech­tigten Elternteil zu, um das Kind aus dem Streit der Eltern herauszuhalten. Dem würde es widersprechen, wenn das Kind mit Eintritt der Volljährigkeit ohne Rücksicht auf seinen Willen zur Partei bzw. zum Beteiligten des Verfahrens wird.

Ex-Mann war nicht unter­halts­pflichtig

Der Bundes­ge­richtshof bestätigte darüber hinaus die Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts und wies die Beschwerde der Ex-Frau zurück. Denn nach § 1603 Abs. 1 BGB sei nicht unter­halts­pflichtig, wer bei Berück­sich­tigung seiner sonstigen Verpflichtungen nicht in der Lage ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Dies sei hier der Fall gewesen.

Möglicher Vollzeitjob begründete keine Hinzurechnung eines fiktiven Einkommens

Zwar sei es richtig, so der Bundes­ge­richtshof weiter, dass fiktiv erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden können, wenn der Unter­halts­pflichtige eine ihm mögliche und zumutbare Erwer­b­s­tä­tigkeit unterlässt. Dies setze jedoch voraus, dass eine reale Beschäf­ti­gung­s­chance besteht. Davon sei hier aber angesichts der wechselvollen Erwer­bs­bio­grafie des Ex-Manns nicht auszugehen gewesen.

Möglicher Nebenjob führte ebenfalls zu keiner Anrechnung eines fiktiven Einkommens

Es sei außerdem aus Sicht der Bundesrichter richtig, dass ein fiktives Einkommen berücksichtigt werden kann, wenn der Unter­halts­pflichtige im Rahmen eines Minijobs ein über den Selbstbehalt liegendes Nebeneinkommen erzielen könnte. Dies setze aber voraus, dass es dem Unter­halts­pflichtigen möglich ist, eine Gering­ver­die­ner­tä­tigkeit auszuüben und, dass er dabei ein anrech­nungs­freies Einkommen erzielen kann, welches über den Selbstbehalt liegt. Dies sei aber weder von der Tochter vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich gewesen.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

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