24.11.2024
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Sie sehen einen Gerichtshammer, der auf verschiedenen Geldscheinen liegt.

Dokument-Nr. 27530

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Bundesgerichtshof Urteil18.06.2019

Entgelte für Bareinzahlungen und Barauszahlungen am Bankschalter dem Grunde nach zulässigEntgelthöhe kann im Rechtsverkehr mit Verbrauchern aber der richterlichen Inhalts­kon­trolle unterliegen

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass Banken seit dem Inkrafttreten des auf europäischem Richt­li­ni­enrecht beruhenden Zahlungs­dienste­rechts im Jahr 2009 in ihren Preis- und Leistungs­verzeichnissen dem Grunde nach Entgelte für Bareinzahlungen und Barauszahlungen auf oder von einem Girokonto am Bankschalter vorsehen dürfen, und zwar ohne dass dem Kunden zugleich im Wege einer sogenannten Freipos­ten­re­gelung eine bestimmte Anzahl von unentgeltlichen Barein- und Barauszahlungen eingeräumt sein muss. Seine zur früheren Rechtslage ergangene Rechtsprechung, nach der solche Frei­posten­regelungen erforderlich waren, hat der Senat angesichts dieser geänderten Rechtslage aufgegeben. Im Rechtsverkehr mit Verbrauchern kann aber die Entgelthöhe der richterlichen Inhalts­kon­trolle unterliegen.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V., begehrt von der beklagten Sparkasse, es zu unterlassen, in ihrem Preis- und Leistungs­ver­zeichnis für Bareinzahlungen und Barabhebungen am Bankschalter ein Entgelt vorzusehen.

Bank verlangt für Ein- oder Auszahlung von Bargeld gesonderte Gebühren

Die beklagte Sparkasse bietet entgeltliche Giroverträge in unter­schied­lichen Gestaltungen an. Bei dem Vertragsmodell "S-Giro Basis" verlangt sie - bei einem monatlichen Grundpreis von 3,90 Euro - in ihrem Preis- und Leistungs­ver­zeichnis für die Leistung "Beleghafte Buchungen und Kassenposten mit Service, je Buchung" ein Entgelt von 2 Euro. Bei dem Vertragsmodell "S-Giro Komfort" mit höherem monatlichen Grundpreis beträgt das Entgelt für dieselbe Leistung 1 Euro. Hierauf gestützt berechnet die Beklagte bei beiden Vertrags­mo­dellen für jede Ein- oder Auszahlung von Bargeld auf bzw. von einem bei ihr unterhaltenen Girokonto am Bankschalter ein Entgelt von 1 Euro oder 2 Euro. Bareinzahlungen sowie Barabhebungen am Geldautomaten, letztere täglich bis zu einem Betrag von 1.500 Euro, sind bei jedem Vertragsmodell im Grundpreis inklusive.

Kläger hält Klausel ohne Freipos­ten­re­gelung für unwirksam

Der Kläger hält solche Entgeltklauseln für Bareinzahlungen und Barauszahlungen am Bankschalter für unwirksam, wenn nicht durch eine sogenannte Freipos­ten­re­gelung monatlich mindestens fünf Bareinzahlungen oder Barauszahlungen am Bankschalter "und/oder" am Geldautomaten entgeltfrei gestellt werden.

Klage in den Vorinstanzen erfolglos

Die in der Hauptsache auf Unterlassung gerichtete Klage wies das Landgericht ab. Die Berufung des Klägers wies das Berufungs­gericht zurück. Mit der vom Oberlan­des­gericht zugelassenen Revision verfolgte der Kläger sein Begehren weiter.

BGH weist Klage auf generelle Untersagung von Entgelt ohne angemessene Freipos­ten­re­gelung für Barein- und Barauszahlungen ab

Der Bundes­ge­richtshof hob auf die Revision des Klägers das angefochtene Urteil insoweit auf und wies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück, als das Berufungs­gericht hinsichtlich der von der Beklagten konkret verwendeten Klauseln "Beleghafte Buchungen und Kassenposten mit Service, je Buchung [...] Euro" bislang nicht überprüft hat, ob das dort vorgesehene Entgelt von 1 Euro oder 2 Euro im Rechtsverkehr mit Verbrauchern der Höhe nach einer richterlichen Inhaltskontrolle standhält. Im Übrigen, also insbesondere soweit der Kläger es der Beklagten generell untersagen lassen möchte, für Barein- und Barauszahlungen am Bankschalter ohne angemessene Freipos­ten­re­gelung überhaupt ein Entgelt zu verlangen, wies der Bundes­ge­richtshof die Revision zurück. Zur Begründung führte das Gericht im Wesentlichen aus, dass, soweit der Kläger der Beklagten die Verwendung von Barein- und Baraus­zah­lungs­ent­gelt­klauseln ohne angemessene Freipos­ten­re­gelung generell, also unabhängig von der konkreten Ausgestaltung, verbieten lassen möchte, die Unter­las­sungsklage unbegründet ist.

Klausel wäre nach früherer Rechtsprechung des BGH wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden unwirksam

Nach der früheren Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs hätte die Unter­las­sungsklage allerdings Erfolg gehabt. Nach dieser unterlagen solche Entgeltklauseln sowohl im Verbraucher- als auch im Unter­neh­mer­verkehr der richterlichen Inhalts­kon­trolle und waren wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden unwirksam, wenn sie keine angemessene Freipos­ten­re­gelung vorsahen. Hintergrund dieser Rechtsprechung war, dass Ein- und Auszahlungen auf oder von einem Girokonto nach Darlehensrecht (§§ 488 ff. BGB) oder dem Recht der unregelmäßigen Verwahrung (§ 700 BGB) zu beurteilen sind, welches weder für die Begründung noch für die Erfüllung von Darlehens- bzw. Verwah­rungs­ver­hält­nissen ein Entgelt vorsieht (siehe BGH, Urteile vom 30. November 1993 - XI ZR 80/93 und vom 7. Mai 1996 - XI ZR 217/95).

