23.11.2024
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Sie sehen ein Flugzeug am Himmel.

Dokument-Nr. 23215

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Urteil27.09.2016BundesgerichtshofX ZR 107/15, X ZR 141/15
Vorinstanz zu X ZR 107/15:
  • Amtsgericht München, Urteil21.11.2014, 121 C 25717/13
  • Landgericht München I, Urteil25.08.2015, 30 S 25399/14
Vorinstanz zu X ZR 141/15:
  • Amtsgericht München, Urteil20.02.2015, 281 C 9715/14
  • Landgericht München I, Urteil27.10.2015, 13 S 5113/14
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil27.09.2016

Umbuchungs­kosten: BGH zu Mehrkosten bei Eintritt einer anderen Person in den ReisevertragUmbuchungs­angebot mit Mehrkosten keine schuldhafte Verletzung von Vertrags­pflichten

Die Übertragung einer Reiseleistung auf einen Dritten muss vom Reise­ver­an­stalter ermöglicht werden. Die Mehrkosten muss jedoch der Reise­ver­an­stalter nicht selbst tragen, sondern kann den Kunden oder den Dritten damit belasten. Dies hat der Bundes­ge­richtshof in zwei Fällen entscheiden.

In den vorliegenden Fällen stritten die Parteien um die Frage, ob der Reiseveranstalter bei Eintritt eines Dritten in den Reisevertrag den Kunden mit denjenigen Mehrkosten belasten darf, die sich daraus ergeben, dass die Tarif­be­din­gungen der Luftver­kehrs­un­ter­nehmen typischerweise nach bestätigter Buchung keinen Wechsel in der Person des Fluggastes ("name change") zulassen und deshalb eine neue Flugbuchung erfordern.

X ZR 107/15: Rücktritt vom Reisevertrag aufgrund erheblicher Mehrkosten bei Umbuchung

Der Kläger im vorliegenden Fall buchte bei der beklagten Reise­ver­an­stalterin für seine Eltern eine einwöchige Reise von Hamburg nach Dubai zu einem Gesamtpreis von 1.398 €. Die Luftbeförderung zum Reiseziel sollte nach dem Vertrag mit einer Linien­flug­ge­sell­schaft erfolgen. Wegen einer Erkrankung seiner Mutter erkundigte sich der Kläger zwei Tage vor Abflug nach den Bedingungen eines Eintritts zweier anderer Personen in den Reisevertrag. Die Beklagte teilte ihm am nächsten Tag mit, dass eine Umbuchung entweder den Erwerb von Business-Class-Tickets mit Mehrkosten in Höhe von 1.850 € pro Person oder neuer Economy-Class-Tickets mit einer anderen Abflugzeit und Mehrkosten in Höhe von 725 € pro Person erfordere. Der Kläger trat daraufhin vom Reisevertrag zurück.

X ZR 141/15: Erwerb von neuen Flugtickets mit Mehrkosten bei Umbuchung erforderlich

In der Sache X ZR 141/15 buchten die Klägerin und ein vorgesehener Mitreisender, der der Klägerin seine Ansprüche abgetreten hat, bei der beklagten Reise­ver­an­stalterin eine zehntägige Reise von Berlin nach Phuket (Thailand) zu einem Gesamtpreis von 2.470 €. Die Luftbeförderung zum Reiseziel sollte wiederum mit einer Linien­flug­ge­sell­schaft erfolgen. Wegen einer Erkrankung des Mitreisenden bat die Klägerin zwei Tage vor Abflug um den Eintritt zweier anderer Personen in den Reisevertrag. Die Beklagte teilte ihr am nächsten Tag mit, dass eine Umbuchung den Erwerb neuer Flugtickets mit Mehrkosten in Höhe von 1.648 € pro Person erfordere. Die Klägerin und ihr Mitreisender traten daraufhin vom Reisevertrag zurück.

Volle Reise­prei­s­er­stattung von Klägern begehrt

In beiden Fällen stellte der Reise­ver­an­stalter den Kunden eine Rücktritt­s­ent­schä­digung in Höhe von 85 bzw. 90 % des Reisepreises in Rechnung und zahlte nur den restlichen Reisepreis zurück. Die Kläger verlangen jeweils Rückzahlung des vollen Reisepreises. Sie waren damit beim Amtsgericht erfolglos, das Berufungs­gericht hat hingegen den Klagen stattgegeben.

