Dokument-Nr. 2136
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Bundesgerichtshof Urteil09.07.2003
Gesteigerte Unterhaltspflicht: BGH zur Frage, wann auch fiktives Einkommen herangezogen werden darfUnterhaltsanspruch für minderjähriges Kind bei verminderter Erwerbstätigkeit des Vaters
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass unter Umständen ein über den Mindestbedarf hinausgehender Unterhaltsanspruch für ein minderjähriges Kind auch aus einem fiktiv hinzurechnenden Einkommen abgeleitet werden kann.
Was war geschehen? Der zum Barunterhalt verpflichtete Vater hat im Juni 1997 seine Arbeitsstelle gekündigt, weil er, so trug er vor, nach der Entfernung eines bösartigen Blasentumors an einer gravierenden Blasenschwäche leiden würde. Diese erlaube ihm nicht mehr, die bis dahin durchgeführte Tätigkeit auszuführen. Nach der Kündigung führte der unterhaltspflichtige Vater weniger gut bezahlte Tätigkeiten aus, so dass er nicht mehr so leistungsfähig (zahlungsfähig) war und nur noch den Mindestunterhalt leistete. Zeitweise war er selbständig tätig.
Der BGH führte aus, dass dem Unterhaltsschuldner aufgrund seiner erweiterten Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern nach § 1603 Abs. 2 BGB obliege, eine gesteigerte Ausnutzung seiner Arbeitskraft, die es ihm ermögliche, nicht nur den Mindestbedarf, sondern auch den angemessenen Unterhalt des Kindes sicherzustellen.
So könne einem Unterhaltspflichtigen ein fiktives Einkommen zugerechnet werden, wenn die verminderten Einkünfte auf die Aufgabe des Arbeitsplatzes zurückzuführen seien. Denn einerseits könne dem Unterhaltspflichtigen die Berufung auf seine eingeschränkte Leistungsfähigkeit nach Treu und Glauben verwehrt sein; zum anderen werde die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen nicht durch die tatsächlich vorhandenen, sondern auch durch solche Mittel bestimmt, die er bei gutem Willen durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit unter Umständen auch im Wege eines Orts- oder Berufswechsels erreichen könne.
Allerdings sei eine selbst herbeigeführte Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners, bedingt durch die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit mit erheblicher Einkommenseinbuße beachtlich, wenn nicht im Einzelfall schwerwiegende Gründe vorlägen, die dem Verpflichteten nach Treu und Glauben die Berufung auf seine eingeschränkte Leistungsfähigkeit verwehrten. Ein solcher Verstoß nach Treu und Glauben komme im Allgemeinen nur in Betracht, wenn dem Pflichtigen ein verantwortungsloses, zumindest leichtfertiges Verhalten zur Last zu legen sei. Sofern die Aufgabe eines Arbeitsplatzes auf gesundheitlichen Gründen beruhe, sei zu prüfen, ob der Unterhaltspflichtige überhaupt eine reale anderweitige Beschäftigungschance hatte.
Vorinstanzen: OLG Zweibrücken, AG Zweibrücken
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 02.05.2006
Quelle: ra-online
der Leitsatz
a) Zur Frage der gesteigerten Ausnutzung der Arbeitskraft eines Unterhaltspflichtigen zur Sicherung des angemessenen Unterhalts seines minderjährigen Kindes.
b) Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen einem Unterhaltspflichtigen, der krankheitsbedingt seinen früheren Arbeitsplatz aufgegeben hat und nunmehr erheblich weniger verdient als zuvor, ein höheres fiktives Erwerbseinkommen zugerechnet werden kann (im Anschluss an Senatsurteil vom 15. November 1995 - XII ZR 231/94 - FamRZ 1996, 345).
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