BGH gibt bisherige Rechtsprechung aufgrund geänderter gesetzlicher Vorgaben auf

An dieser Rechtsprechung hat der Bundes­ge­richtshof aufgrund geänderter gesetzlicher Vorgaben nicht mehr festgehalten. Zwar weist der Girovertrag nach wie vor die für ihn charak­te­ris­tischen darlehens- und verwah­rungs­recht­lichen Elemente auf. Allerdings bestimmt das im Jahre 2009 in Kraft getretene Zahlungs­diens­terecht (§§ 675 c ff. BGB), mit dem der deutsche Gesetzgeber europäisches Richt­li­ni­enrecht, nämlich die Zahlungs­diens­te­richtlinie 2007 sowie deren Nachfol­ge­richtlinie aus dem Jahr 2015, umgesetzt hat, dass für die Erbringung eines Zahlungs­dienstes das "vereinbarte Entgelt zu entrichten" ist (§ 675 f Abs. 5 Satz 1 BGB). Danach sind auch Bareinzahlungen auf und Barabhebungen von einem Girokonto Zahlungsdienste (§ 675 c Abs. 3 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 ZAG). Für diese darf - auch ohne Freipos­ten­re­gelung - ein Entgelt verlangt werden.

Verwendete Klauseln unterliegt jedoch richterlicher Inhalts­kon­trolle

Davon unabhängig unterliegen die von der Beklagten verwendeten Klauseln allerdings im Rechtsverkehr mit Verbrauchern im Hinblick auf die Höhe des vereinbarten Entgelts der richterlichen Inhalts­kon­trolle. Denn insoweit greift die zu Gunsten von Verbrauchern (halb-)zwingende Preisregelung des § 312 a Abs. 4 Nr. 2 BGB ein. Mit dieser Vorschrift hat der deutsche Gesetzgeber - wenn auch richt­li­ni­en­über­schießend - Vorgaben der europäischen Verbrau­cher­rech­te­richtlinie umgesetzt, indem er gemäß § 312 Abs. 5 BGB in rechtlich unbedenklicher Weise auch Finanz­dienst­leis­tungen in den Anwen­dungs­bereich dieser Vorschrift einbezogen hat. Die Erfüllung einer vertraglichen Pflicht im Sinne des § 312 a Abs. 4 Nr. 2 BGB ist auch die (teilweise) Rückführung eines überzogenen Girokontos durch eine Bareinzahlung am Bankschalter. Mit den in Streit stehenden Entgeltklauseln "Beleghafte Buchungen und Kassenposten mit Service, je Buchung [...] Euro" bepreist die Beklagte unter anderem auch einen solchen Zahlungsvorgang, so dass eine Entgelt­kon­trolle eröffnet ist.

Berufungs­gericht muss Entgelt­kon­trolle vornehmen

Ob das von der Beklagten verlangte Entgelt von 1 Euro und 2 Euro im Rechtsverkehr mit Verbrauchern der Entgelt­kon­trolle standhält, hat das Berufungs­gericht nicht überprüft. Der Bundes­ge­richtshof hat das Berufungsurteil deswegen insoweit aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen. Für die vom Berufungs­gericht nunmehr vorzunehmende Entgelt­kon­trolle verwies der Bundes­ge­richtshof darauf, dass gemäß § 312 a Abs. 4 Nr. 2 BGB nur solche Kosten umlagefähig sind, die unmittelbar durch die Nutzung des Zahlungsmittels, d.h. hier die Barzahlung, entstehen (sogenannte trans­ak­ti­o­ns­be­zogene Kosten). Gemeinkosten wie allgemeine Personalkosten und Kosten für Schulungen und Geräte, deren Anfall von dem konkreten Nutzungsakt losgelöst sind, sind dagegen nicht umlagefähig.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 675 f Abs. 5 BGB:

Der Zahlungs­dienst­nutzer ist verpflichtet, dem Zahlungs­dienst­leister das für die Erbringung eines Zahlungs­dienstes vereinbarte Entgelt zu entrichten. Für die Erfüllung von Nebenpflichten nach diesem Untertitel hat der Zahlungs­dienst­leister nur dann einen Anspruch auf ein Entgelt, sofern dies zugelassen und zwischen dem Zahlungs­dienst­nutzer und dem Zahlungs­dienst­leister vereinbart worden ist; dieses Entgelt muss angemessen und an den tatsächlichen Kosten des Zahlungs­dienst­leisters ausgerichtet sein.

§ 1 Abs. 1 Satz 2 ZAG:

Zahlungsdienste sind

1. die Dienste, mit denen Bareinzahlungen auf ein Zahlungskonto ermöglicht werden, sowie alle für die Führung eines Zahlungskontos erforderlichen Vorgänge (Einzah­lungs­ge­schäft);

2. die Dienste, mit denen Barauszahlungen von einem Zahlungskonto ermöglicht werden, sowie alle für die Führung eines Zahlungskontos erforderlichen Vorgänge (Auszah­lungs­ge­schäft);

[...]

§ 312 a Abs. 4 Nr. 2 BGB:

Eine Vereinbarung, durch die ein Verbraucher verpflichtet wird, ein Entgelt dafür zu zahlen, dass er für die Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten ein bestimmtes Zahlungsmittel nutzt, ist unwirksam, wenn

1. [...]

2. das vereinbarte Entgelt über die Kosten hinausgeht, die dem Unternehmer durch die Nutzung des Zahlungsmittels entstehen.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online (pm/kg)

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