18.10.2024
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Dokument-Nr. 11956

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Urteil13.07.2011BundesgerichtshofVIII ZR 339/10
Vorinstanzen:
  • Landgericht Zwickau, Urteil17.11.2009, 5 O 66/09
  • Oberlandesgericht Dresden, Urteil30.11.2010, 9 U 64/10
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Bundesgerichtshof Urteil13.07.2011

Fernw­är­me­lie­fer­verträge: Preis­an­pas­sungs­klauseln müssen neben Marktelementen auch Kostenelemente enthaltenBGH zur Wirksamkeit von Preis­an­pas­sungs­klauseln in Fernw­är­me­lie­fer­ver­trägen

Preis­an­pas­sungs­klauseln in Fernwä­re­me­lie­fer­ver­trägen sind nur dann gemäß § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV aF* zulässig, wenn sie neben einem Marktelement auch ein Kostenelement enthalten. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Falls ist ein Energie­ver­sor­gungs­un­ter­nehmen. Sie verlangt von der Beklagten, einer Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft, restliche Zahlung für die Lieferung von Fernwärme für die Jahre 2006 bis 2008. Die Klägerin erhöhte in diesem Zeitraum sowohl den Grundpreis als auch den Arbeitspreis wiederholt, dem trat die Beklagte entgegen und nahm Zahlungen nur auf der Basis der Ende des Jahres 2005 geltenden Preise vor. Die Parteien streiten im vorliegenden Rechtsstreit vorrangig um die Frage, ob die von der Klägerin vorgenommenen Preisänderungen wirksam sind. Insoweit enthält der Vertrag Preis­an­pas­sungs­formeln, die neben einem Lohnfaktor auf verschiedene vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte Indizes abstellen. Dieses sind für den verbrauchs­ab­hängigen Arbeitspreis ein Heizöl- und Gaspreisindex und für den Grundpreis der Erzeu­ger­prei­sindex für das inves­ti­ti­o­ns­gü­ter­pro­du­zierende Gewerbe. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, die Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg.

Neben Kosten­ent­wicklung auf dem Wärmemarkt müssen auch konkrete Erzeu­gungs­kosten bei einer Preisanpassung angemessen berücksichtigt werden

Die dagegen gerichtete Revision der beklagten Fernwärmekundin hatte Erfolg. Der Bundes­ge­richtshof hat seine Rechtsprechung bekräftigt, dass Preis­an­pas­sungs­klauseln nur dann gemäß § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV aF* (entspricht Abs. 4 nF) zulässig sind, wenn sie neben einem Marktelement auch ein Kostenelement enthalten. Nur hierdurch wird sichergestellt, dass neben der Kosten­ent­wicklung auf dem Wärmemarkt auch die konkreten Erzeu­gungs­kosten und daneben die Kosten für die Bereitstellung von Fernwärme (etwa Transport, Verteilung) bei einer Preisanpassung angemessen berücksichtigt werden.

Zur Orientierung an konkreten Kosten darf nicht alleine auf Preisindizes für eingesetzte Energieträger abgestellt werden

Dies erfordert, dass als Bemessungsgröße für den verbrauchs­ab­hängigen Arbeitspreis ein Indikator gewählt wird, der an die tatsächliche Entwicklung der konkreten Bezugskosten des bei der Wärmeerzeugung überwiegend eingesetzten Brennstoffs anknüpft. Eine Orientierung an den konkreten Kosten fehlt hingegen, wenn – wie hier – alleine auf Preisindizes für eingesetzte Energieträger abgestellt wird. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn sichergestellt ist, dass sich die konkreten Energie­be­zugs­kosten im Wesentlichen – wenn auch mit gewissen Spielräumen – in gleicher Weise entwickeln wie der Index. Da von den Vorinstanzen hierzu bislang keine Feststellungen getroffen worden sind, ist das Verfahren an das Berufungs­gericht zurückverwiesen worden.

Gesamtpreis darf sich nicht von kostenmäßigen Zusammenhängen lösen

Der Bundes­ge­richtshof hat weiter entschieden, dass die Verwendung des Erzeu­ger­prei­s­indexes in der Preis­an­pas­sungs­formel für den Grundpreis zur pauscha­li­sierten Erfassung der Investitions- und Vorhaltekosten des Energie­ver­sorgers im Grundsatz keinen Bedenken begegnet. Da § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV aF nicht verlangt, dass sich die Tarife spiegelbildlich zu der Kostenstruktur des Energie­ver­sorgers entwickeln, ist eine derartige Pauscha­li­sierung dann zulässig, wenn sich hierdurch der Gesamtpreis nicht von den kostenmäßigen Zusammenhängen löst und wenn das von § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV aF geforderte angemessene Verhältnis von Markt- und Kostenelement beim Gesamtpreis gewahrt bleibt. Auch hierzu muss das Berufungs­gericht nach der Zurück­ver­weisung noch weitere Feststellungen treffen.

*§ 24 AVBFernwärmeV: Abrechnung, Preis­än­de­rungs­klauseln (in der vorliegend anwendbaren Fassung (aF); in der Neufassung vom 4. November 2010 ist diese Bestimmung in Abs. 4 enthalten)

Erläuterungen
[…]

(3) Preis­än­de­rungs­klauseln dürfen nur so ausgestaltet sein, dass sie sowohl die Kosten­ent­wicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch das Unternehmen als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigen. Sie müssen die maßgeblichen Berech­nungs­faktoren vollständig und in allgemein verständlicher Form ausweisen. Bei Anwendung der Preis­än­de­rungs­klauseln ist der prozentuale Anteil des die Brenn­stoff­kosten abdeckenden Preisfaktors an der jeweiligen Preisänderung gesondert auszuweisen.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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