21.11.2024
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Sie sehen Geld, auf dem das Wort „Insolvenz“ arrangiert wurde.

Dokument-Nr. 12506

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Urteil02.11.2011BundesgerichtshofX ZR 43/11 und X ZR 44/11
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MDR 2012, 270Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2012, Seite: 270
  • WM 2012, 368Wertpapier-Mitteilungen Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM), Jahrgang: 2012, Seite: 368
  • ZGS 2011, 532Zeitschrift für Vertragsgestaltung, Schuld- und Haftungsrecht (ZGS), Jahrgang: 2011, Seite: 532
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanzen:
  • Landgericht Hamburg, Urteil19.08.2010, 334 O 249/09 und 334 O 250/09
  • Oberlandesgericht Hamburg, Urteil29.03.2011, 9 U 154/10 und 9 U 155/10
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil02.11.2011

Siche­rungs­schein schützt auch bei Reiseabsage mangels Nachfrage und zeitlich später eintretender InsolvenzBundes­ge­richtshof zum Umfang des Insol­venz­schutzes bei Pauschalreisen

Ein Reisender, zu dessen Gunsten ein Reisepreis­versicherungs­vertrag gemäß § 651 k BGB abgeschlossen wurdet, ist auch gegen das Risiko absichert, dass nach einer Absage der Reise durch den Reise­ver­an­stalter sein Anspruch auf Rückzahlung des vorausbezahlten Reisepreises aufgrund der Insolvenz des Reise­ver­an­stalters nicht mehr realisiert werden kann. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor.

Die Kläger des zugrunde liegenden Falls buchten Anfang 2009 über einen Reiseveranstalter eine Kreuzfahrt, die Anfang 2010 hätte stattfinden sollen. Sie überwiesen, nachdem sie einen "Siche­rungs­schein für Pauschalreisen gemäß § 651 k des Bürgerlichen Gesetzbuches" des nunmehr verklagten Hamburger Versicherers erhalten hatten, jeweils über 7.400 Euro an den Reise­ver­an­stalter. Anfang August 2009 teilte der Reise­ver­an­stalter den Klägern mit, dass die Reise mangels Nachfrage nicht stattfinde. Bereits einen Monat später wurde durch das Insol­venz­gericht die vorläufige Verwaltung des Vermögens des Reise­ver­an­stalters angeordnet, Anfang Dezember 2009 das Insol­venz­ver­fahren eröffnet. Zur Rückzahlung des Reisepreises durch den Reise­ver­an­stalter kam es nicht mehr.

Versicherer lehnt Rückzahlung des Reisepreises ab und sieht Mitverschulden beim Kläger

Der beklagte Versicherer lehnte eine Erstattung jedoch ab. Die Reise sei nicht aufgrund der Insolvenz des Reise­ver­an­stalters ausgefallen, sondern weil sie von diesem mangels Nachfrage abgesagt worden sei. Das Risiko, dass der dadurch ausgelöste Rückzah­lungs­an­spruch wegen Insolvenz des Reise­ver­an­stalters nicht mehr realisiert werden könne, werde vom Wortlaut des Siche­rungs­scheins, der der gesetzlichen Formulierung in § 651 k BGB folge, nicht erfasst. Ferner treffe die Kläger ein Mitverschulden, weil sie den Reisepreis bereits ein Jahr vor Beginn der Reise beglichen hätten, ohne dass sie hierzu verpflichtet gewesen seien. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Versicherung hatte keinen Erfolg.

Reise­preis­ver­si­che­rungs­vertrag umfasst auch Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises bei Insolvenz des Reise­ver­an­stalters

Der unter anderem für das Reiserecht zuständige X. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat diese Entscheidungen bestätigt. Ein Reisender, zu dessen Gunsten ein Reise­preis­ver­si­che­rungs­vertrag gemäß § 651 k des Bürgerlichen Gesetzbuches abgeschlossen worden ist, ist damit – so der Bundes­ge­richtshof – auch gegen das Risiko absichert, dass nach einer Absage der Reise durch den Reise­ver­an­stalter sein Anspruch auf Rückzahlung des vorausbezahlten Reisepreises aufgrund der Insolvenz des Reise­ver­an­stalters nicht mehr realisiert werden kann.

