03.12.2024
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Bundesgerichtshof Urteil10.07.2024

BGH zu dem in den Vorschriften zur Ausnahme von der Kündigungs­beschränkung bei einem Wohnungserwerb und zur Eigen­bedarfs­kündigung verwendeten Begriff der Familien­an­ge­hörigen – hier: CousinsKeine Eigen­bedarfs­kündigung zugunsten des Cousins

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass als Familien­an­ge­hörige im Sinne des § 577 a Abs. 1a Satz 2 BGB (Ausnahme von der Kündigungs­beschränkung bei einem Wohnungserwerb) - ebenso wie im Falle der Eigen­bedarfs­kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB - ausschließlich diejenigen Personen anzusehen sind, denen ein Zeugnis­verweigerungs­recht aus persönlichen Gründen gemäß § 383 ZPO, § 52 StPO zusteht. Cousins zählen hierzu nicht.

Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, begehrt nach Ausspruch einer Kündigung wegen Eigenbedarfs eines ihrer Gesellschafter von den Beklagten die Räumung und Herausgabe einer an diese vermieteten Wohnung. Die Klägerin hatte das Gebäude, in dem sich die Wohnung befindet, nach deren Überlassung an die Beklagten erworben und ist dadurch als Vermieterin in das bestehende Mietverhältnis eingetreten. Zum damaligen Zeitpunkt hatte die Klägerin zwei Gesellschafter, die Cousins waren. Die Beklagten haben die Kündigung für unwirksam gehalten und sich hierbei auf die Kündigungsbeschränkung des § 577 a Abs. 1a Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 2 der Kündi­gungs­schutz­klausel-Verordnung des Landes Berlin vom 13. August 2013 berufen. Hiernach kann sich eine Perso­nen­ge­sell­schaft, an die vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter veräußert worden ist, erst nach Ablauf von zehn Jahren seit der Veräußerung für eine Kündigung der Wohnung gegenüber dem Mieter auf berechtigte Interessen im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 BGB berufen. Diese Kündi­gungs­be­schränkung gilt indes dann nicht, wenn die im Zeitpunkt des Eigen­tum­s­erwerbs vorhandenen Gesellschafter derselben Familie angehörten. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass dies (auch) bei Cousins der Fall sei und deshalb die Kündi­gungs­be­schränkung im Streitfall nicht eingreife. Das AG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das LG das amtsge­richtliche Urteil abgeändert und der Räumungsklage stattgegeben. Nach Auffassung des Berufungs­ge­richts kann sich die Klägerin auf die Ausnahmeregelung des § 577 a Abs. 1a Satz 2 BGB berufen, so dass die zehnjährige Kündi­gungs­be­schränkung nicht gelte. Die beiden Gesellschafter der Klägerin im Zeitpunkt des Eigen­tum­s­erwerbs gehörten als Cousins, zwischen denen hier eine enge soziale Bindung bestanden habe, einer Familie im Sinne von § 577 a Abs. 1a Satz 2 BGB an. Mit der vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klage­ab­wei­sungs­be­gehren weiter.

Enge Familienbande im Zeugnis­ver­wei­ge­rungsrecht typisiert

Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Der BGH hat entschieden, dass den Begriffen "Familie" in § 577 a Abs. 1a Satz 2 BGB und "Familien­an­ge­hörige" in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB dieselbe Bedeutung zukommt und hiervon ausschließlich diejenigen Personen umfasst sind, denen ein Zeugnis­ver­wei­ge­rungsrecht aus persönlichen Gründen gemäß § 383 ZPO, § 52 StPO zusteht. Ein entfernterer Verwandter, der - wie ein Cousin - nicht nach § 383 ZPO, § 52 StPO zur Zeugnis­ver­wei­gerung berechtigt ist, gehört somit auch dann nicht zu dem von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB privilegierten Personenkreis, wenn zwischen ihm und dem Vermieter eine enge persönliche Bindung besteht. Ebenso gilt die Privilegierung des § 577 a Abs. 1a Satz 2 BGB selbst im Falle einer engen persönlichen Verbundenheit zwischen den Mitge­sell­schaftern nicht, wenn das Verwandt­schafts­ver­hältnis zwischen ihnen so entfernt ist, dass es sie nicht zur Zeugnis­ver­wei­gerung nach § 383 ZPO, § 52 StPO berechtigt.

