21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil29.05.2018

Bei ausgefallener Reise ist nicht immer Entschädigung in Höhe des vollen Reisepreises als angemessen anzusehenBGH zum Anspruch auf Entschädigung bei Vereitelung einer gebuchten Kreuzfahrt

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass Reisenden, deren Kreuzfahrt wegen eines Fehlers des Reise­ver­an­stalters vollständig ausfällt, nicht immer Anspruch auf Entschädigung in Höhe des vollen Reisepreises haben. Das Gericht verwies darauf, dass mit dem völligen Ausfall einer Reise zwar die Erwartungen der Reisenden enttäuscht wird, diese damit aber über ihre Zeit frei verfügen können.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens nahm die beklagte Reise­ver­an­stalterin aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemanns auf die Zahlung einer angemessenen Entschädigung wegen Vereitelung einer gebuchten Kreuzfahrt in Höhe des Reisepreises und auf Ersatz der Mehrkosten für eine Ersatzreise in Anspruch. Der Ehemann der Klägerin buchte bei der beklagten Reise­ver­an­stalterin für sich und die Klägerin eine Kreuzfahrt in der Karibik für die Zeit vom 16. bis 30. November 2015 zu einem Gesamtpreis von 4.998 Euro. Die Eheleute konnten die Reise nicht antreten, weil es auf dem Schiff keine Buchung für sie gab. Davon erfuhren sie erst am 13. November 2015. Die Eheleute unternahmen während des vorgesehenen Reisezeitraums eine Reise mit dem Mietwagen durch Florida, für die ihnen Mehrkosten in Höhe von 887,95 Euro entstanden.

Entscheidungen der Vorinstanzen

Das Landgericht sprach der Klägerin eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von 3.685,20 Euro zu und wies die Klage im Übrigen ab. Auf ihre Berufung erkannte das Berufungs­gericht der Klägerin einen Anspruch auf Zahlung weiterer 887,95 Euro als Ersatz für die Mehrkosten der Ersatzreise zu und wies die Berufung im Übrigen zurück. Mit ihrer vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision verfolgte die Klägerin den Anspruch auf angemessene Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit im von den Vorinstanzen nicht zuerkannten Umfang weiter, während die Beklagte im Wege der Anschluss­re­vision die Wieder­her­stellung des landge­richt­lichen Urteils erstrebt.

BGH bejaht grundsätzlichen Anspruch auf Entschädigung

Der Bundes­ge­richtshof wies die Revision der Klägerin zurück und stellte auf die Anschluss­re­vision der Beklagten das landge­richtliche Urteil wieder her. Nach dem Urteil des Bundes­ge­richtshofs ist das Berufungs­gericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Reise, zu deren Durchführung die Beklagte vertraglich verpflichtet war, vereitelt worden ist. In einem solchen Fall könne der Reisende ebenso wie bei einer erheblich beein­träch­tigten Reise nach § 651 f Abs. 2 BGB - neben der Erstattung des Reisepreises - auch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.

Bei ausgefallener Reise muss Entschädigung nicht immer in Höhe des vollen Reisepreises erfolgen

Die Bemessung der Entschädigung ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters, dessen Würdigung vom Bundes­ge­richtshof nur in engen Grenzen nachgeprüft werden kann. Ist die Reise wegen Mängeln der Leistung des Veranstalters so erheblich beeinträchtigt worden, dass der Erfolg der Reise (nahezu) vollständig verfehlt worden ist, ist regelmäßig eine Entschädigung in Höhe des vollen Reisepreises angemessen. Im Streitfall hat das Berufungs­gericht zutreffend angenommen, dass eine Vereitelung der Reise einer solchen durch Reisemängel vollständig entwerteten Reise nicht ohne weiteres gleichsteht. Bei einer ausgefallenen Reise ist daher nicht stets eine Entschädigung in Höhe des vollen Reisepreises als angemessen anzusehen.

