21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil13.06.2022

BGH erlaubt "Sammel­klagen­inkassos" für Schweizer Erwerber im DieselskandalAbtretung der Forderungen auch nicht nach § 134 BGB nichtig

Der VIa. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat entschieden, dass ein Inkasso­dienst­leister sich wirksam Schadens­ersatz­forderungen abtreten lassen kann, deren sich Schweizer Erwerber von Kraftfahrzeugen gegen die beklagte Volkswagen AG berühmen.

Ein Schweizer mit Wohnsitz in der Schweiz, kaufte im Februar 2015 in der Schweiz von einer Schweizer Vertrags­händlerin der beklagten Fahrzeug­her­stellerin einen VW Tiguan mit Erstzulassung 2015. In das Fahrzeug ist ein Dieselmotor der Baureihe EA 189 eingebaut. Der Motor war mit einer Software ausgestattet, die erkannte, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wurde. In diesem Fall schaltete sie vom regulären Abgas­rü­ck­füh­rungsmodus in einen Stickoxid-optimierten Abgas­rü­ck­füh­rungsmodus 1 (Prüfstan­der­ken­nungs­software). Es ergaben sich dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Das Kraftfahrt-Bundesamt bewertete diese Software als unzulässige Abschalt­ein­richtung und ordnete für die betroffenen Fahrzeuge einen Rückruf an. In der Schweiz erließ das Bundesamt für Straßen (ASTRA) im Oktober 2015 ein vorläufiges Zulas­sungs­verbot für bestimmte Fahrzeuge mit Dieselmotoren der Baureihe EA 189, von dem das Fahrzeug des Zedenten nicht betroffen war. Der Erwerber ließ Ende 2016 ein Software-Update aufspielen.

Erwerber trat Forderungen gegen VW an Inkas­so­dienst­leister ab

Am 18. Dezember 2017 trat der Erwerber seine Forderungen gegen die Beklagte an die Klägerin, eine nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Rechts­dienst­leis­tungs­gesetz (RDG) registrierte Inkas­so­dienst­leisterin in der Rechtsform einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung, treuhänderisch zur Einziehung ab. Die Klägerin sollte die Forderung zunächst außer­ge­richtlich geltend machen. Im Falle des Scheiterns der außer­ge­richt­lichen Geltendmachung sollte die Klägerin die Ansprüche im eigenem Namen gerichtlich geltend machen, wobei ihr im Erfolgsfall eine Provision zukommen sollte. Der Erwerber sollte für etwaige Kosten der Rechts­ver­folgung nicht aufkommen müssen. Die Klägerin, die sich in über 2000 Fällen in entsprechender Weise Forderungen von Schweizer Erwerbern treuhänderisch zur Einziehung hat abtreten lassen, hat bei dem Landgericht 2019 eine Klage erhoben, in der sie sämtliche Forderungen zum Gegenstand von Feststel­lungs­be­gehren gemacht hat. Das Landgericht hat das Verfahren die Ansprüche des einen Erwerbers betreffend abgetrennt. Auf richterlichen Hinweis hat die Klägerin sodann ihren Antrag umgestellt und die Beklagte auf Zahlung eines der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Betrags, mindestens jedoch CHF 5.394 (15 % des Kaufpreises als Minderwert) zuzüglich Zinsen ab Übergabe des Fahrzeugs, in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungs­gericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Revision erfolgreich

Zur Begründung hatte das Berufungs­gericht ausgeführt, der Klägerin fehle für die Geltendmachung der Schaden­s­er­satz­for­derung des Erwerbers die Aktivlegitimation. Die Klägerin habe für die Geltendmachung der Forderung, die Schweizer Recht unterfalle, einer Erlaubnis nicht nur - wie vorhanden - nach § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, sondern nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RDG bedurft, über die sie nicht verfüge. Folge des Fehlens der Erlaubnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RDG sei, dass die Klägerin durch ihr Tätigwerden gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstoßen habe. Dieser Verstoß führe nicht nur zur Nichtigkeit des der Abtretung zugrun­de­lie­genden schuld­recht­lichen Dienst­leis­tungs­vertrags mit dem Zedenten, sondern auch zur Nichtigkeit der Forde­rungs­ab­tretung. Die vom Berufungs­gericht zugelassene Revision der Klägerin hatte Erfolg. Der Bundes­ge­richtshof hat anhand einer am Wortlaut, an der Systematik und an Sinn und Zweck des Rechts­dienst­leis­tungs­ge­setzes sowie an der Gesetz­ge­bungs­ge­schichte orientierten Auslegung klargestellt, dass ein nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG registrierter Inkas­so­dienst­leister auch dann keiner weiteren Erlaubnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RDG bedarf, wenn er eine ihm treuhänderisch übertragene und einem ausländischen Sachrecht unterfallende Forderung außer­ge­richtlich geltend macht.

Zusätzlichen Erlaubnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RDG nicht erforderlich

Dabei hat der Bundes­ge­richtshof die Entscheidungen des VIII. Zivilsenats vom 27. November 2019 (VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89) und des II. Zivilsenats vom 13. Juli 2021 (II ZR 84/20, BGHZ 230, 255) berücksichtigt. Darüber hinaus hat der Bundes­ge­richtshof entschieden, dass das Abhängigmachen der Tätigkeit der Klägerin von einer zusätzlichen Erlaubnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RDG zur Erreichung des Schutzzwecks des Rechts­dienst­leis­tungs­ge­setzes nicht erforderlich ist. Weil sich schon deshalb die Auffassung des Berufungs­ge­richts als rechts­feh­lerhaft erwies, der Klägerin fehle wegen einer aus einem Verstoß gegen das Rechts­dienst­leis­tungs­gesetz folgenden Nichtigkeit der Abtretung die Aktiv­le­gi­ti­mation, hat der Bundes­ge­richtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen. Das Berufungs­gericht wird sich nunmehr mit der inhaltlichen Berechtigung der Forderung des Zedenten zu befassen haben.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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