Kausalität der Insolvenz für Reiseausfall muss weder nach europäischen noch nach deutschem Recht bestehen

§ 651 k BGB ist auch auf diese Fallgestaltung anzuwenden, weil der deutsche Gesetzgeber die Vorgaben aus Art. 7 der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen vollständig umsetzen wollte. Art. 7 der Richtlinie erfasst eindeutig auch den vorliegenden Fall, weil die Richtlinie vorschreibt, dass der Reise­ver­an­stalter für den Fall seiner Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz die Erstattung gezahlter Beträge und die Rückreise des Verbrauchers sicherzustellen hat. Eine Kausalität der Insolvenz für den Reiseausfall muss daher weder nach europäischen noch nach deutschem Recht bestehen, es reicht vielmehr aus, dass infolge der Insolvenz dem Reisenden vom Veranstalter der vorausgezahlte Preis für die ausgefallene Reise nicht erstattet werden kann und der insolvente Reise­ver­an­stalter naturgemäß auch zur Durchführung der Reise nicht mehr in der Lage ist. In diesem Sinne sind auch die zu Gunsten der Kläger abgeschlossenen Reise­preis­ver­si­che­rungs­verträge zwischen dem Reise­ver­an­stalter und dem beklagten Versicherer auszulegen, weil sie in ihren allgemeinen Versi­che­rungs­be­din­gungen auf die gesetzliche Regelung Bezug nehmen.

BGH verneint Notwendigkeit der Vorlage an den EuGH

Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung der Pauschalreise-Richtlinie hat der Senat wegen des klaren Wortlauts des Art. 7 und der bereits ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht für notwendig erachtet.

§ 651 k BGB lautet (auszugsweise):

"(1)Der Reise­ver­an­stalter hat sicherzustellen, dass dem Reisenden erstattet werden

1.der gezahlte Reisepreis, soweit Reiseleistungen infolge Zahlungs­un­fä­higkeit oder Eröffnung des Insol­venz­ver­fahrens über das Vermögen des Reise­ver­an­stalters ausfallen, und

2.notwendige Aufwendungen, die dem Reisenden infolge Zahlungs­un­fä­higkeit oder Eröffnung des Insol­venz­ver­fahrens über das Vermögen des Reise­ver­an­stalters für die Rückreise entstehen.

Die Verpflichtungen nach Satz 1 kann der Reise­ver­an­stalter nur erfüllen

1. durch eine Versicherung bei einem im Geltungsbereich dieses Gesetzes zum Geschäfts­betrieb befugten Versi­che­rungs­un­ter­nehmen oder

2. durch ein Zahlungs­ver­sprechen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzes zum Geschäfts­betrieb befugten Kreditinstituts.

(2) …

(3) Zur Erfüllung seiner Verpflichtung nach Absatz 1 hat der Reise­ver­an­stalter dem Reisenden einen unmittelbaren Anspruch gegen den Kunden­geldab­si­cherer zu verschaffen und durch Übergabe einer von diesem oder auf dessen Veranlassung ausgestellten Bestätigung (Siche­rungs­schein) nachzuweisen. …

(4) Reise­ver­an­stalter und Reisevermittler dürfen Zahlungen des Reisenden auf den Reisepreis vor Beendigung der Reise nur fordern oder annehmen, wenn dem Reisenden ein Siche­rungs­schein übergeben wurde. …"

Art. 7 der Richtlinie lautet:

"Der Veranstalter und/oder Vermittler, der Vertragspartei ist, weist nach, dass im Fall der Zahlungs­un­fä­higkeit oder des Konkurses die Erstattung gezahlter Beträge und die Rückreise des Verbrauchers sichergestellt sind."

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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