23.11.2024
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Landgericht Itzehoe Urteil15.03.2011

Landgericht Itzehoe untersagt irreführende Werbung für "Genussrechte" in Flyern und Prospekten eines Kapita­l­an­la­ge­produktsRisiken im Flyer und im Kurzprospekt nicht bzw. nur unzureichend dargestellt

Ein Unternehmen, das als „Genussrechte“ bezeichnete Kapita­l­an­la­ge­produkte an private Anleger vertreibt, hat Werbeaussagen in seinem Flyer und seinem Kurzprospekt zu unterlassen, die die Sicherheit und Wertbe­stän­digkeit der Genussrechte einseitig hervorheben und nicht zugleich auf etwaige mit der Anlage einhergehende Risiken hinweist. Dies entschied das Landgerichts Itzehoe.

Im zugrunde liegenden Fall bewarb die Beklagte seit Beginn des Jahres 2010 die Genussrechte im gesamten Bundesgebiet in erheblichem Umfang in verschiedener Form, u. a. mit so genannten „Flyern“ und Kurzprospekten.

Der „Flyer“ enthielt u. a. Aussagen wie: „Die Alternative zur Bank oder Lebens­ver­si­cherung“; „...wenn Sie wissen möchten, wohin Ihr Erspartes fließt, und nach einer Geldanlage suchen, die Ihnen Sicherheit und Stabilität bietet, liegen Sie mit den […] Genussrechten goldrichtig: Investieren Sie in die […] Windparks und damit in reale, zukunftssichere und rentable Sachwerte.“; „Sicherheit zum Anfassen!“; „Maximale Flexibilität“; „Sichere Einnahmen“.

In dem Kurzprospekt über die Genussrechte hieß es z.B.: „Maximale Sicherheit durch breite Streuung des Genuss­rechts­ka­pitals....“; „Die Investition in Sacheinlagen [...] sorgt für eine hohe Wertstabilität und Sicherheit Ihrer Geldanlage“; „Wie bei einer Sparanlage erhalten Sie für Ihr Geld jährlich Zinsen“; „Dadurch bieten wir Ihnen ein Höchstmaß an Sicherheit“.

Verbrau­cher­schut­z­or­ga­ni­station mahnt Beklagte wegen wettbe­wer­bs­widrigen Verhaltens ab

Im Rahmen seiner Tätigkeit als Verbrau­cher­schut­z­or­ga­ni­station erlangte der Kläger durch Nachfragen verschiedener Verbraucher Kenntnis von dieser Werbung. Er mahnte die Beklagte wegen wettbe­wer­bs­widrigen Verhaltens ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewährten Unter­las­sungs­er­klärung auf. Dies lehnte die Beklagte – die im Übrigen seit Herbst 2010 mit geänderten Flyern und Kurzprospekten wirbt – ab.

Landgericht untersagt unter Androhung von Ordnungsgeld Werbung für Genussscheine oder Genussrechte in Flyern oder Prospekten

Das Landgericht Itzehoe hat dem Kläger den begehrten Unter­las­sungs­an­spruch gewährt. Sie hat der Beklagten bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu einer Höhe von 250.000 Euro untersagt, für Genussscheine oder Genussrechte in Flyern oder Prospekten zu werben, wenn in der Werbung die Sicherheit und Wertbe­stän­digkeit der Anlage einseitig hervorgehoben wird, indem die Werbung wörtlich einer oder mehrerer der folgenden Formulierungen entspricht:

„Die Alternative zur Bank oder Lebens­ver­si­cherung“ und/oder „Geldanlage (....), die Ihnen Sicherheit und Stabilität bietet“ und/oder „Investieren Sie in (...) reale, zukunftssichere und rentable Sachwerte“ und/oder „Sicherheit zum Anfassen“ und/oder „Grünes Sparbuch“ und/oder „Wie bei einer Sparanlage“ und/oder „Maximale Sicherheit“ und/oder „Höchstmaß an Sicherheit“ und/oder „Hohe Wertstabilität und Sicherheit“ und/oder „Sicherheit auch bei steigender Inflation“,

wenn nicht zugleich auf etwaige damit einhergehende Risiken, insbesondere das Risiko eines Totalverlustes, die fehlende Einla­gen­si­cherung und die nicht gesicherten Zinszahlungen hingewiesen wird.

