18.10.2024
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Bundesgerichtshof Urteil18.01.2017

Fahrzeug von der Fahndungsliste: Ausschreibung eines Gebrauchtwagens im Schengener Infor­ma­ti­o­ns­system kann Käufer zum Rücktritt berechtigenBGH zur Frage der Mangel­haf­tigkeit eines Gebrauchtwagens bei internationaler Fahndungs­ausschreibung

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die Ausschreibung eines Gebrauchtwagens im Schengener Infor­ma­ti­o­ns­system (SIS) einen Rechtsmangel (§ 433 Abs. 1 Satz 2*, § 435 Satz 1 BGB**) darstellen kann, der den Käufer zum Rücktritt berechtigt.

Beim Schengener Infor­ma­ti­o­ns­system handelt es sich um eine umfangreiche Datenbank, die unter anderem Informationen über gestohlene oder vermisste Fahrzeuge enthält. Der Hauptzweck der Datenbank ist - vor dem Hintergrund grundsätzlich weggefallener Grenzkontrollen an den Binnengrenzen - die Sicherstellung eines hohen Maßes an Sicherheit innerhalb der Schengen-Staaten, indem den zuständigen nationalen Behörden, wie Polizei und Grenzschutz, gestattet wird, Ausschreibungen zu Personen und Gegenständen einzugeben und abzufragen.

Gekauftes Fahrzeug wurde zuvor von französischen Behörden als gestohlen gemeldet

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls kaufte vom Beklagten im Jahr 2012 einen gebrauchten Oldtimer Rolls Royce Corniche Cabrio zum Preis von 29.000 Euro. Beim Versuch des Klägers, das Fahrzeug im Juli 2013 anzumelden, wurde es jedoch polizeilich sichergestellt, weil es im Schengener Infor­ma­ti­o­ns­system (SIS) von den französischen Behörden als gestohlen gemeldet und zur Fahndung ausgeschrieben worden war. Nachdem im Zuge der Ermittlungen - die auch gegen den Kläger und den Beklagten wegen des Verdachts der Hehlerei geführt wurden - die Vermutung aufkam, der ehemalige französische Eigentümer könnte den Diebstahl des Fahrzeugs zum Zwecke des Versi­che­rungs­betrugs nur vorgetäuscht haben, wurde das Fahrzeug Ende 2013 von der Polizei freigegeben und vom Kläger zugelassen. Bereits kurz darauf wurden die Ermittlungen allerdings auch gegen die Parteien wieder­auf­ge­nommen.

Kläger erklärt Rücktritt vom Kaufvertrag

Aufgrund der unverändert fortdauernden SIS-Ausschreibung erklärte der Kläger im Mai 2014 schließlich den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte Rückzahlung des Kaufpreises. Seine entsprechende Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit seiner vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klage­ab­wei­sungs­be­gehren weiter.

Eintragung in Fahndungsliste ist bereits als Rechtsmangel anzusehen

Der Bundes­ge­richtshof entschied, dass bei einem Gebrauchtwagen ein Fahndungs­eintrag im Schengener Infor­ma­ti­o­ns­system (SIS) einen zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigenden Rechtsmangel darstellen kann. Um seine Leistungs­pflicht zu erfüllen, hat ein Verkäufer dem Käufer nicht nur Eigentum an der Kaufsache zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB*). Er muss weiterhin dafür sorgen, dass sie frei von Rechtsmängeln ist, der Käufer sie also unangefochten und frei von Rechten Dritter wie ein Eigentümer nutzen kann (§ 433 Abs. 1 Satz 2*, § 435 Satz 1**, § 903 Satz 1 BGB***). Insofern ist nicht erst die behördliche Sicherstellung oder Beschlagnahme eines Kraftfahrzeugs, sondern bereits dessen Eintragung in die Fahndungsliste aufgrund einer SIS-Ausschreibung als Rechtsmangel anzusehen. Denn eine solche Eintragung ist für den Käufer mit der konkreten, im gesamten Schengen-Raum bestehenden Gefahr verbunden, dass bei der Zulassung des Fahrzeugs oder einer Halteränderung oder einer polizeilichen Kontrolle die Eintragung festgestellt und ihm das Fahrzeug daraufhin auf unbestimmte Zeit entzogen wird.

Käufer muss auch künftig mit Beschlagnahme des Fahrzeugs rechnen

Im vorliegenden Fall war dies im Jahr 2013 bereits für die Dauer von einigen Monaten geschehen. Nachdem die SIS-Eintragung weiterhin nicht beseitigt ist, muss der Kläger auch zukünftig im gesamten Schengen-Raum jederzeit mit einer erneuten Beschlagnahme rechnen. Gerade bei einem Entzug im Ausland wäre dies für ihn nicht nur mit einem erneuten zeitweisen Entzug der Nutzungs­mög­lichkeit, sondern insbesondere auch mit erheblichen Anstrengungen zur Wiedererlangung des Fahrzeug­be­sitzes verbunden. Weiterhin ist auch die (Weiter-)Verkäuflichkeit eines Pkw durch die Fahndungs­ein­tragung stark beeinträchtigt; denn der Kläger wäre redlicherweise gehalten, einen potentiellen Käufer über die SIS-Eintragung aufzuklären.

* 433 BGB Vertrags­ty­pische Pflichten beim Kaufvertrag

Erläuterungen
(1) 1 Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. 2 Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.

(2) [...]

** § 435 BGB Rechtsmangel

1 Die Sache ist frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können. 2 Einem Rechtsmangel steht es gleich, wenn im Grundbuch ein Recht eingetragen ist, das nicht besteht.

*** 903 BGB Befugnisse des Eigentümers

1 Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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