24.11.2024
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Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.

Dokument-Nr. 23274

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Bundesgerichtshof Urteil12.10.2016

Online-Handel: Verkäufer steht bei Verbrau­cher­wi­derruf eines Katalysator-Kaufs nach erfolgtem Einbau und Probefahrt Werter­satz­an­spruch zuVerbrauchern im Onlinehandel haben bei Warentest und -begutachtung nicht mehr Rechte als Käufern im Ladengeschäft

Der Bundes­ge­richtshof hatte sich in einer Entscheidung mit der Frage zu befassen, ob ein Verbraucher, der einen im Onlinehandel erworbenen Katalysator in sein Fahrzeug einbaut und anschließend eine Probefahrt unternimmt, nach dem daraufhin erfolgten Widerruf seiner Kauferklärung verpflichtet ist, dem Verkäufer Wertersatz für die bei der zurückgegebenen Sache eingetretene Verschlech­terung zu leisten.

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens bestellte im Jahr 2012 über die Internetseite der Beklagten, die einen Online-Shop für Autoteile betreibt, einen Katalysator nebst Montagesatz zum Preis von insgesamt 386,58 Euro. Nach Erhalt ließ er den Katalysator von einer Fachwerkstatt in sein Kraftfahrzeug einbauen. Als er nach einer kurzen Probefahrt feststellte, dass der Pkw nicht mehr die vorherige Leistung erbrachte, widerrief er fristgerecht seine auf den Abschluss eines Kaufvertrags gerichtete Willen­s­er­klärung und sandte den Katalysator, der nunmehr deutliche Gebrauchs- und Einbauspuren aufwies, an die Beklagte zurück. Diese teilte ihm daraufhin mit, der Katalysator sei durch die Ingebrauchnahme wertlos geworden, weswegen sie mit einem entsprechenden Werter­satz­an­spruch aufrechne und den Kaufpreis nicht zurückerstatten werde.

Verfahrensgang

Das Amtsgericht gab der auf Rückzahlung gerichteten Klage in vollem Umfang statt. Auf Berufung der Beklagten änderte das Landgericht das erstin­sta­nzliche Urteil ab und gab der Klage nur teilweise statt, weil die Beklagte gegen den Rückzah­lungs­an­spruch wirksam mit einem Werter­satz­an­spruch gemäß § 357 Abs. 3 BGB aF* wegen der am Katalysator eingetretenen Verschlech­te­rungen aufgerechnet habe.

Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin weiterhin die vollständige Rückzahlung des Kaufpreises, während die Beklagte mit ihrer Anschluss­re­vision einen noch höheren Wertverlust des Katalysators berücksichtigt wissen will.

Verbrauchern ist beim Fernabsatz vor Ausübung des Widerrufsrechts kein werter­satz­freier Umgang mit Kaufsache gestattet

Der Bundes­ge­richtshof entschied, dass dem Verbraucher beim Fernabsatz vor der Ausübung seines Widerrufsrechts kein werter­satz­freier Umgang mit der Kaufsache gestattet ist, der nicht nur zu Verschlech­terung der Ware führt, sondern auch über die Maßnahmen hinausgeht, die zum Ausgleich ihm entgangener Erkennt­nis­mög­lich­keiten im stationären Handel erforderlich sind.

Verbraucher darf bei Fernab­satz­ge­schäften Kaufsache vor Entscheidung über Ausübung des Widerrufsrechts grundsätzlich einer Prüfung unterziehen