Werbung mit Formulierung „Maximale Flexibilität“ untersagt

Sie hat es der Beklagten außerdem untersagt, für Genussscheine oder Genussrechte in Flyern oder Prospekten zu werben, indem wörtlich die Formulierung „Maximale Flexibilität“ verwendet wird, wenn eine Rückga­bemög­lichkeit für den Anleger frühestens nach drei Jahren besteht.

Werbung verstößt gegen unlauteren Wettbewerb

Das Gericht führte zur Begründung aus, dass die Beklagte mit der beanstandeten Werbung unlauter im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb gehandelt habe, weil sie Vorschriften zuwider gehandelt habe, die auch dazu bestimmt seien, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Die Beklagte habe nämlich gegen Vorschriften verstoßen, nach denen Werbung redlich, eindeutig und nicht irreführend sein müsse.

Wichtige Aussagen dürften nicht unverständlich oder abgeschwächt dargestellt werden

Das Gericht führte weiter aus, dass mögliche Vorteile eines Finan­z­in­stru­mentes nur hervorgehoben werden dürften, wenn gleichzeitig eindeutig auf etwaige damit einhergehende Risiken verwiesen werde, wichtige Aussagen dürften nicht unverständlich oder abgeschwächt dargestellt werden, ein Vergleich von Finan­z­in­stru­menten müsse aussagekräftig und die Darstellung ausgewogen sein.

Werbeaussagen stellten nur einseitig Vorteile der Genussscheine heraus

Die Aussagen „Die Alternative zur Bank oder Lebens­ver­si­cherung“, „Geldanlage, die Sicherheit und Stabilität bietet“, „(Investition) in reale, zukunftssichere und rentable Sachwerte“, „Sicherheit zum Anfassen“ und „sichere Einnahmen“ stellten einseitig Vorteile der Genussscheine heraus, ohne gleichzeitig auf vorhandene Risiken einer derartigen Anlage hinzuweisen. Die Genussrechte enthielten nämlich durchaus - worauf die Beklagte in ihrem Hauptprospekt selbst hinweise - unter bestimmten Umständen das Risiko der Nichtverzinsung bis zum Risiko des Totalverlustes. Dass die Beklagte in ihrem Hauptprospekt auf diese Risiken hinweise, genüge nach den Ausführungen des Gerichts den Voraussetzungen, die an eine umfassende Verbrau­che­r­in­for­mation gestellt werden müssen, nicht, da diese Risiken im Flyer und im Kurzprospekt nicht bzw. nur unzureichend dargestellt würden.

Anleger muss in der Werbung über nicht gegebene vollständige Sicherheit aufgeklärt werden

Auch die Werbung mit dem Vergleich „Bank oder Lebens­ver­si­cherung“ i. V. m. den diversen Hinweisen auf „Sicherheit“ und „Stabilität“ sei irreführend, weil dem interessierten Anleger vorgespiegelt werde, er könne sein Geld ohne Verlustgefahr investieren. Tatsächlich trage der Anleger bei Erwerb der Genussscheine das volle unter­neh­me­rische Risiko hinsichtlich des investierten Kapitals, ohne dass er im Insolvenzfall auf eine Einla­gen­si­cherung zurückgreifen könne oder auch nur irgendwelchen Einfluss auf die Geschäfts­führung der Gesellschaften habe, bei denen sein Kapital angelegt werde. Der durch­schnittlich informierte, verständige Anleger, der eine Bank oder Lebens­ver­si­cherung als Geldanlage kenne, verbinde damit eine verlässliche Einla­gen­ver­zinsung und Einla­gen­si­cherung, die er bei den Genussscheinen nicht habe. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, dass es sich bei dem Recht der erneuerbaren Energien und den Regelungen zur Förderung der regenerativen Stromgewinnung durch Windkraft um einen im hohen Maße gesetzlich begleiteten und weit in die Zukunft hinein geordneten Markt handele, der gerade typischen wettbe­werb­lichen Schwankungen nicht unterliege. Auch die Tatsache, dass die Beklagte möglicherweise in den vergangenen Jahren keine Totalverluste der Anlagen zu verzeichnen gehabt habe und regelmäßig die versprochenen Zinserträge habe ausschütten können, ändere nichts daran, dass eine Sicherheit wie bei Bankanlagen oder Lebens­ver­si­che­rungen vorliegend nicht gegeben sei. Darüber müsse der Anleger in der Werbung aufgeklärt werden.

