18.10.2024
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Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.

Dokument-Nr. 12054

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Urteil22.02.2005BundesgerichtshofX ZR 123/03
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MDR 2005, 1217Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2005, Seite: 1217
  • MMR 2005, 447Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR), Jahrgang: 2005, Seite: 447
  • NJW-RR 2005, 1082Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2005, Seite: 1082
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ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil22.02.2005

Branchen­buchabzocke: BGH stellt hohe Anforderungen an Nachweis der ArglistKaufleute und Unternehmer müssen sich vor Unterzeichnung eines Schriftstücks erschöpfend von dessen Inhalt überzeugen - auch hinsichtlich des Kleingedruckten

Der Bundes­ge­richtshof stellt hohe Anforderungen an den Nachweis der Arglist. Wer einen von ihm unterzeichneten Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten will, muss hohe Hürden überwinden. Andererseits stellt der Bundes­ge­richtshof aber auch klar, dass die Beurteilung immer eine Einzel­fa­l­l­ent­scheidung des jeweiligen Tatrichters ist. Ein Urteil ist also nicht ohne weiteres auf einen anderen Fall übertragbar.

Der Bundes­ge­richtshof hat die Revision einer Klägerin zurückgewiesen, die mit ihrer Klage gegen die Betreiberin eines Branchenbuchs bzw. Internet-Adress­ver­zeich­nisses unterlegen war. Sie hatte gerichtlich feststellen lassen wollen, dass der von ihr unterzeichnete Vertrag über die Eintragung ihres Unternehmens in das Adress­ver­zeichnis wegen arglistiger Täuschung habe angefochten werden können und deshalb unwirksam sei. Der zuständige Richter am Amtsgericht entschied jedoch, dass die Arglist der Betreiberin des Verzeichnisses nicht nachgewiesen sei.

Irrtum allein begründet kein Anfech­tungsrecht wegen arglistiger Täuschung - Dem Täuschenden muss Vorsatz nachgewiesen werden

Diese Auffassung teilten auch die übergeordneten Instanzgerichte. Der Bundes­ge­richtshof wies die Revision in letzter Instanz zurück. Die Richter gaben der Klägerin zunächst insoweit Recht, als sie bei Vertrags­un­ter­zeichnung dem Irrtum erlegen sei, kein Angebot zu einem entgeltlichen Vertrag über eine Laufzeit von zwei Jahren erhalten zu haben und mit der Unterzeichnung des als "Offerte" bezeichneten Vertrags keine Zahlungs­ver­pflichtung und keine Bindung über zwei Jahre einzugehen.

"Offerte" über Branchen­bu­cheintrag enthielt erhebliches Irrefüh­rungs­po­tential

Die Richter gaben der Klägerin auch insoweit Recht, als das Anschreiben der Beklagten geeignet gewesen sei, diesen Irrtum bei der Klägerin hervorzurufen und hierdurch deren Entschließung zur Unterzeichnung des Angebots zu beeinflussen. Es sei nicht zu verkennen, dass die "Offerte" durch ihre Gestaltung erhebliches Irrefüh­rungs­po­tential enthalte.

Eigene Unauf­merk­samkeit schließt Anfech­tungsrecht nicht von vornherein aus

Auch schließe eine Unauf­merk­samkeit der Klägerin, die der ihr obliegenden Sorgfalts­pflicht zuwiderlaufe, eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht aus. Denn Ziel der gesetzlichen Anfech­tungs­re­gelung in § 123 BGB sei es, einem auf Täuschungs­willen beruhenden Verhalten zu begegnen. Deshalb müsse auch der anfechten können, der dem Täuschenden die Irreführung leicht gemacht habe.

Hatte Branchen­buch­be­treiberin Täuschungs­willen?

