23.11.2024
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Dokument-Nr. 16956

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Urteil08.10.2013BundesgerichtshofXI ZR 401/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • DNotZ 2014, 53Deutsche Notar-Zeitschrift (DNotZ), Jahrgang: 2014, Seite: 53
  • jurisPR-FamR 3/2014, Anm. 5, Friedrich Strohaljuris PraxisReport Familien- und Erbrecht (jurisPR-FamR), Jahrgang: 2014, Ausgabe: 3, Anmerkung: 5, Autor: Friedrich Strohal
  • MDR 2013, 1471Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2013, Seite: 1471
  • NJW 2013, 3716Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2013, Seite: 3716
  • WM 2013, 2166Wertpapier-Mitteilungen Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM), Jahrgang: 2013, Seite: 2166
  • ZErb 2014, 25Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis (ZErb), Jahrgang: 2014, Seite: 25
  • ZIP 2013, 2194Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (ZIP), Jahrgang: 2013, Seite: 2194
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Vorinstanzen:
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil08.10.2013

Banken dürfen keinen Erbschein verlangenBGH erklärt Erbnach­weis­klausel in den Allgemeinen Geschäfts­bedingungen einer Sparkasse für unwirksam

Banken und Sparkassen dürfen in ihren Allgemeinen Geschäfts­bedingungen nicht auf die Vorlage eines kosten­pflichtigen Erbscheins bestehen. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor.

Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat aufgrund der Unter­las­sungsklage eines Verbrau­cher­schutz­verbands entschieden, dass die nachfolgende Bestimmung in Nr. 5 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen der beklagten Sparkasse im Bankverkehr mit Privatkunden (Verbrauchern) nicht verwendet werden darf, weil sie diese unangemessen benachteiligt und deswegen nach § 307 BGB* unwirksam ist:

"Nr. 5 Legiti­ma­ti­o­ns­ur­kunden

(1) Erbnachweise

Nach dem Tode des Kunden kann die Sparkasse zur Klärung der rechts­ge­schäft­lichen Berechtigung die Vorlegung eines Erbscheins, eines Testa­ments­voll­stre­cke­r­zeug­nisses oder ähnlicher gerichtlicher Zeugnisse verlangen; fremdsprachige Urkunden sind auf Verlangen der Sparkasse mit deutscher Übersetzung vorzulegen. Die Sparkasse kann auf die Vorlegung eines Erbscheins oder eines Testa­ments­voll­stre­cke­r­zeug­nisses verzichten, wenn ihr eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift vom Testament oder Erbvertrag des Kunden sowie der Niederschrift über die zugehörige Eröff­nungs­ver­handlung vorgelegt wird.

…."

Nachweis in Form eines Erbscheins nicht zwingend erforderlich

Die Instanzgerichte haben der Unter­las­sungsklage stattgegeben. Die Revision der beklagten Sparkasse hat der Bundes­ge­richtshof zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die beanstandeten Regelungen in Nr. 5 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen stellen kontrollfähige Abweichungen von Rechts­vor­schriften dar. Der Erbe ist von Rechts wegen nicht verpflichtet, sein Erbrecht durch einen Erbschein nachzuweisen, sondern kann diesen Nachweis auch in anderer Form führen. Abweichend hiervon kann die Beklagte nach dem Wortlaut von Nr. 5 Abs. 1 Satz 1 ihrer Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen die Vorlage eines Erbscheins zum Nachweis des Erbrechts unabhängig davon verlangen, ob im konkreten Einzelfall das Erbrecht überhaupt zweifelhaft ist oder ob es auch auf andere - einfachere und/oder kosten­güns­tigere - Art nachgewiesen werden könnte. Soweit nach der streitigen Regelung die Vorlage der darin genannten Urkunden "zur Klärung der rechts­ge­schäft­lichen Berechtigung" verlangt werden kann, ist damit lediglich der Anlass umschrieben, mit dem die Sparkasse ihr Verlangen nach Vorlage eines Erbscheins begründet. Die Entscheidung hingegen, wann die Berechtigung des Erben "klärungs­be­dürftig" ist, steht wiederum im Ermessen der Beklagten. Die streitige Klausel kann auch nicht wegen der Verwendung des Wortes "kann" in Satz 1 und 2 einschränkend dahin ausgelegt werden, dass der Sparkasse ein Spielraum zusteht, den sie nur nach "billigem Ermessen" ausüben darf. Selbst unter Zugrundelegung eines solchen Entschei­dungs­maßstabs würde jedenfalls der weite Spielraum der Billigkeit nicht den Anforderungen an die Eingrenzung und Konkretisierung einer Formu­l­a­r­be­stimmung genügen.

Unangemessene Benachteiligung der Bankkunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben

Der danach eröffneten Inhaltskontrolle halten die angegriffenen Regelungen nicht stand. Das unein­ge­schränkte Recht der Beklagten, zur Klärung der rechts­ge­schäft­lichen Berechtigung die Vorlegung eines Erbscheins zu verlangen bzw. in bestimmten Situationen darauf zu verzichten, ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und benachteiligt die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Spakasse darf nicht einschrän­kungslos die Vorlegung eines Erbscheins verlagen

Die Klausel gewährt der Beklagten generell und unabhängig davon, ob im Einzelfall das Erbrecht zweifelhaft ist oder durch andere Dokumente einfacher und/oder kostengünstiger nachgewiesen werden kann, das Recht, auf der Vorlage eines Erbscheins zu bestehen. Zwar hat eine Sparkasse nach dem Tod eines Kunden grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran, der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme sowohl durch einen etwaigen Scheinerben als auch durch den wahren Erben des Kunden zu entgehen. Daraus folgt indes nicht, dass sie einschrän­kungslos die Vorlegung eines Erbscheins verlangen kann. Vielmehr sind im Rahmen der anzustellenden Inter­es­se­n­ab­wägung die Interessen des (wahren) Erben - der als Rechts­nach­folger in die Stellung des Erblassers als Vertragspartner der Sparkasse eingerückt ist und auf dessen mögliche Benachteiligung es daher ankommt - vorrangig. Ihm ist regelmäßig nicht daran gelegen, auch in Fällen, in denen er sein Erbrecht unproblematisch anders als durch Vorlage eines Erbscheins nachweisen kann, das unnütze Kosten verursachende und zu einer Verzögerung der Nachlass­re­gu­lierung führende Erbschein­ver­fahren anstrengen zu müssen. Ebenso wenig kann er auf die Möglichkeit verwiesen werden, von ihm zunächst - zu Unrecht - verauslagte Kosten später im Wege des Schaden­s­er­satzes, ggf. sogar nur unter Beschreitung des Klageweges von der Sparkasse, erstattet zu verlangen. Schließlich streitet auch die Sonderregelung des § 35 Abs. 1 der Grund­buch­ordnung (GBO)** nicht für die Wirksamkeit der angefochtenen Klausel. Diese knüpft sogar höhere Anforderungen an den Erbfol­ge­n­achweis als sie im Grundbuchrecht von Gesetzes wegen bestehen.

Hinweise zur Rechtslage

* § 307 BGB

Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.

mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2.

wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen, durch die von Rechts­vor­schriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

** § 35 GBO

(1) Der Nachweis der Erbfolge kann nur durch einen Erbschein geführt werden. Beruht jedoch die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, so genügt es, wenn an Stelle des Erbscheins die Verfügung und die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung vorgelegt werden; erachtet das Grundbuchamt die Erbfolge durch diese Urkunden nicht für nachgewiesen, so kann es die Vorlegung eines Erbscheins verlangen.

….

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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