Beein­träch­tigung durch grobe Mängeln der Reiseleistung mitunter erheblich größer als komplette Vereitelung der Reiseleistung

Zwar mag die Vereitelung der Reise auf den ersten Blick als die am weitesten reichende Form der Beein­träch­tigung des vom Reise­ver­an­stalter geschuldeten Reiseerfolgs erscheinen. Auch bei Vereitelung der Reise geht es aber bei dem Anspruch auf Entschädigung nach § 651 f Abs. 2 BGB nicht um eine "zweite Rückerstattung" des Reisepreises. Vielmehr ist allein bezweckt, den Reisenden dafür zu entschädigen, dass er seine Urlaubszeit nicht so verbringen konnte, wie mit dem Veranstalter vereinbart wurde. Die sich daraus ergebende (immaterielle) Beein­träch­tigung kann bei groben Mängeln der Reiseleistung erheblich größer sein, als wenn die Reiseleistung bei einer Vereitelung der Reise überhaupt nicht erbracht wird. Da maßgeblich auf den dem Reisenden durch die Vereitelung der Reise entgangenen Nutzen abzustellen ist, ist es für die Höhe der Entschädigung auch unerheblich, wie der Reisende im Falle einer vereitelten Reise die vorgesehene Reisezeit verbracht hat.

Entschädigung durch Erstattung von 73 % des Reisepreises nicht zu beanstanden

Danach weist die Entscheidung des Berufungs­ge­richts, im Streitfall die Entschädigung mit einem etwa 73 % des Reisepreises entsprechenden Betrag zu bemessen, keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin auf. Das Berufungs­gericht hat neben dem Reisepreis nicht nur berücksichtigt, dass es sich bei der ausgefallenen Reise um eine hochwertige und attraktive Kreuzfahrt gehandelt hat, sondern auch, dass die beklagte Reise­ver­an­stalterin die Reise sehr kurzfristig abgesagt und es dadurch der Klägerin und ihrem Ehemann zusätzlich erschwert hat, die vorgesehene Reisezeit in einer ihnen zusagenden anderen Weise zu nutzen. Gleichzeitig hat es in den Blick genommen, dass mit dem völligen Ausfall der Reise zwar die Erwartungen der Reisenden enttäuscht worden sind, diese damit aber über ihre Zeit frei verfügen konnten.

Die Anschluss­re­vision der Beklagten ist hingegen begründet, weil die Klägerin nicht geltend gemacht hat, mit der Buchung der Floridareise anstelle der von der Beklagten geschuldeten Kreuzfahrt selbst Abhilfe wegen eines Mangels der Reiseleistung der Beklagten geschaffen zu haben, sondern auch insoweit Schadensersatz wegen Vereitelung der Reise begehrt hat. Ist die Reise jedoch insgesamt vereitelt worden, können die Aufwendungen für die unternommene Floridareise nicht gleichzeitig eine Abhilfemaßnahme darstellen.

§ 651 c BGB

(1) Der Reise­ver­an­stalter ist verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern.

(2) 1 Ist die Reise nicht von dieser Beschaffenheit, so kann der Reisende Abhilfe verlangen. 2 Der Reise­ver­an­stalter kann die Abhilfe verweigern, wenn sie einen unver­hält­nis­mäßigen Aufwand erfordert.

(3) 1 Leistet der Reise­ver­an­stalter nicht innerhalb einer vom Reisenden bestimmten angemessenen Frist Abhilfe, so kann der Reisende selbst Abhilfe schaffen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen. 2 Der Bestimmung einer Frist bedarf es nicht, wenn die Abhilfe von dem Reise­ver­an­stalter verweigert wird oder wenn die sofortige Abhilfe durch ein besonderes Interesse des Reisenden geboten wird.

§ 651 f BGB

(1) Der Reisende kann unbeschadet der Minderung oder der Kündigung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, es sei denn, der Mangel der Reise beruht auf einem Umstand, den der Reise­ver­an­stalter nicht zu vertreten hat.

(2) Wird die Reise vereitelt oder erheblich beeinträchtigt, so kann der Reisende auch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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