23.11.2024
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Dokument-Nr. 13258

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Urteil28.03.2012BundesgerichtshofVIII ZR 244/10
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MDR 2012, 697Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2012, Seite: 697
  • MMR 2012, 451Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR), Jahrgang: 2012, Seite: 451
  • NJW 2012, 2723Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2012, Seite: 2723
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Vorinstanzen:
  • Landgericht Saarbrücken, Urteil21.08.2009, 12 O 75/09
  • Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil26.08.2010, 8 U 472/09 -122
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil28.03.2012

Versteigerung eines Luxushandys: Niedriges Startgebot lässt bei Internetauktion nicht zwingend auf Plagiat eines Produkts schließenBundes­ge­richtshof zur Internetauktion eines Vertu-Handys

Bei einer Internetauktion lassen sich aufgrund des Startpreises keine Rückschlüsse auf den Wert des angebotenen Gegenstandes ziehen. Der bei Inter­ne­t­auk­tionen erzielbare Preis ist grundsätzlich vom Startpreis völlig unabhängig, da er aus den Maximalgeboten der Interessenten gebildet wird, so dass auch Artikel mit einem sehr geringen Startpreis einen hohen Endpreis erzielen können. Entsprechend muss ein Bieter nicht zwingend davon ausgehen, dass es sich bei einem Luxushandy mit einem Startgebot von einem Euro wahrscheinlich um ein Plagiat handelt. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor.

Im zugrunde liegenden Streitfall bot die Beklagte auf der Inter­net­plattform eBay im Rahmen einer Auktion unter Hinzufügung eines Fotos ein Handy zum Verkauf unter der Bezeichnung "Vertu Weiss Gold" ohne Festlegung eines Mindestpreises zu einem Startpreis von einem Euro an. Zur Beschreibung heißt es in dem Angebot, dass der Zustand gebraucht sei. Außerdem teilte die Beklagte dazu Folgendes mit:

"Hallo an alle Liebhaber von Vertu

Ihr bietet auf ein fast neues Handy (wurde nur zum ausprobieren ausgepackt). Weist aber ein paar leichte Gebrauchsspuren auf (erwähne ich ehrlichkeit halber). Hatte 2 ersteigert und mich für das gelb goldene entschieden. Gebrauchs­an­weisung (englisch) lege ich von dem gelb goldene bei, das andere habe ich auch nicht bekommen. Dazu bekommt ihr ein Etui, Kopfhörer und Ersatzakku. Privatverkauf, daher keine Rücknahme. Viel Spaß beim Bieten."

Kläger verweigert Annahme des Handys wegen Erhalt eines Plagiats

Der Kläger gab ein Maximalgebot von 1.999 Euro ab und erhielt für 782 Euro den Zuschlag. Die Annahme des seitens der Beklagten angebotenen Handys verweigerte er mit der Begründung, dass es sich um ein Plagiat handele. Der Kläger hat behauptet, dass ein Original des von der Beklagten angebotenen Handys 24.000 Euro koste. Die auf Zahlung von 23.218 Euro Schadensersatz (24.000 Euro abzüglich des Kaufpreises von 782 Euro) nebst Zinsen und vorge­richt­lichen Rechts­an­walts­ge­bühren gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg.

Zwischen den Parteien zustande gekommener Kaufvertrag kein so genanntes wucherähnliches Rechtsgeschäft

Die dagegen gerichtete Revision des Klägers führte zur Aufhebung des Berufungs­urteils. Der Bundes­ge­richtshof entschied, dass der zwischen den Parteien zustande gekommene Kaufvertrag entgegen der Annahme des Berufungs­ge­richts nicht als so genanntes wucherähnliches Rechtsgeschäft gemäß § 138 Abs. 1 BGB* nichtig ist. Zwar entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs, dass Rechtsgeschäfte, bei denen ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, dann nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sind, wenn weitere Umstände, wie etwa eine verwerfliche Gesinnung hinzutreten. Auf eine derartige Gesinnung kann beim Verkauf von Grundstücken und anderen hochwertigen Sachen regelmäßig geschlossen werden, wenn der Wert der Leistung annähernd doppelt so hoch ist wie der der Gegenleistung. Von einem solchen Beweisanzeichen kann bei einer Onlineauktion jedoch nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Denn die Situation einer Inter­net­ver­stei­gerung unterscheidet sich grundlegend von den bisher entschiedenen Fällen, in denen sich in den Vertrags­ver­hand­lungen jeweils nur die Vertrags­parteien gegen­über­standen.

Startpreis ist bei Internetauktion im Hinblick auf Wert des angebotenen Gegenstandes grundsätzlich kein Aussagegehalt zu entnehmen

Mit der vom Berufungs­gericht gegebenen Begründung kann auch eine Beschaf­fen­heits­ver­ein­barung des Inhalts, dass es sich bei dem angebotenen Mobiltelefon um ein Origi­na­le­x­emplar der Marke Vertu handelt, nicht verneint werden. Das Berufungs­gericht meint, gegen die Annahme einer entsprechenden Beschaf­fen­heits­ver­ein­barung (§ 434 Abs. 1 Satz 1**) spreche "vor allem" der von der Beklagten gewählte Startpreis der Auktion von einem Euro. Diese Begründung trägt nicht. Das Berufungs­gericht verkennt, dass dem Startpreis angesichts der Besonderheiten einer Internetauktion im Hinblick auf den Wert des angebotenen Gegenstandes grundsätzlich kein Aussagegehalt zu entnehmen ist. Denn der bei Inter­ne­t­auk­tionen erzielbare Preis ist von dem Startpreis völlig unabhängig, da er aus den Maximalgeboten der Interessenten gebildet wird, so dass auch Artikel mit einem sehr geringen Startpreis einen hohen Endpreis erzielen können, wenn mehrere Bieter bereit sind, entsprechende Beträge für den Artikel zu zahlen.

Aus diesen Gründen kann dem Berufungs­gericht schließlich auch insoweit nicht gefolgt werden, als es den geltend gemachten Schaden­s­er­satz­an­spruch mit der Hilfsbegründung verneint hat, dem Kläger sei der – unterstellte – Mangel der Unechtheit des von der Beklagten angebotenen Mobiltelefons infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben (§ 442 Abs. 1 Satz 2 BGB***), weil es erfah­rungs­widrig sei, dass ein Mobiltelefon mit dem von dem Kläger behaupteten Wert zu einem Startpreis von einem Euro auf einer Inter­net­plattform angeboten werde.

BGH weist Sache zurück an Berufungs­gericht

Die Sache wurde an das Berufungs­gericht zurückverwiesen, damit dieses die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann, auf deren Grundlage das Berufungs­gericht in umfassender Würdigung der gesamten Umstände zu beurteilen haben wird, ob das Angebot der Beklagten aus der Sicht eines verständigen Empfängers ein Originalgerät der Marke Vertu zum Gegenstand hatte.

* § 138 BGB: Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermö­gens­vorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

** § 434 BGB: Sachmangel

Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. […]

*** § 442 BGB: Kenntnis des Käufers

Die Rechte des Käufers wegen eines Mangels sind ausgeschlossen, wenn er bei Vertragsschluss den Mangel kennt. Ist dem Käufer ein Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, kann der Käufer Rechte wegen dieses Mangels nur geltend machen, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat. […]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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