18.10.2024
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Bundesgerichtshof Urteil19.01.2016

Keine Vorfälligkeits­entschädigung bei vorzeitiger Kündigung eines Verbraucher­darlehens nach Zahlungsverzug des Darle­hens­nehmersGesetzliche Vorschrift schließt Geltendmachung einer als Ersatz des Erfüllungs­interesses verlangten Vorfälligkeits­entschädigung aus

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass § 497 Abs. 1 BGB (in der bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung) eine spezielle Regelung zur Schadens­be­rechnung bei notleidenden Krediten enthält, die vom Darlehensgeber infolge Zahlungsverzugs des Darle­hens­nehmers vorzeitig gekündigt worden sind. Die Vorschrift schließt die Geltendmachung einer als Ersatz des Erfüllungs­interesses verlangten Vorfälligkeits­entschädigung aus.

Im zugrunde liegenden Verfahren gewährte die beklagte Kreissparkasse zwei nicht am Rechtsstreit beteiligten natürlichen Personen im Jahr 2004 jeweils ein zum 30. November 2016 fälliges Verbrau­cher­da­rlehen, für deren Rückzahlung unter anderem eine Grundschuld an einem Grundstück als Sicherheit diente, das im Eigentum einer aus den Darle­hens­nehmern und dem Kläger bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts stand. Im Jahr 2010 und 2011 kündigte die Beklagte die beiden Darlehen vorzeitig wegen Zahlungsverzugs der Darlehensnehmer, stellte die noch offene Darlehensvaluta fällig und begehrte ferner die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 76.602,94 Euro und 9.881,85 Euro. Zur Abwendung der Zwangs­voll­streckung in das Grundstück zahlte der Kläger an die beklagte Kreissparkasse - ohne Anweisung der Darlehensnehmer - die verlangte Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung in Höhe des noch offenen Betrags von insgesamt 24.569,18 Euro, wobei er sich deren Überprüfung dem Grunde und der Höhe nach vorbehielt.

Die unter anderem auf Rückzahlung dieses Betrags nebst Zinsen gerichtete Klage hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg.

Möglichkeit der Pflicht zur Zahlung einer Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung als Ersatz für Nicht­er­fül­lungs­schaden rechtlich nicht eindeutig geklärt

Der Bundes­ge­richtshof hat auf die vom Berufungs­gericht zugelassene Revision des Klägers das Berufungsurteil teilweise aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung des landge­richt­lichen Urteils zur Zahlung der begehrten 24.569,18 Euro nebst Zinsen verurteilt. Das Gericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die in Rechtsprechung und Schrifttum umstrittene Frage, ob der Darlehensgeber im Falle der außer­or­dent­lichen Kündigung eines Verbrau­cher­da­r­le­hens­vertrags infolge Zahlungsverzugs des Darle­hens­nehmers anstelle des Verzö­ge­rungs­schadens eine Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung als Ersatz seines Nicht­er­fül­lungs­schadens verlangen kann, vom Wortlaut des § 497 Abs. 1 BGB in der hier maßgeblichen bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung* nicht eindeutig beantwortet wird. Nach dieser Vorschrift hat der Darlehensnehmer, der mit seiner Zahlungs­ver­pflichtung in Verzug kommt, den geschuldeten Betrag mit dem dort festgelegten Verzugszinssatz zu verzinsen. Ob damit zugleich eine Sperrwirkung in dem Sinne verbunden ist, dass eine andere Form des Schaden­s­er­satzes nicht geltend gemacht werden kann, lässt sich dem Wortlaut der Vorschrift selbst nicht entnehmen. Dafür sprechen indes die Gesetz­ge­bungs­ge­schichte und der Sinn und Zweck dieser Vorschrift.

Festlegung der Höhe des Verzugszinses sollte einfache Berechnung der Mehrauf­wen­dungen im Verzugsfall ermöglichen

Nach der Geset­zes­be­gründung sollte "der Verzugszins nach Schaden­s­er­satz­ge­sichts­punkten zu ermitteln und ein Rückgriff auf den Vertragszins grundsätzlich ausgeschlossen" sein (BT-Drucks. 11/5462, S. 26 zur Vorgängernorm des § 11 VerbrKrG). Der Gesetzgeber wollte damit die Schadens­be­rech­nungs­mög­lich­keiten einer einfachen und praktikablen Neuregelung zuführen. Zugleich sollte mit der Festlegung der Höhe des Verzugszinses auch dem Verbraucher die Möglichkeit gegeben werden, die Höhe der Mehrauf­wen­dungen im Verzugsfall selbst zu berechnen. Dieses Ziel der (Prozess-)Vereinfachung würde indes nicht erreicht, wenn der Darlehensgeber anstelle der einfachen Verzugs­zins­be­rechnung auf die im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung bestehenden Zahlungs­rück­stände eine Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung beanspruchen könnte. Vor allem aber würde bei Zubilligung einer Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung, die im Ausgangspunkt auf dem Vertragszins beruht, das vornehmliche Ziel des Gesetzgebers, einen Rückgriff auf den Vertragszins für die Schadens­be­rechnung nach Wirksamwerden der Kündigung grundsätzlich auszuschließen, verfehlt.

Besserstellung des vertrags­brü­chigen gegenüber dem vertragstreuen Schuldner nicht ausschlaggebend

Soweit damit - was bereits gegen die Vorgän­ger­re­gelung eingewendet worden ist - für den Bereich des Verbrau­cher­da­r­le­hens­ge­schäfts eine Besserstellung des vertrags­brü­chigen gegenüber dem vertragstreuen Schuldner verbunden sein sollte, hat der Gesetzgeber dies bewusst in Kauf genommen, indem er bei Überführung des § 11 VerbrKrG in das Bürgerliche Gesetzbuch durch das Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­gesetz zu einer Änderung der Rechtslage keinen Anlass gesehen hat, sondern ganz im Gegenteil den Anwen­dungs­bereich des § 497 Abs. 1 BGB sogar noch auf Immobi­li­a­r­da­r­le­hens­verträge ausgedehnt hat.

* § 497 BGB in der bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung

Erläuterungen
(1) Soweit der Darlehensnehmer mit Zahlungen, die er auf Grund des Verbrau­cher­da­r­le­hens­vertrags schuldet, in Verzug kommt, hat er den geschuldeten Betrag nach § 288 Abs. 1 zu verzinsen; dies gilt nicht für Immobi­li­a­r­da­r­le­hens­verträge. Bei diesen Verträgen beträgt der Verzugszinssatz für das Jahr zweieinhalb Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Im Einzelfall kann der Darlehensgeber einen höheren oder der Darlehensnehmer einen niedrigeren Schaden nachweisen.

(2) [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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