18.10.2024
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Amtsgericht München Urteil05.03.2010

AG München zur Haftung einer Direktbank bei AnlageverlustenEmpfehlungen der Direktbank müssen transparent und richtig sein – Beratungs­ver­pflichtung besteht nicht

Schließt ein Kunde einen Depotvertrag mit einer Direktbank unter Ausschluss von Beratungs­ver­pflich­tungen, entscheidet er sich bewusst für die Vorteile dieses Geschäfts­modells (z.B. günstigere Konditionen) und gegen das klassische Angebot einer Filialbank (mit persönlichem Kontakt und Beratung), also für mehr Selbst­ver­ant­wortung im Umgang mit Finanzprodukten. Gibt eine solche Bank Empfehlungen ab, müssen diese transparent und richtig sein. Eine Verpflichtung zu einer umfassenden und vollständigen Anlageberatung ergibt sich daraus aber nicht. Dies geht aus einer Entscheidung des Amtsgerichts München hervor.

Im zugrunde liegenden Fall war ein Ehepaar seit über 11 Jahren Inhaber eines „Direkt Anlage Depots“ bei einer Direktbank. In den Vertrags­be­din­gungen war vereinbart, dass die Bank ihre gesetzlichen Nachfrage- und Informationspflichten zu erfüllen habe, sie sonst aber nur die Aufträge des Kunden ausführe, weder Empfehlungen gebe noch eine Anlageberatung biete. Im Juni 2008 übersandte die Bank ein als „Werbemitteilung“ bezeichnetes Schreiben, in dem für verschiedene Finanzprodukte geworben wurde, u.a. auch für die „Lehman Brothers 4x6 % Deutschland Garant Anleihe“. Das Ehepaar erteilte darauf hin den Auftrag zur Zeichnung der genannten Anleihe zu einem Wert von 1000 Euro. Kurze Zeit später musste Lehman Brothers Insolvenz anmelden. Das Finanzprodukt war seither praktisch wertlos.

Ehepaar beanstandet mangelnde Transparenz und Beratung der Direktbank

Das Ehepaar forderte nun von ihrer Bank das Geld zurück. Diese sei schließlich ihren Beratungs­pflichten nicht nachgekommen. Sie habe nicht aufgeklärt, dass kein Schutz über einen Einla­gen­si­che­rungsfond bestehe, dass der Verkauf von Lehmann-Zertifikaten in Frankreich und Amerika verboten und deren finanzielle Lage angespannt gewesen sei. Die Gebüh­ren­ge­staltung, die Provi­si­ons­rü­ck­ver­gütung und die Gewinn­be­tei­ligung seien nicht transparent gemacht worden. Bei einer richtigen Aufklärung hätten sie die Anlage nicht gewählt.

Bank ist der Auffassung, keine Aufklärungs- und Beratungs­pflichten verletzt zu haben

Die Bank zahlte jedoch nicht. Sie war der Auffassung, sie habe keine Aufklärungs- und Beratungs­pflichten verletzt. Ein Beratungs­vertrag bestehe sowieso nicht. Die übersandten Dokumente hätten über alle Risiken ausreichend aufgeklärt.

Vertrag bei Direktbank schließt Entscheidung für Selbst­ver­ant­wortung im Umgang mit Finanzprodukten ein

Die zuständige Richterin beim Amtsgericht München wies die Klage ab: Zunächst sei festzuhalten, dass zwischen den Parteien kein Beratungs­vertrag geschlossen worden sei. Aus den Vertrags­un­terlagen ergebe sich in erster Linie ausschließlich die Eröffnung eines Wertpa­pier­depots, das von den Klägern über Fernkom­mu­ni­ka­ti­o­ns­mittel verwaltet werden könne. Eine generelle und umfassende Pflicht zur Erbringung von Beratungs­leis­tungen werde nicht begründet. Dies sei im Vertrag ausdrücklich festgehalten worden. Indem die Kläger einen derartigen Vertrag mit einer Direktbank geschlossen hätten, hätten sie sich bewusst für die Vorteile dieses Geschäfts­modells (i.d.R. günstigere Konditionen, zeitlich breitere Verfügbarkeit mittels Fernkom­mu­ni­ka­ti­o­ns­mitteln) und gegen das klassische Angebot einer Filialbank (mit persönlichem Kontakt zwischen Kunden und Bankbe­diensteten) entschieden. Hierin lieg auch eine Entscheidung für mehr Selbst­ver­ant­wortung im Umgang mit Finanzprodukten.