Mit der Privilegierung von Familien­an­ge­hörigen in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen wollen, dass innerhalb einer Familie aufgrund enger Verwandtschaft typischerweise ein Verhältnis persönlicher Verbundenheit und gegenseitiger Solidarität besteht, das die Ermöglichung einer Kündigung zu Gunsten Familien­an­ge­höriger rechtfertigt. Auch die Privilegierung von Familien­an­ge­hörigen in § 577 a Abs. 1a Satz 2 BGB beruht auf der Überlegung, dass aufgrund der engen persönlichen Bindung ein legitimes Interesse an der (zeitnahen) Geltendmachung des Eigenbedarfs besteht.

Der vom Gesetzgeber bezweckten Privilegierung von Familien­an­ge­hörigen in den vorgenannten Bestimmungen liegt mithin eine typisierende Betrach­tungsweise dahingehend zugrunde, dass zwischen den hiervon umfassten Personen auf Grund einer familiären Beziehung eine besondere persönliche Nähebeziehung anzunehmen ist. Vor diesem Hintergrund bedarf es für den vom Gesetzgeber privilegierten Personenkreis des (zusätzlichen) Vorliegens eines konkreten, tatsächlichen Nähever­hält­nisses nicht. Auch scheidet eine Erweiterung dieses geschützten Personenkreises auf Grund einer einzel­fa­ll­be­zogenen Prüfung des Vorliegens einer besonderen sozialen Nähe angesichts der dem Gesetz zu Grunde liegenden typisierenden Betrach­tungsweise aus.

Entscheidend ist damit letztlich, für welchen Personenkreis der Gesetzgeber durch die Verwendung des Begriffs der Familie eine typischerweise vorliegende besondere soziale Bindung angenommen hat. Im Rahmen von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB und § 577 a Abs. 1a Satz 2 BGB hat der Gesetzgeber dies nicht näher konkretisiert. Er hat eine solche Bewertung jedoch im Rahmen der ebenfalls auf der persönlichen Nähebeziehung und Verbundenheit gründenden Gewährung eines Zeugnis­ver­wei­ge­rungs­rechts aus persönlichen Gründen vorgenommen. Dort hat er objektive Kriterien nach dem Grad der familiären Beziehung aufgestellt und hierdurch den Personenkreis definiert, innerhalb dessen nach seiner Auffassung typischerweise eine persönliche Nähebeziehung besteht. Es ist sachgerecht, diese gesetz­ge­be­rischen Wertungen auch für die ebenfalls in der persönlichen Verbundenheit begründeten Privi­le­gie­rungen von Familien­an­ge­hörigen nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB und § 577 a Abs. 1a Satz 2 BGB heranzuziehen.

Cousin als Verwandter vierten Grad steht kein Zeugnis­ver­wei­ge­rungsrecht zu

Unter Berück­sich­tigung dieser Grundsätze kam eine Anwendung des § 577 a Abs. 1a Satz 2 BGB im Streitfall nicht in Betracht. Denn den im Zeitpunkt des Eigen­tum­s­erwerbs an dem streit­ge­gen­ständ­lichen Grundstück vorhandenen beiden Gesellschaftern der Klägerin steht als Cousins und damit als Verwandte in der Seitenlinie im vierten Grad ein Zeugnis­ver­wei­ge­rungsrecht nach § 383 ZPO, § 52 StPO nicht zu. Sie gehören somit nicht zu derselben Familie im Sinne des § 577 a Abs. 1a Satz 2 BGB. Der Senat hat deshalb das Urteil des Berufungs­ge­richts aufgehoben und - da es weitere Feststellungen nicht bedarf - das Urteil des Amtsgerichts unter Zurückweisung der Berufung wieder­her­ge­stellt.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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