18.10.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss18.03.2008

Unterhaltsrecht: Bundes­ver­fas­sungs­gericht zur Anrechnung von fiktiven EinkünftenDas fiktive Einkommen muss auch objektiv erzielbar sein

Die wirtschaftliche Handlungs­freiheit eines Unter­halts­schuldners ist verletzt, wenn ihm fiktive Einkünfte zugerechnet werden, die er nach Ausbildung, Berufserfahrung, Alter und Gesund­heits­zustand objektiv nicht erzielen kann. Dies geht aus einem Beschluss des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hervor.

Die Verfas­sungs­be­schwerde betraf einer unter­halts­recht­lichen Abände­rungsklage. Es klagte ein Mann, der vom Thüringer Oberlan­des­gericht dazu verurteilt worden war, nachehelichen Unterhalt von 785,77 EUR zu zahlen. Das Gericht hatte dabei ein fiktives Gehalt von 3.067,75 EUR netto zugrunde gelegt.

Oberlan­des­gericht legte fiktives Einkommen zugrunde

Das Thüringer Oberlan­des­gericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Mann darlegungs- und beweis­last­be­lastet dafür ist, dass er ein früheres die ehelichen Lebens­ver­hältnisse prägendes Einkommen nicht mehr erziele und nicht mehr erzielen könne. An dem im Zeitpunkt der Scheidung erreichten Einkom­mens­niveau sei auch dann festzuhalten, wenn er den Nachweis, dass er ein solches Einkommen bei Entfaltung entsprechender Bemühungen nicht mehr erlangen könne, nicht erbracht habe. Vorliegend entsprächen die Bewerbungen des Beschwer­de­führers um eine angemessene Tätigkeit weder in quantitativer noch in qualitativer Hinsicht den Anforderungen des Senats, sodass dem Beschwer­de­führer wegen Verletzung seiner Erwer­b­s­ob­lie­gen­heiten ein fiktives Einkommen zuzurechnen sei.

Bundes­ver­fas­sungs­gericht hebt die OLG-Entscheidung auf

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht kassierte das Urteil des Oberlan­des­ge­richts. Die Verfas­sungs­be­schwerde sei begründet, weil die angegriffene Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts den Beschwer­de­führer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verletze. Die Zurechnung eines fiktiven Einkommens von monatlich 3.067,75 € netto führe zu einer unver­hält­nis­mäßigen Belastung des Beschwer­de­führers, weil es für die Annahme, der Beschwer­de­führer sei in der Lage, ein solches Einkommen zu erzielen, an einer tragfähigen Begründung fehlte.

BVerfG: Es kommt nicht nur auf die fehlenden subjektiven Erwer­bs­be­mü­hungen an

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht führte weiter aus, dass ein unver­hält­nis­mäßiger Eingriff in das Grundrecht des Beschwer­de­führers aus Art. 2 Abs. 1 GG hier selbst dann vorliege, wenn man dem Oberlan­des­gericht darin folge, der Beschwer­de­führer habe sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht nicht ausreichend um eine besser bezahlte Tätigkeit bemüht und sein Gesund­heits­zustand stehe einer Vollzeit­be­schäf­tigung nicht entgegen.

BVerfG: Objektive Voraussetzungen liegen nicht vor

Denn die Zurechnung fiktiver Einkünfte, welche die Leistungs­fä­higkeit begründen sollen, habe neben den fehlenden subjektiven Erwer­bs­be­mü­hungen des Unter­halts­schuldners objektiv zur Voraussetzung, dass die zur Erfüllung der Unter­halts­pflichten erforderlichen Einkünfte für den Verpflichteten überhaupt erzielbar seien, was von den persönlichen Voraussetzungen des Unter­halts­schuldners wie Alter, Ausbildung, Berufserfahrung und Gesund­heits­zustand und dem Vorhandensein entsprechender Arbeitsstellen abhängig sei. Werde einem Unter­halts­schuldner die Erwirtschaftung eines Einkommens abverlangt, welches er objektiv nicht erzielen könne, liege regelmäßig ein unver­hält­nis­mäßiger Eingriff in seine wirtschaftliche Handlungs­freiheit vor.

BVerfG: Annahmen des OLG sind nicht plausibel

Es erscheine wenig plausibel, anzunehmen, der Beschwer­de­führer habe nach langer Krankheit im Alter von 55 Jahren und weiterhin bestehenden gesund­heit­lichen Beein­träch­ti­gungen unmittelbar im Anschluss an die Beendigung seiner mehrjährigen Arbeits­un­fä­higkeit eine Beschäftigung als angestellter Makler zu dem vom Oberlan­des­gericht zugrunde gelegten weit überdurch­schnitt­lichen Gehalt finden können, argumentierten die Verfas­sungs­richter.

Quelle: ra-online

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