Berufungs­gericht nimmt schuldhafte Verletzung der Vertrags­pflichten des jeweiligen Reise­ver­an­stalters an

Es hat angenommen, dem Reise­ver­an­stalter sei ein Anspruch auf angemessene Entschädigung für den Verlust des Anspruchs auf den Reisepreis infolge des vom Kläger erklärten Rücktritts nach § 651 i Abs. 2 und 3 BGB* zu versagen, da die Beklagte den Rücktritt durch eine schuldhafte Verletzung ihrer Vertrags­pflichten verursacht habe. Mit dem Angebot, den Vertrag nur gegen erhebliche Mehrkosten auf andere Reisende zu übertragen, sei die Beklagte ihrer gesetzlichen Verpflichtung nach § 651 b Abs. 1 BGB** nicht nachgekommen, dem Reisenden eine solche Übertragung zu ermöglichen. Weder die - auf den von der Beklagten mit den Luftver­kehrs­un­ter­nehmen getroffenen Vereinbarungen beruhenden - höheren Kosten einer Beförderung in der Business Class noch die Kosten für den Erwerb neuer Economy-Class-Tickets gehörten zu den Mehrkosten, die der Reise­ver­an­stalter nach § 651 b Abs. 2 BGB** bei Eintritt eines Dritten in den Reisevertrag verlangen könne.

Aufhebung der Berufungs­urteile

Auf die Revision der beklagten Reise­ver­an­stalter hat der für das Reiserecht zuständigen X. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs die Berufungs­urteile aufgehoben und die klage­ab­wei­senden erstin­sta­nz­lichen Urteile wieder­her­ge­stellt.

Mehrkosten für Reise­über­tragung auf Dritten nicht vom Reise­ver­an­stalter zu tragen

Der Reise­ver­an­stalter muss dem Kunden zwar nach § 651 b Abs. 1 BGB** die Übertragung des Anspruchs auf die Reiseleistungen auf einen Dritten ermöglichen. Hierdurch entstehende Mehrkosten muss er jedoch nicht selbst tragen, sondern kann den Kunden und den Dritten damit belasten, die hierfür als Gesamtschuldner haften. Er ist auch nicht gezwungen, die vertraglichen Reiseleistungen so zu gestalten, dass sie für den Kunden möglichst kostengünstig auf einen Dritten übertragbar sind. Für den Streitfall bedeutet dies, dass der Reise­ver­an­stalter den Anspruch des Kunden auf Flugbeförderung im Rahmen der gebuchten Pauschalreise auch dadurch erfüllen kann, dass er für diesen bei einem Luftver­kehrs­un­ter­nehmen einen Flug zu einem Tarif bucht, der einen nachträglichen Wechsel der Person des Fluggastes nicht zulässt und typischerweise zu einem niedrigeren Preis erhältlich ist als Tarife, die eine größere Flexibilität gestatten. Der Reise­ver­an­stalter bleibt gleichwohl verpflichtet, dem Dritten auch in einem solchen Fall den Eintritt in den Reisevertrag zu ermöglichen. Die Kosten für den notwendigen Erwerb eines neuen Flugscheins sind dann jedoch Mehrkosten im Sinne des § 651 b Abs. 2 BGB**. Auch wenn sie insbesondere den Eintritt eines Dritten kurz vor Reisebeginn, wie er in den Streitfällen in Rede stand, wirtschaftlich unattraktiv machen können, rechtfertigt dieser Umstand es nicht, derartige Mehrkosten den Reise­ver­an­stalter tragen zu lassen.

Erläuterungen

* § 651 i BGB - Rücktritt vor Reisebeginn

(1) Vor Reisebeginn kann der Reisende jederzeit vom Vertrag zurücktreten.

(2) Tritt der Reisende vom Vertrag zurück, so verliert der Reise­ver­an­stalter den Anspruch auf den vereinbaren Reisepreis. Er kann jedoch eine angemessene Entschädigung verlangen. Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich nach dem Reisepreis unter Abzug des Wertes der vom Reise­ver­an­stalter ersparten Aufwendungen sowie dessen, was er durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen erwerben kann.

(3) Im Vertrag kann für jede Reiseart unter Berück­sich­tigung der gewöhnlich ersparten Aufwendungen und des durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen gewöhnlich möglichen Erwerbs ein Vomhundertsatz des Reisepreises als Entschädigung festgesetzt werden.

** § 651 b BGB - Vertrags­über­tragung

(1) Bis zum Reisebeginn kann der Reisende verlangen, dass statt seiner ein Dritter in die Rechte und Pflichten aus dem Reisevertrag eintritt. Der Reise­ver­an­stalter kann dem Eintritt des Dritten widersprechen, wenn dieser den besonderen Reiseer­for­der­nissen nicht genügt oder seiner Teilnahme gesetzliche Vorschriften oder behördliche Anordnungen entgegenstehen.

(2) Tritt ein Dritter in den Vertrag ein, so haften er und der Reisende dem Reise­ver­an­stalter als Gesamtschuldner für den Reisepreis und die durch den Eintritt des Dritten entstehenden Mehrkosten.

Quelle: Bundesgerichtshof/ ra-online

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