Die Beantwortung der Frage, ob ein Anfech­tungsrecht bestehe, hänge aber letztlich davon ab, ob die Beklagte die "Offerte" in dem Bewusstsein, dass sie sich zur Irreführung und Beeinflussung eigne, und mit dem Willen, den Adressaten zu täuschen, der Klägerin zugesandt habe. Die Klägerin müsse also Tatsachen aus dem subjektiven Bereich des menschlichen Handelns nachweisen. Ein unmittelbarer Beweis subjektiver Tatsachen sei aber nicht möglich. Deshalb sei das Wissen und Wollen des Anfech­tungs­gegners vielmehr in aller Regel aus den objektiv feststellbaren Umständen des jeweiligen Falls zu schließen. In dem zu entscheidenden Einzelfall seien entsprechende Umstände aber nicht nachgewiesen.

BGH stellt Fallgruppen auf, in denen aus dem Anschreiben auf Täuschungs­willen geschlossen werden kann

Entsprechende Umstände, aus denen auf eine Täuschung durch ein Anschreiben geschlossen werden könne, sind nach der BGH-Rechtsprechung folgende: Enthält das Schreiben objektiv unrichtige Angaben, kann darauf auf den erforderlichen subjektiven Tatbestand geschlossen werden. Ein weiterer anerkannter Fall ist die Aufmachung des Angebots­schreibens in der Art einer Rechnung, bei dem klein gedruckte Hinweise auf den Angebot­s­cha­rakter völlig in den Hintergrund treten. Und drittens kann auf den erforderlichen Täuschungs­willen dann geschlossen werden, wenn für den Adressaten erkennbar wichtige Umstände verschwiegen sind, obwohl eine Offen­ba­rungs­pflicht besteht.

War Irreführung beabsichtigt, oder beruht sie bloß auf ungeschickter Formulierung?

Das zu beurteilende Schreiben in dem zugrunde liegenden Fall erfüllte aber keine dieser Voraussetzungen. Alle maßgeblichen Angaben waren vollständig und richtig enthalten. Deshalb sei zu entscheiden, ob aus der Art und Weise, wie diese Umstände in dem Anschreiben dargestellt waren, auf den erforderlichen Täuschungs­willen geschlossen werden könne. Jedoch könne ein Täuschungswille nicht schon deshalb angenommen werden, weil die Darstellung zur Irreführung geeignet sei. Eine irreführende Darstellung könne schließlich auch auf einer bloß ungeschickten Formulierung beruhen, und nicht auf Arglist.

Konnte Branchen­buch­be­treiber Irrefüh­rungs­mög­lichkeit erkennen?

Bei lediglich irreführender Darstellung komme es deshalb vor allem darauf an, wie stark die maßgeblichen Punkte verzerrt oder entstellt wiedergegeben seien und ob vom Absender wegen des Grades der Verzerrung oder Entstellung hätte erwartet werden können, dass die Adressaten die wahren Umstände nicht richtig oder vollständig erkennen können.

Abwägung ist Einzel­fa­l­l­ent­scheidung des Tatrichters

Die hiernach erforderliche Abwägung im Einzelfall sei Sache des Tatrichters. Dieser sei in hiesigem Fall zu dem Ergebnis gekommen, dass die Irrefüh­rungs­gefahr nicht von solchem Gewicht sei, dass auf eine arglistige Täuschung geschlossen werden könne. Auch könne schon eine Tatsa­chen­ent­stellung verneint werden. Denn das Anschreiben betreffe immerhin den kaufmännischen Verkehr, der beinhalte, dass sich der Unternehmer vor rechts­ver­bind­licher Unterzeichnung eines Schriftstücks erschöpfend - auch was das so genannte Kleingedruckte anbelange - zu vergewissern habe, welche Wirkungen hierdurch hervorgerufen werden.

Quelle: ra-online, Bundesgerichtshof (vt/we)

der Leitsatz

BGB § 123 Abs. 1

Zur Anfechtung wegen Arglist, wenn das zugesandte Angebots­schreiben zur Irreführung geeignete Angaben hinsichtlich der Entgeltlichkeit und der Laufzeit des abzuschlie­ßenden Vertrags enthält.

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