21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen einen Schreibtisch mit einem Tablet, einer Kaffeetasse und einem Urteil.

Dokument-Nr. 28437

Drucken
Beschluss15.01.2020BundesgerichtshofXII ZB 381/19
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Heidelberg, Beschluss11.06.2019, w 4018 XVII 71/18
  • Landgericht Heidelberg, Beschluss29.07.2019, 2 T 35/19
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss15.01.2020

EKT-Zwangs­be­handlung von Schizophrenie nicht geneh­mi­gungsfähigKeine Zwangs­be­handlung von Schizophrenie durch Elektro­krampf­therapie

Der BGH hat über zur Frage der Zulässigkeit einer gerichtlichen Genehmigung der Zwangs­be­handlung von an Schizophrenie erkrankten Betroffenen durch Elektro­konvulsions­therapie/Elektro­krampf­therapie (EKT) entschieden, dass der Betreuer nur dann einwilligen kann, wenn die ärztliche Zwangsmaßnahme zum Wohl des Betreuten notwendig ist, um einen drohenden erheblichen gesund­heit­lichen Schaden abzuwenden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Betroffene leidet an einer chronifizierten paranoiden Schizophrenie. Seit Februar 2018 war er wiederholt untergebracht und wurde - überwiegend zwangsweise - mit verschiedenen Medikamenten letztlich erfolglos behandelt.

AG genehmigte Einwilligung des Betreuers in EKT-Durchführung

Nach Befürwortung durch ein Sachver­stän­di­gen­gut­achten hat das Amtsgericht die Einwilligung des zuständigen Betreuers in die Durchführung einer EKT in Form der elektrischen Auslösung von sechs großen zerebralen Anfällen mithilfe von uni- oder alternativ bilateral angelegten Elektroden innerhalb von zwei Wochen, außerdem die Einleitung einer Narkose durch Anästhesisten und - wenn der Betroffene von den ärztlichen Maßnahmen nicht überzeugt werden kann - die Anwendung von Gewalt (Festhalten, 3- bis 5-Punkt-Fixierung) genehmigt.

Maßgebliche Norm des BGB

Widerspricht eine Untersuchung des Gesund­heits­zu­stands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff dem natürlichen Willen des Betreuten (ärztliche Zwangsmaßnahme), so kann der Betreuer in diese - unter näheren gesetzlichen Voraussetzungen - nur dann einwilligen, wenn die ärztliche Zwangsmaßnahme zum Wohl des Betreuten notwendig ist, um einen drohenden erheblichen gesund­heit­lichen Schaden abzuwenden (§ 1906 a Abs. 1 Nr. 1 BGB). *

BGH: Für Behandlung mit EKT breiter medizinisch-wissen­schaft­licher Konsens notwendig

Der Bundes­ge­richtshof hat klargestellt, dass als "notwendig" im Sinne des Gesetzes nur solche Behandlungen angesehen werden können, deren Durchführung einem breiten medizinisch-wissen­schaft­lichen Konsens entspricht, und zwar sowohl was die Therapie als solche betrifft als auch deren spezielle Durch­füh­rungsform im Wege der Zwangs­be­handlung gegen den Widerstand des Patienten. Ein derartiger Konsens kann seinen Ausdruck in wissen­schaft­lichen Stellungnahmen des Beirats der Bunde­s­ärz­te­kammer sowie in medizinischen Leitlinien finden.

Zwangsweise Durchführung der EKT-Maßnahme nicht bei Schizophrenie gerechtfertigt

Die in Bezug auf die EKT veröf­fent­lichten Stellungnahmen und Leitlinien vermitteln allerdings keinen medizinisch-wissen­schaft­lichen Konsens, wonach die zwangsweise Durchführung dieser Maßnahme bei einem an (nicht katatoner und nicht akut exazerbierter) Schizophrenie leidenden Betroffenen gerechtfertigt wäre. Zwar kann eine EKT nach neueren wissen­schaft­lichen Erkenntnissen auch zur Behandlung der Schizophrenie bei vorliegender schwerer depressiver Verstimmung mit Suizidalität indiziert sein. Ein depressives Krankheitsbild haben die sachverständig beratenen Instanzgerichte indes nicht festgestellt.

Einwilligung des Betreuers musste nicht genehmigt werden

Die Einwilligung des Betreuers in die zwangsweise Durchführung dieser Maßnahme ist daher im vorliegenden Fall nicht geneh­mi­gungsfähig.

Quelle: Budesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss28437

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI