21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 28726

Drucken
ergänzende Informationen

Landgericht Braunschweig Urteil30.04.2020

LG Braunschweig weist Schaden­s­er­satzklage des Rechts­dienst­leisters Financialright gegen VW abSchwerer Verstoß gegen das Grundprinzip des RDG begründet Nichtigkeit der Abtretung

Das LG Braunschweig hat entschieden, dass die Abtretung der Ansprüche eines Schweizer Autokäufers an den Rechts­dienst­leister Financialright wegen Schaden­s­er­satzes gegen VW als Herstellerin im Zusammenhang mit dem "Diesel-Abgasskandal" wegen Überschreitung der Inkasso­dienstleistungs­befugnis nichtig ist.

Gegenstand des Verfahrens war der fiduziarisch abgetretene Anspruch eines einzelnen Schweizer Autokäufers, der in der Schweiz ein Fahrzeug der Beklagten mit einem Dieselmotor vom Typ EA189 gekauft haben soll. Dieser Anspruch war zuvor aus Prakti­ka­bi­li­täts­gründen aus der Ende Dezember 2017 eingegangenen „Sammelklage“, mit der die Klägerin Ansprüche von insgesamt 2004 Schweizern mit einem Streitwert von mehr als 800.000 Euro im Wege der objektiven Klagehäufung geltend gemacht hatte (Az. 11 O 3136/17), abgetrennt worden.

Überschreitung der Befugnisse zur Erbringung von Inkas­so­dienst­leis­tungen führt zur Nichtigkeit der Abtretung

Nach den Ausführungen der Kammer sei die Klägerin – ihre Darlegungen zum Kauf des Fahrzeugs und zur Abtretung unterstellt - nicht aktiv­le­gi­timiert, weil die streit­ge­gen­ständliche Abtretung wegen Verstoßes gegen § 3 RDG (Rechts­dienst­leis­tungs­gesetz) gemäß § 134 BGB nichtig sei. Mit dem streit­ge­gen­ständ­lichen Geschäftsmodell überschreite die Klägerin die Befugnisse zur Erbringung von Inkas­so­dienst­leis­tungen. Als Folge führe dies zur Nichtigkeit der Abtretung.

Erbringung von Rechts­dienst­leis­tungen im Schweizer Recht nicht von deutscher Erlaubnis gedeckt

Die Klägerin verfüge über eine deutsche Inkassoerlaubnis und sei entsprechend seit dem 23.10.2014 in Deutschland im Rechts­dienst­leis­tungs­re­gister eingetragen. Die Erbringung von Rechts­dienst­leis­tungen im ausländischen – Schweizer – Recht durch die Klägerin führe nach Ansicht der Kammer zu einem Wertungs­wi­der­spruch, der in der Annahme der Überschreitung der Dienst­leis­tungs­be­fugnis münde.

Kenntnisse der Klägerin im Schweizer Recht weder geprüft noch nachgewiesen

Im Rahmen des Regis­trie­rungs­vor­ganges seien Kenntnisse im Schweizer Recht nicht abverlangt, geprüft und für genügend befunden worden. Dennoch erbringe die Klägerin im Rahmen ihres streit­ge­gen­ständ­lichen Geschäfts­modells Rechts­dienst­leis­tungen im Schweizer Recht. Jedenfalls auf die seitens der Klägerin primär (wenn nicht gar ernsthaft ausschließlich) verfolgten deliktischen Ansprüche sei schweizerisches Recht anzuwenden.

Überschreitung der Inkas­so­dienst­leis­tungs­be­fugnis führt nicht automatisch zur Nichtigkeit der Abtretung

Das Gericht führt weiter aus, dass die vorgenannte Überschreitung der Inkas­so­dienst­leis­tungs­be­fugnis gem. § 134 BGB zur Nichtigkeit der Abtretung führe. Zwar habe nicht ohne weiteres bereits jede auch geringfügige Überschreitung der Inkas­so­dienst­leis­tungs­be­fugnis stets auch die Nichtigkeit der auf die Verletzung des Rechts­dienst­leis­tungs­ge­setzes gerichteten Rechtsgeschäfte nach § 134 BGB zur Folge. So könne es Fälle geben, bei denen die Überschreitung der Inkas­so­dienst­leis­tungs­be­fugnis so geringfügig sei, dass noch nicht einmal ein Verstoß gegen § 3 RDG vorliege. Daneben könne es Fälle geben, bei denen ein solcher Verstoß zwar vorliege, aber aufgrund einer verfas­sungs­gemäßen Auslegung und Anwendung des § 134 BGB jedenfalls eine Nichtigkeit der diesem Verstoß zugrun­de­lie­genden Rechtsgeschäfte aus Gründen der Verhält­nis­mä­ßigkeit nicht angenommen werden könne. Selbst wenn eine eindeutige, nicht nur geringfügige Überschreitung der Inkas­so­dienst­leis­tungs­be­fugnis vorliege, sei eine Nichtigkeit gem. § 134 BGB – bei objektiver Betrachtung – schließlich nur in der Regel anzunehmen.

Überschreitung der Dienst­leis­tungs­be­fugnis stellt schwerwiegenden Verstoß gegen das Grundprinzip des RDG dar

Der vorliegende Verstoß stelle einen schwerwiegenden Verstoß im Sinne der Rechtsprechung dar, weil gegen das "Grundprinzip" des RDG – "Befugnis besteht nur, soweit Kenntnisse verlangt, überprüft und für genügend befunden wurden" – verstoßen worden sei.

Quelle: Landgericht Braunschweig, ra-online (pm/ab)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil28726

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI