14.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil15.07.2009

Studentenzimmer: Zweijähriger Kündi­gungs­verzicht ist unwirksamGesteigertes Interesse von Studenten an Flexibilität steht Kündi­gungs­be­schränkung entgegen

Laut Urteil des Bundes­ge­richtshofs (BGH) ist ein formularmäßig vereinbarter zweijähriger Kündi­gungs­verzicht in einem Mietvertrag über ein von einem Studenten an seinem Studienort angemietetes Zimmer unwirksam.

Der Beklagte hatte ein kleines in einem Studen­ten­wohnheim der Klägerin gelegenes möbliertes Zimmer gemietet. Der Formularmietvertrag enthielt die Vereinbarung, "dass das Recht zur ordentlichen Kündigung für beide Parteien bis zum 15.10.2008 ausgeschlossen ist". Der Beklagte bezog daraufhin das Zimmer anlässlich der Aufnahme seines Studiums zum Wintersemester 2006. Bereits im Juni 2007 kündigte er den Mietvertrag und zog aus dem Zimmer wieder aus. Die Wohnheim­be­treiberin verklagte ihn daraufhin auf die weitere Zahlung der Miete über den Kündi­gungs­termin hinaus. Sie vertrat die Auffassung, dass das Mietverhältnis bis zum Ablauf der vereinbarten zwei Jahre gültig sei. Eine Kündigung sei zuvor nicht möglich. Bereits in der 1. Instanz scheiterte die Klägerin. Das Amtsgericht Erlangen entschied, dass jedenfalls die ordentliche Kündigung des Beklagten möglich gewesen sei. Dieser Auffassung schloss sich auch das Landgericht Nürnberg-Fürth an.

Kündi­gungs­aus­schluss ist unangemessene Benachteiligung eines Studenten

Der BGH bekräftigte die ergangenen Urteile in letzter Instanz. Die Richter führten aus, dass der im Mietvertrag vereinbarte Kündi­gungs­aus­schluss für zwei Jahre den Studenten unangemessen benachteiligt habe. Deshalb sei diese Klausel gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Grundsätzlich sei im Mietrecht zwar der beiderseitig zeitlich begrenzte Ausschluss des Kündi­gungs­rechts rechtlich möglich - auch dann, wenn ein solcher Ausschluss formularmäßig vereinbart sei. Jedoch könne er unwirksam sein, wenn er den Mieter nach den Umständen entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteilige.

Studenten haben schutzwürdiges Bedürfnis an besonderem Maß an Flexibilität

Eine solche Benachteiligung sei im zugrunde liegenden Fall anzunehmen. Der Beklagte habe als Student ein schutzwürdiges Bedürfnis an einem besonderen Maß an Mobilität und Flexibilität gehabt, um auf Unwägbarkeiten des Studienverlaufs und ausbil­dungs­be­dingte Erfordernisse eines Ortswechsels angemessen reagieren zu können. Demgegenüber konnten die Richter keine ins Gewicht fallenden Interessen der Klägerin erkennen, den Beklagten für längere Zeit als die normale gesetzliche Kündigungsfrist zu binden.

Zweck des Mietver­hält­nisses muss bei Inter­es­se­n­ab­wägung berücksichtigt werden

Bei der Abwägung zwischen den wider­strei­tenden Interessen sei besonders zu berücksichtigen, dass die Zimmer­ver­mietung mit dem Zweck verknüpft war, an diesem Ort zu studieren. Aus dieser Zweckbeziehung resultiere ein sachliches Verän­de­rungs­be­dürfnis des Beklagten. Dieses durfte die Klägerin nicht einfach ignorieren, um einseitig und ausnahmslos ihr Interesse durchzusetzen, die Fluktuation in ihren Mietobjekten gering zu halten und durch Vermeidung eines innerhalb des Semesters liegenden Mietendes eine nahtlose Anschluss­ver­mietung sicherzustellen. Denn gerade Studenten haben ausbil­dungs­bedingt ein derartigen Kündi­gungs­be­schrän­kungen entgegen stehendes gesteigertes Interesse an einer Wahrung ihrer Flexibilität.

Interesse des Vermieters an Kontinuität hat zurückzustehen

Oftmals stellten Studenten nach wenigen Monaten fest, dass das begonnene Studium nicht das Richtige für sie sei, oder weil in späteren Ausbil­dungs­phasen ein Ausland­s­auf­enthalt sinnvoll sei oder sogar erforderlich werde. Auf Seiten der Klägerin bestehe kein entsprechend gewichtiges Interesse an einer bestimmten Kontinuität der Mietbeziehung, welches den Kündi­gungs­aus­schluss rechtfertigen könnte. Dieses Ergebnis, zu welchem bereits die Vorinstanzen gekommen waren, decke sich auch mit der Rechtsprechung des BGH bei Schul- und Ausbil­dungs­ver­trägen. Auch dort habe der BGH stets auf den hohen Stellenwert hingewiesen, dem Einzelnen zuzubilligen, etwaige Fehlent­schei­dungen ohne gravierende, insbesondere ohne wirtschaftlich vielfach nicht mehr tragbare Belastungen korrigieren zu können - wie etwa formularmäßig fest vorgegebene Vertrags­lauf­zeiten.

Quelle: ra-online (we)

der Leitsatz

BGB § 307 Abs. 1 (Bb), § 542 Abs. 1, § 557a, § 568 Abs. 1, § 573c, § 575 Abs. 4, § 812 Abs. 1

Zur Frage der Wirksamkeit eines formularmäßig vereinbarten zweijährigen Kündi­gungs­ver­zichts in einem Mietvertrag über ein von einem Studenten an seinem Studienort angemietetes Zimmer.

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