18.10.2024
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Sie sehen einen Gerichtshammer, der auf verschiedenen Geldscheinen liegt.

Dokument-Nr. 15463

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Urteil19.03.2013BundesgerichtshofXI ZR 431/11
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • DB 2013, 985Zeitschrift: Der Betrieb (DB), Jahrgang: 2013, Seite: 985
  • NJW 2013, 3293Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2013, Seite: 3293
  • VuR 2013, 259Zeitschrift: Verbraucher und Recht (VuR), Jahrgang: 2013, Seite: 259
  • WM 2013, 789Wertpapier-Mitteilungen Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM), Jahrgang: 2013, Seite: 789
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Vorinstanzen:
  • Landgericht Itzehoe, Urteil01.12.2010, 2 O 319/10
  • Oberlandesgericht Schleswig-Holstein, Urteil05.09.2011, 5 U 145/10
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil19.03.2013

BGH zur Haftung einer Direktbank bei Zwischen­schaltung eines anlage­be­ra­tenden Wertpapier­dienstleistungs­unternehmensKein stillschweigend geschlossener Anlage­beratungs­vertrag zwischen Kapitalanleger und einer Direktbank im Zusammenhang mit Wertpapier­geschäften

Eine Direktbank haftet nicht, wenn ein anderes anlageberatend tätiges Wertpapier­dienstleistungs­unternehmen zwischen­ge­schaltet ist. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Dem vorzuliegenden Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin eröffnete im Januar 2005 über die Rechts­vor­gängerin der früheren Mitbeklagten (Accessio Wertpa­pier­han­delshaus AG) bei der Beklagten ein sog. Zins-Plus-Konto. Dabei handelte es sich um ein Tagesgeldkonto mit einer jährlichen Verzinsung von 4,5 %, das zwingend mit einem Depotvertrag zur etwaigen Einbuchung von Wertpapieren verbunden war (sogenanntes Depotkonto). Die Verzinsung von 4,5 % lag deutlich über dem Marktzins. Zwischen der Accessio und der Beklagten war vereinbart, dass in ihrem Verhältnis die Beklagte lediglich den Marktzins zu zahlen hatte und die Accessio der Beklagten die Differenz zu den an die Kunden zu zahlenden 4,5 % erstatten musste. Ziel der Accessio war es, die Tagesgeldkunden möglichst schnell aus diesem für sie verlustreichen Geschäft in komplexere Finan­z­in­strumente zu überführen und dafür Provisionen zu erzielen. Zwischen der Accessio und der Beklagten gab es eine Rahmenvereinbarung, in der ihre Zusammenarbeit geregelt war.

Schaden­s­er­satz­for­derung nach verlustreichem Verkauf der Genussscheine

Auf Beratung eines Mitarbeiters der Accessio tätigte die Klägerin in der Zeit von 29. Januar 2007 bis 1. Dezember 2008 zahlreiche Käufe von Inhaber-Teilschuld­ver­schrei­bungen, Inhaber-Aktien und Genussscheinen im Nennwert von insgesamt 49.898 Euro. Nach einem verlustreichen Verkauf der Genussscheine sowie der Inhaber-Aktien verlangt die Klägerin unter Anrechnung erhaltener Ausschüttungen im Wege des Schaden­s­er­satzes Zahlung von 46.059,78 Euro nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der Inhaber-Teilschuld­ver­schrei­bungen. Ihre Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.

Beratung gehört nicht zum Pflichtkreis der Direktbank

Der Bundes­ge­richtshof hat das Berufungsurteil auf die Revision der Klägerin aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen. Dabei waren im Wesentlichen folgende Überlegungen für seine Entscheidung maßgeblich:

Ein Schaden­s­er­satz­an­spruch wegen fehlerhafter Anlageberatung besteht nicht. Denn zwischen einem Kapitalanleger und einer Direktbank, die ausdrücklich allein sogenannte Execution-only-Dienst­leis­tungen als Discount-Brokerin anbietet, kommt im Zusammenhang mit Wertpa­pier­ge­schäften grundsätzlich kein stillschweigend geschlossener Anlage­be­ra­tungs­vertrag zustande. Eine Zurechnung etwaiger Beratungsfehler eines vom Kapitalanleger mit seiner Beratung beauftragten selbständigen Wertpa­pier­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmens über § 278 BGB* scheidet in der Regel aus, weil die Beratung nicht zum Pflichtenkreis einer solchen Direktbank gehört.

Keine Pflicht zur Überwachung des vorgeschalteten Beratungs­un­ter­nehmens

Soweit das Berufungs­gericht die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2**, § 280 Abs. 1 BGB***) der Beklagten aus dem Depotkonto-Vertrag bzw. aus den den streit­ge­gen­ständ­lichen Wertpa­pier­ge­schäften zugrun­de­lie­genden Kommis­si­ons­ver­trägen mit der Klägerin verneint hat, konnte das Berufungsurteil jedoch keinen Bestand haben. Bei gestaffelter Einschaltung mehrerer Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist zwar grundsätzlich nur das kundennähere Unternehmen zur Befragung des Anlegers hinsichtlich seiner Erfahrungen, Kenntnisse, Anlageziele und finanziellen Verhältnisse verpflichtet. Eine Pflicht zur Überwachung des vorgeschalteten Beratungs­un­ter­nehmens besteht in der Regel nicht. Gleichwohl kann eine haftungs­be­wehrte Warnpflicht als Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB**) der Execution-only-Dienstleistung bestehen, wenn die kundenfernere Direktbank die tatsächliche Fehlberatung des Kunden bei dem in Auftrag gegebenen Wertpa­pier­ge­schäft entweder positiv kennt oder wenn diese Fehlberatung aufgrund massiver Verdachts­momente objektiv evident ist.

Kapitalanleger trägt Darlegungs- und Beweislast

Der Kapitalanleger trägt dabei nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für die Kenntnis der Direktbank von der tatsächlichen Fehlberatung bei dem in Auftrag gegebenen Wertpa­pier­ge­schäft bzw. für die sich aufgrund massiver Verdachts­momente aufdrängende objektive Evidenz dieser Fehlberatung. Die im Rahmen der Haftung der kreditgebenden Bank infolge eines konkreten Wissens­vor­sprungs entwickelte Bewei­ser­leich­terung bei insti­tu­ti­o­na­li­siertem Zusammenwirken ist auf die Zusammenarbeit zweier Wertpa­pier­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen hinsichtlich der Erbringung von Wertpa­pier­dienst­leis­tungen nicht übertragbar.

BGh hebt Berufungsurteil auf

Da die Klägerin ihre Behauptung, die Beklagte habe von einer systematischen Falschberatung der Anleger durch die Accessio Kenntnis gehabt, unter Zeugenbeweis gestellt hat, das Berufungs­gericht dem Beweisantrag aber nicht nachgegangen ist, war das Berufungsurteil aufzuheben. Das Berufungs­gericht wird den Zeugen nunmehr zu vernehmen haben.

Hinweise zur Rechtslage

*§ 278 BGB

1Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. …

**§ 241 BGB

(1) …

(2) Das Schuld­ver­hältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

***§ 280 BGB

(1)1Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuld­ver­hältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. 2Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflicht­ver­letzung nicht zu vertreten hat.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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