21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil28.04.2015

Banken müssen bei Empfehlungen von Zinssatz-Swap-Verträgen über anfänglichen negativen Marktwert aufklärenAnfänglicher negativer Marktwert und dessen Höhe für Kunden ohne Aufklärung nicht erkennbar

Eine Bank, die zu einem eigenen Zinssatz-Swap-Vertrag rät, ist unter dem Gesichtspunkt eines schwerwiegenden Inter­es­sen­kon­flikts grundsätzlich verpflichtet, den Kunden über das Einpreisen ihrer Kosten und ihres Netto-Gewinns, d.h. über das Einstruk­tu­rieren eines anfänglichen negativen Marktwertes, aufzuklären. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens, eine Gemeinde in Nordrhein-Westfalen mit rund 30.000 Einwohnern, und die Rechts­vor­gängerin der Beklagten, eine Landesbank (künftig einheitlich: Beklagte), schlossen in den Jahren 2006 bis 2008 auf der Grundlage eines im April 2006 vereinbarten und von den Spitzen­ver­bänden des Kreditgewerbes erarbeiteten Rahmenvertrages für Finanz­ter­min­ge­schäfte (nachfolgend: Rahmenvertrag) verschiedene Zinssatz-Swap-Verträge.

Sachverhalt

Unter anderem vereinbarten die Parteien am 6. Dezember 2007 einen "Invers-CMS-Stufen-Swap-Vertrag", in dem sich die Beklagte zu einer Zahlung von Zinsen in Höhe von 3,75 % p.a. auf den Nominalbetrag (5 Mio. Euro) und die Klägerin im ersten Jahr der Laufzeit zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 3 % p.a. und anschließend zur Zahlung variabler Zinsen auf den Nominalbetrag verpflichtete. Am 30. Januar 2008 schlossen die Parteien einen "CHF-Plus-Swap-Vertrag", in dem sich die Beklagte zu einer Zahlung von Zinsen in Höhe von 3 % p.a. auf den Nominalbetrag (5 Mio. Euro) und die Klägerin zur Zahlung von variablen Zinsen verpflichtete, deren Höhe von der Entwicklung des Wechselkurses des Währungspaares Euro und Schweizer Franken abhing. Am 14. Februar 2008 einigten sich die Parteien über zwei "Flexi-Swap-Verträge", in denen sich die Beklagte jeweils zur Zahlung von Zinsen in Höhe des Drei-Monats-Euribors verpflichtete und die Klägerin entweder Zinsen in Höhe von 4,05 % bzw. 4,10 % zu zahlen hatte, falls der Drei-Monats-Euribor 6 % oder weniger betrug, oder Zinsen in Höhe des jeweiligen Drei-Monats-Euribors. Für die einzelnen Zinsperioden wurden bei den "Flexi-Swap-Verträgen" jeweils wechselnde Bezugsbeträge vereinbart. Die vier Swap-Verträge hatten bei Vertragsschluss für die Klägerin einen anfänglichen negativen Marktwert.

BGH: Zinssatz-Swap-Verträge sind weder wegen Überschreitung des gemeindlichen Wirkungskreises noch wegen Verstoßes gegen das Speku­la­ti­o­ns­verbot unwirksam

Die Vorinstanzen haben antragsgemäß festgestellt, dass die Klägerin, die über den anfänglichen negativen Marktwert nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden sei, auf die Zinssatz-Swap-Verträge keine Zahlungen mehr leisten müsse. Die Widerklage der Beklagten auf Zahlung von insgesamt 1.494.879,14 Euro blieb erfolglos. Auf die von ihm zugelassene Revision der Beklagten hat der Bundes­ge­richtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen. Dabei ist der Bundes­ge­richtshof davon ausgegangen, dass die Zinssatz-Swap-Verträge selbst dann, wenn sie ausschließlich der Erzielung eines (Spekulations-) Gewinns gedient haben sollten, weder wegen einer Überschreitung des gemeindlichen Wirkungskreises unwirksam noch wegen eines Verstoßes gegen ein etwaiges gemeindliches Speku­la­ti­o­ns­verbot nichtig sind. Er hat aber auf der Grundlage der unvollständigen Feststellungen des Berufungs­ge­richts, das schon das Zustandekommen von Beratungs­ver­trägen nicht sicher geklärt hat, nicht abschließend entscheiden können, ob die Beklagte die Klägerin wegen einer Beratungs­pflicht­ver­letzung so stellen muss, als habe die Klägerin nichts mehr zu zahlen.

