21.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 14196

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Urteil28.01.1976BundesgerichtshofVIII ZR 246/74
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BGHZ 66, 51Sammlung: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (BGHZ), Band: 66, Seite: 51
  • JZ 1976, 776Zeitschrift: JuristenZeitung (JZ), Jahrgang: 1976, Seite: 776
  • NJW 1976, 712Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 1976, Seite: 712
  • VersR 1976, 589Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR), Jahrgang: 1976, Seite: 589
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ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil28.01.1976

"Salatblatt-Fall": Minderjähriges Kind hat vertraglichen Anspruch auf Schadenersatz trotz fehlender Vertrags­be­ziehungAnspruch unter dem Gesichtspunkt eines Vertrages mit Schutzwirkung Dritter

Begleitet ein Kind seine Mutter zum Einkauf in einen Supermarkt, so können ihm, wenn es dort stürzt, unter dem Gesichtspunkt eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Schaden­er­satz­ansprüche zustehen. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall begleitete die damals 14 jährige Klägerin ihre Mutter in die Filiale der Beklagten. Während des Kassiervorgangs rutschte die Klägerin auf einem Gemüseblatt aus und stürzte zu Boden. Sie zog sich dabei einen schmerzhaften Gelenk­blu­t­erguss am rechten Knie zu. Sie nahm daraufhin die Beklagte aus Verletzung der Verkehrs­si­che­rungs­pflicht in Anspruch.

Keine Haftung aufgrund einer culpa in contrahendo

Der Bundes­ge­richtshof vertrat die Auffassung, dass eine Haftung aus culpa in contrahendo nicht in Betracht kam. Eine solche Haftung beruht auf einem in Ergänzung des geschriebenen Rechts geschaffenen gesetzlichen Schuld­ver­hältnis, das aus der Aufnahme von Vertrags­ver­hand­lungen entspringt und vom tatsächlichen Zustandekommen eines Vertrages und seiner Wirksamkeit weitgehend unabhängig ist. Die aus diesem Schuld­ver­hältnis hergeleitete Haftung für die Verletzung von Schutz- und Obhutspflichten findet bei Fällen der vorliegenden Art ihre Rechtfertigung darin, dass der Geschädigte sich zum Zwecke der Vertrags­ver­hand­lungen in den Einflussbereich des anderen Teils begeben hat und damit redlicherweise auf eine gesteigerte Sorgfalt seines Verhand­lungs­partners vertrauen kann.

Voraussetzung für eine Haftung aus culpa in cotrahendo ist bei derartigen Kaufverträgen aber stets, dass der Geschädigte sich mit dem Ziel des Vertrags­ab­schlusses oder doch der Anbahnung geschäftlicher Kontakte in Verkaufsräume beigegeben habe. Daran fehlt es, wenn die den Supermarkt betretende Person von vornherein gar keine Kaufabsicht hatte. So lag der Fall hier. Die Klägerin begleitete ihre Mutter lediglich und wollte diese bei ihrem Kauf unterstützen.

Kind im Schutzbereich des Vertrages zwischen der Mutter und der Beklagten

Der Bundes­ge­richtshof führte weiter aus, dass einer Haftung des Beklagten aus culpa in contrahendo keine Bedenken entgegenstehen würden, wenn die Mutter der Klägerin auf dieselbe Weise wie ihre Tochter zu Schaden gekommen wäre. Auf dieses gesetzliche Schuld­ver­hältnis konnte sich aber auch die Klägerin zur Rechtsfertigung ihrer vertraglichen Schaden­er­satz­ansprüche berufen. Es entspricht seit langem gefestigter Rechtsprechung, dass unter besonderen Voraussetzungen auch außenstehende, am Vertragsschluss selbst nicht beteiligte Dritte in den Schutzbereich eines Vertrages einbezogen sind, mit der Folge, dass ihnen zwar kein Anspruch auf Erfüllung der primären Vertragspflicht, wohl aber auf den durch den Vertrag gebotenen Schutz und Fürsorge zusteht. Werden die vertraglichen Nebenpflichten verletzt, können sie also Schaden­er­satz­ansprüche im eigenen Namen geltend machen. Es kommt dabei entscheidend darauf an, dass der Vertrag nach seinem Sinn und Zweck und unter Berück­sich­tigung von Treu und Glauben eine Einbeziehung des Dritten in seinen Schutzbereich erfordert und die eine Vertragspartei - für den Vertragspartner erkennbar - redlicherweise damit rechnen kann, dass die ihr geschuldete Obhut und Fürsorge in gleichem Maße auch dem Dritten entge­gen­ge­bracht wird.

Im vorliegenden Fall kam hinzu, dass die Mutter der Klägerin für Wohl und Wehe ihrer Tochter verantwortlich war und damit allein schon aus diesem Grund redlicherweise davon ausgehen durfte, dass die sie begleitende Tochter denselben Schutz genießen würde, wie sie selbst.

Beschränkung auf eng begrenzte Fälle

Allerdings erfordert die Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich des Vertrages nach Ansicht des BGH eine Beschränkung auf eng begrenzte Fälle, da sonst die vom Gesetzgeber getroffene unter­schiedliche Ausgestaltung von Vertrags- und deliktischer Haftung aufgegeben oder verwischt wird.

Fehlender Kaufver­trags­ab­schluss unbeachtlich

Dass der Kaufvertrag im Zeitpunkt des Unfalls noch nicht abgeschlossen war, war im Ergebnis ohne Bedeutung. Gerade wenn man die Schutz- und Fürsorgepflicht als maßgeblichen Inhalt des durch die Anbahnung von Vertrags­ver­hand­lungen begründeten gesetzlichen Schuld­ver­hält­nisses ansieht und berücksichtigt, dass der Vertragspartner diese Obhutspflicht gleichermaßen vor wie nach Vertrags­ab­schluss schuldet, ist die Einbeziehung Dritter, in gleicher Hinsicht schutzwürdiger Personen in dieses gesetzliche Schuld­ver­hältnis folgerichtig.

Erläuterungen

Die Entscheidung ist aus dem Jahr 1976 und erscheint im Rahmen der Reihe "Urteile, die Rechts­ge­schichte geschrieben haben".

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

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