Auch Werbung von Direktbank muss inhaltlich richtig und darf nicht irreführend sein

Dennoch sei die Bank nicht aller Pflichten in Bezug auf die Beratung ihrer Kunden enthoben. Es verbleibe bei den spezi­al­ge­setzlich ausdrücklich normierten Pflichten. Darüber hinaus treffe die Beklagte die allgemeine Verpflichtung, Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Kunden zu nehmen. Werbe die Bank – eigentlich entgegen ihres Vertrages – mit ihrem Namen für Finanzprodukte, müsse die Werbung inhaltlich richtig und nicht irreführend sein. Risiken des Finanzprodukts dürften nicht beschönigt, Spezi­a­l­kenntnisse darüber nicht verschwiegen werden. Eine umfassende Beratung über die Palette der Finanzprodukte sei allerdings nicht geschuldet.

Umfangreicher Prospekt zu Wertpapieren entspricht dem Wertpa­pier­pro­spekt­gesetz

Unter Zugrundelegung obiger Prinzipien sei die Bank ihren Pflichten nachgekommen.

Aus den übersandten Unterlagen gingen die der Beklagten zufließenden Zuwendungen eindeutig hervor. Der fehlende Hinweis auf die nicht vorhandene Einla­gen­si­cherung gehe fehl, da es sich hier nicht um eine Einlage handele. Der umfangreiche Prospekt zu den Wertpapieren entspräche dem Wertpa­pier­pro­spekt­gesetz. Die darin enthaltenen Informationen seien auch nicht unrichtig. Insbesondere sei auch die Bezeichnung als „Garant Anleihe“ nicht fehlerhaft. Nach dem Konzept der Anlage seien die viermaligen geplanten Zinszahlungen garantiert gewesen. Der für die Kläger eingetretene Totalverlust der Anlage resultiere auch nicht aus einem besonderen Risiko, dass der Anlage strukturell anhafte, sondern ausschließlich aus der Insolvenz von Lehman Brothers. Auf dieses allgemeine Risiko, das letztlich in jedem Vertrags­ver­hältnis eintreten könne, müsse ohne erkennbare Anzeichen für eine drohende Insolvenz allenfalls allgemein hingewiesen werden. Aus der öffentlichen Berich­t­er­stattung zum damaligen Zeitpunkt sei bekannt, dass die Insolvenz der Lehmann Brothers für die Finanzwelt überraschend kam. Auf ein allgemein bestehendes Insolvenzrisiko habe die Bank hingewiesen.

Kunden wurden in Prospekt aufgefordert, sich vor Abschluss über Chancen und Risiken zu informieren

Im Übrigen habe die Bank in ihrem Prospekt die Kunden auch aufgefordert, sich vor Abschluss über die Chancen und Risiken zu informieren. Konkrete Anhaltspunkte, dass der Verkauf in Amerika und Frankreich verboten gewesen sei und dass dies der Bank bekannt gewesen sei, seien nicht ersichtlich. Im Übrigen hätte sich ein solches Verbot auch nicht auf Deutschland erstreckt.

Pflicht­ver­letzung seitens der Bank liegt nicht vor

Da es – wie ausgeführt – nach Zuschnitt des Vertrages nicht Aufgabe der Bank gewesen war, eine umfassende und vollständige Anlagenberatung durchzuführen, andererseits den Kunden richtige Unterlagen zur Verfügung standen und diese auch aufgefordert wurden, sich noch weitere selbst zu informieren, liege eine Pflicht­ver­letzung nicht vor.

Quelle: Amtsgericht München/ra-online

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