Kunde kann Einpreisen eines anfänglichen negativen Marktwertes ohne Aufklärung nicht erkennen

Der Bundes­ge­richtshof, der an seine Rechtsprechung aus dem Jahr 2011 zu einem CMS Spread Ladder Swap-Vertrag angeknüpft hat, hat bekräftigt, dass eine Bank, die zu einem eigenen Zinssatz-Swap-Vertrag rät, unter dem Gesichtspunkt eines schwerwiegenden Inter­es­sen­kon­flikts grundsätzlich verpflichtet ist, den Kunden über das Einpreisen ihrer Kosten und ihres Netto-Gewinns, d.h. über das Einstruk­tu­rieren eines anfänglichen negativen Marktwertes, aufzuklären. Das Einpreisen des anfänglichen negativen Marktwertes kann der Kunde, der davon ausgeht, die Bank verdiene ausschließlich bei einem ihr günstigen Verlauf der Zinswette in Höhe der Zinsdifferenz, nicht erkennen. Das gilt unabhängig von der konkreten Gestaltung der Bedingungen des Swap-Vertrages. Die Komplexität des Swap-Vertrages ist kein Kriterium, das über das Bestehen oder Nichtbestehen der Aufklärungspflicht entscheidet, so dass die im Jahr 2011 entwickelte Rechtsprechung nicht nur den CMS Spread Ladder Swap-Vertrag, sondern grundsätzlich alle Swap-Verträge betrifft.

Kunde muss auch über Höhe des anfänglichen negativen Marktwerts informiert werden

Die Verpflichtung zur Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert umfasst die Verpflichtung zur Information auch über seine Höhe, so der Bundes­ge­richtshof. Nur bei Kenntnis auch der Höhe des anfänglichen negativen Marktwertes kann der Kunde das eigene Interesse der Bank an der Empfehlung des Swap-Vertrages richtig einschätzen.

Verjährung der Beratungs­verträge beginnt nicht mit letztem Geschäft

Der Bundes­ge­richtshof hat im Anschluss an seine im Jahr 2011 gefällte Entscheidung auch bestätigt, dass die Bank nicht über den anfänglichen negativen Marktwert aufklären muss, wenn der Swap-Vertrag der Absicherung gegenläufiger Zins- oder Währungsrisiken aus konnexen Grundgeschäften dient. Außerdem hat der Bundes­ge­richtshof klargestellt, dass die Einwendung, die Bank habe den Kunden wegen einer Beratungs­pflicht­ver­letzung so zu stellen, als habe er den Swap-Vertrag nicht abgeschlossen, genauso verjährt wie der ihr zugrun­de­liegende Anspruch auf Aufhebung der den Kunden belastenden Forderung aus dem Swap-Vertrag. Der Rahmenvertrag bewirkt nicht, dass die Verjährung der Ansprüche aus jeweils im Zusammenhang mit dem Abschluss der Zinssatz-Swap-Verträge zustande gekommenen Beratungs­ver­trägen einheitlich mit dem letzten Geschäft anläuft.

Vorteile aus anderen Zinssatz-Swap-Verträgen können bei vermutetem aufklä­rungs­richtigen Verhalten keine Berück­sich­tigung im Zuge der Vorteils­aus­gleichung finden

Schließlich hat der Bundes­ge­richtshof deutlich gemacht, dass der Umstand, dass die Klägerin andere für sie günstig verlaufene Zinssatz-Swap-Verträge unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Beratungs­pflichten nicht rückabwickeln wolle, zwar ein Indiz dafür sein kann, dass sie die streit­ge­gen­ständ­lichen Zinssatz-Swap-Verträge auch in Kenntnis der Höhe eines eingepreisten anfänglichen negativen Marktwertes abgeschlossen hätte. Ist aber die Vermutung aufklä­rungs­richtigen Verhaltens der Klägerin trotz dieses und etwaiger sonstiger Indizien nicht widerlegt, können Vorteile, die die Klägerin aus anderen Zinssatz-Swap-Verträgen mit der Beklagten gezogen hat, im Zuge der Vorteils­aus­gleichung keine Berück­sich­tigung finden.

Nach Aufhebung und Zurück­ver­weisung der Sache wird das Berufungs­gericht auf der Grundlage der Rechts­aus­füh­rungen des Bundes­ge­richtshofs die erforderlichen weiteren Feststellungen zu treffen haben.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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