Zwar entspricht es der erklärten Zielsetzung des nationalen und europäischen Gesetzgebers, dass der Verbraucher bei Fernab­satz­ge­schäften die Kaufsache vor Entscheidung über die Ausübung seines Widerrufsrechts nicht nur in Augenschein nehmen darf, sondern diese darüber hinaus auch einer Prüfung auf ihre Eigenschaften und ihre Funktionsweise unterziehen kann, ohne eine Inanspruchnahme für einen hieraus resultierenden Wertverlust befürchten zu müssen (§ 357 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB aF*). Dies dient der Kompensation von Nachteilen aufgrund der dem Verbraucher im Fernabsatz entgehenden Prüfungs- und sonstigen Erkennt­nis­mög­lich­keiten, die im stationären Handel gegeben wären. Auch wenn der Kunde im Ladengeschäft die Ware häufig nicht auspacken, aufbauen und ausprobieren kann, stehen ihm dort doch typischerweise Musterstücke sowie Vorführ- und Beratungs­mög­lich­keiten zur Verfügung, um sich einen unmittelbaren Eindruck von der Ware und ihren Eigenschaften zu verschaffen.

Waren wie Katalysatoren sind auch für Käufer im Ladengeschäft regelmäßig nicht auf ihre Funktion überprüfbar

Jedoch ist eine Ware, die - wie vorliegend der Katalysator - bestim­mungsgemäß in einen anderen Gegenstand eingebaut werden soll, für den Käufer auch im Ladengeschäft regelmäßig nicht auf ihre Funktion im Rahmen der Gesamtsache überprüfbar. Den streit­ge­gen­ständ­lichen Katalysator hätte der Kläger im stationären Handel nicht - auch nicht in Gestalt eines damit ausgestatteten Musterfahrzeugs - dergestalt ausprobieren können, dass er dessen Wirkungsweise auf sein oder ein vergleichbares Kraftfahrzeug nach Einbau hätte testen können. Vielmehr wäre der Kläger bei einem Kauf im stationären Handel darauf beschränkt gewesen, das ausgewählte Kataly­sa­tor­modell oder ein entsprechendes Musterstück eingehend in Augenschein zu nehmen und den Katalysator mit Alter­na­tiv­mo­dellen oder dem bisher verwendeten Teil zu vergleichen. Darüber hinaus hätte er sich beim Verkaufs­personal gegebenenfalls über die technische Daten des ausgewählten Modells erkundigen und sich über dessen Vorzüge oder Nachteile gegenüber anderen Modellen fachkundig beraten lassen können. Die vom Kläger ergriffenen Maßnahmen gehen über die Kompensation solcher ihm entgangener Erkennt­nis­mög­lich­keiten im Ladengeschäft hinaus. Sie stellen sich vielmehr als eine - wenn auch nur vorübergehende - Ingebrauchnahme des Katalysators dar, die ihm eine im stationären Handel unter keinen Umständen eröffnete Überprüfung der konkreten Auswirkungen des erworbenen Autoteils auf die Fahrweise seines Fahrzeugs in der Praxis verschaffen sollte. Eine solche Besserstellung des Verbrauchers im Onlinehandel ist weder vom nationalen noch vom europäischen Gesetzgeber beabsichtigt. Für die eingetretenen Verschlech­te­rungen stünde der Beklagten deshalb ein Werter­satz­an­spruch gegen den Kläger zu, falls - was bislang noch nicht festgestellt ist - auch die Voraussetzungen des § 357 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB aF** erfüllt wären.

Rückweisung der Sache an das Berufungs­gericht

Aus diesen Gründen hat der Bundes­ge­richtshof das Berufungsurteil aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen. Zwar ist das Berufungs­gericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger die Grenzen des ihm wertersatzfrei zuzubilligenden Prüfungsrechts überschritten hat. Jedoch fehlen bislang Feststellungen dazu, ob der Kläger bereits bei Vertragsschluss - was das Gesetz in § 357 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB aF** für einen Werter­satz­an­spruch des Verkäufers voraussetzte - spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf die Rechtsfolge einer möglichen Werter­satz­ver­pflichtung hingewiesen worden war.

*§ 357 BGB Rechtsfolgen des Widerrufs und der Rückgabe

[...]

(3) 1Der Verbraucher hat [...] Wertersatz für eine Verschlech­terung der Sache zu leisten,

1. soweit die Verschlech­terung auf einen Umgang mit der Sache zurückzuführen ist, der über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht und

2. wenn er spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist.

[...]

(in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung)

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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