Anleger wird nicht durch Beteiligungen an Sachwerten abgesichert

Auch die Aussage „(Investition) in reale, zukunftssichere und rentable Sachwerte“ sei für den durch­schnittlich verständigen Anleger irreführend. Dieser gehe davon aus, dass er mit dem Kauf der Genussscheine tatsächlich und unmittelbar in Windkrafträder oder andere bestehende oder entstehende Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien investiere und damit Sachwerte erwerbe. Tatsächlich diene das eingeworbene Genuss­rechts­kapital lediglich zur Finanzierung derartiger Projekte, ohne dass die einzelnen Anleger durch Beteiligungen an den Sachwerten abgesichert wären.

Mindest­hal­tefrist von drei Jahren stellt bei Anlage keine maximale Flexibilität dar

Schließlich seien die von der Beklagten vertriebenen Genussscheine auch keine flexiblen Anlagen, schon gar nicht – wie beworben – „maximal flexibel“. Einem durch­schnittlich informierten Anleger seien z. B. Tages- oder Festgeldanlagen mit einer bestimmten Laufzeit, aber auch die kurzfristige Verfügbarkeit von Spareinlagen auf einem Sparbuch mit entsprechenden, kurzen Kündi­gungs­fristen bei größeren Abhebungen bekannt. Wenn demgegenüber eine Mindest­hal­tefrist von drei Jahren vorgesehen sei, so sei die Anlage hier nicht flexibel, schon gar nicht maximal flexibel, was schnellste Verfügbarkeit bedeute.

Genussrechte bieten keinen vergleichbaren Sicher­heits­s­tandard wie Sparbücher oder Spareinlage bei der Bank oder Sparkasse

Auch die Verwendung der Aussagen „Genussrechte als „grünes Sparbuch““ und der Vergleich „wie bei einer Sparanlage“, so wie sie die Beklagte im Kurzprospekt verwende, seien aus den o. g. Gründen irreführend. Einen vergleichbaren Sicher­heits­s­tandard wie Sparbücher oder eine Spareinlage bei einer Bank oder Sparkasse böten die Genussrechte nicht.

Weiter hat das Gericht ausgeführt, dass die Beklagte auch nicht damit gehört werden könne, dass sich aus der besonderen Art der Anlage eine relative Sicherheit von selber ergebe. Zwar sei der Beklagten zuzugeben, dass aufgrund der augen­blick­lichen, tatsächlichen und gesetzlichen Gegebenheiten, insbesondere aufgrund gesetz­ge­be­rischer Maßnahmen die Technologie der erneuerbaren Energien eine besondere Förderung erfahre. Dennoch unterliege der Betrieb einer Windkraftanlage oder einer anderen Anlage zur Erzeugung erneuerbarer Energie auch dem unter­neh­me­rischen Risiko, der beispielsweise in Beschädigung oder Zerstörung der Anlage oder falscher Geschäfts­führung der Anlagen­be­treiber auftreten könne.

Geschilderte Risiken widersprechen teilweise oberflächlichen Aussagen im Flyer und im Kurzprospekt

Schließlich könne sich die Beklagte auch nicht darauf zurückziehen, dass sie im Hauptprospekt über sämtliche Risiken der Genussscheine zutreffend aufgeklärt habe. Diese Aufklärung erfolge an einer Stelle, die ein Großteil der durch die Werbung interessierten Anleger nicht mehr zur Kenntnis nehme, weil er das umfangreiche Prospekt nicht von vorne bis hinten durchlese. Außerdem stünden die dort - zutreffend - geschilderten Risiken teilweise im Widerspruch zu den oberflächlichen Aussagen im Flyer und im Kurzprospekt. Auch das genüge für eine Irreführung des Verbrauchers.

Wieder­ho­lungs­gefahr auch nach Änderung der Werbe­ma­te­rialien gegeben

Abschließend hat das Gericht festgestellt, dass sich der Rechtsstreit auch nicht dadurch erledigt habe, dass die Beklagte im Laufe des Jahres 2010 ihre Werbung verändert und insbesondere die beanstandeten Flyer und Kurzprospekte nicht mehr benutzt habe. Wieder­ho­lungs­gefahr ergebe sich zunächst daraus, dass eine unzulässige Werbung überhaupt stattgefunden habe. Diese Wieder­ho­lungs­gefahr könne auch grundsätzlich nur durch Abgabe einer angemessenen strafbewährten Unter­las­sungs­er­klärung ausgeräumt werden. Da die Beklagte es abgelehnt habe, eine solche Unter­las­sungs­er­klärung abzugeben, sei nicht auszuschließen, dass die Beklagte dieselbe oder eine ähnliche Werbung wieder aufnehme.

Quelle: Landgericht Itzehoe/ra-online

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