21.11.2024
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Sie sehen eine Einbauküche in einer Wohnung.

Dokument-Nr. 26462

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Urteil19.09.2018BundesgerichtshofVIII ZR 231/17 und VIII ZR 261/17
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • WuM 2018, 714Zeitschrift: Wohnungswirtschaft und Mietrecht (WuM), Jahrgang: 2018, Seite: 714
  • WuM 2018, 758Zeitschrift: Wohnungswirtschaft und Mietrecht (WuM), Jahrgang: 2018, Seite: 758
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Bundesgerichtshof Urteil19.09.2018

Fristlose Kündigung für Wohn­raum­miet­verhältnis kann mit hilfsweise erklärter ordentlicher Kündigung verbunden werdenOrdentliche Kündigung läuft nach Schon­frist­zahlung und daraus resultierender Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs nicht "ins Leere"

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die fristlose Kündigung eines Wohn­raum­miet­verhältnisses mit einer hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung verbunden werden kann.

In beiden zugrunde liegenden Verfahren hatten die Beklagten, Mieter von Wohnungen in Berlin, jeweils die von ihnen geschuldeten Mieten in zwei aufeinander folgenden Monaten nicht entrichtet. Hierauf haben die jeweiligen Kläger als Vermieter die fristlose und zugleich hilfsweise die fristgerechte Kündigung des Mietver­hält­nisses wegen Zahlungsverzugs erklärt. In beiden Fällen beglichen die Beklagten nach Zugang der Kündigung die aufgelaufenen Zahlungs­rück­stände.

Räumungsklagen in den Vorinstanzen erfolglos

Das Berufungs­gericht wies die jeweils von den Vermietern erhobenen Räumungsklagen ab. Zwar seien die Vermieter aufgrund der gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a BGB wirksamen außer­or­dent­lichen fristlosen Kündigungen zunächst berechtigt gewesen, die Räumung und Herausgabe der betreffenden Mietwohnungen zu verlangen. Diese Ansprüche seien jedoch wegen des jeweils noch vor Klageerhebung erfolgten vollständigen Ausgleichs der Zahlungs­rück­stände nach Maßgabe der Vorschrift des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB nachträglich erloschen (sogenannte Schon­frist­zahlung). Die daneben - von den Amtsgerichten in beiden Verfahren noch als wirksam erachteten - hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen (§ 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 573 c BGB) gingen demgegenüber "ins Leere", weil das jeweilige Mietverhältnis bereits durch den Zugang der wirksam ausgesprochenen außer­or­dent­lichen fristlosen Kündigung ein sofortiges Ende gefunden habe. Die rechtzeitig erfolgte Schon­frist­zahlung gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB habe zwar dazu geführt, dass die durch die fristlose Kündigung ausgelösten Herausgabe- und Räumungs­ansprüche erloschen seien. Es bleibe aber gleichwohl dabei, dass im Zeitraum zwischen Zugang der Kündi­gungs­er­klärung und Eingang der Schon­frist­zahlung ein Mietverhältnis, welches noch ordentlich unter Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte gekündigt werden können, aufgrund der Gestal­tungs­wirkung der fristlosen Kündigung nicht mehr bestanden habe. Mit den - vom Berufungs­gericht zugelassenen - Revisionen verfolgten die Kläger ihre Räumungsklagen jeweils weiter.

Auch hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs kann wirksam sein

Der Bundes­ge­richtshof stellte klar, dass auch eine hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs zur Beendigung eines Mietver­hält­nisses nach Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist führen kann, wenn die durch den Vermieter unter Berufung auf denselben Sachverhalt vorrangig erklärte und zunächst auch wirksame fristlose Kündigung durch eine vom Mieter nach Zugang der Kündi­gungs­er­klärung vorgenommene Schon­frist­zahlung nachträglich unwirksam wird. Von diesem Verständnis ist der Senat - ebenso wie die Insta­nz­recht­sprechung - stets ausgegangen.

Ordentliche Kündigung soll nach Vermieterwillen auch nach Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung zum Zuge kommen

Ein vom Mieter herbeigeführter Ausgleich der Rückstände gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB lässt die durch eine außer­or­dentliche fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a BGB) mit ihrem Zugang herbeigeführte sofortige Beendigung des Mietver­hält­nisses nachträglich rückwirkend entfallen. Die Regelung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB beschränkt sich entgegen der Auffassung des Berufungs­ge­richts nicht darauf, lediglich Ansprüche auf Räumung und Herausgabe der Mietsache nachträglich zum Erlöschen zu bringen. Vielmehr hat der Gesetzgeber gewährleisten wollen, dass die wirksam ausgeübte fristlose Kündigung unter den dort genannten Voraussetzungen trotz ihrer Gestal­tungs­wirkung rückwirkend als unwirksam gilt und der Mietvertrag fortgesetzt wird. In einer solchen Situation kommt eine gleichzeitig mit einer fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung zur Geltung. Denn ein Vermieter, der neben einer fristlosen Kündigung hilfsweise oder vorsorglich eine ordentliche Kündigung des Mietver­hält­nisses wegen eines aufgelaufenen Zahlungs­rück­stands ausspricht, erklärt diese nicht nur für den Fall einer bereits bei Zugang des Kündi­gungs­schreibens gegebenen Unwirksamkeit der vorrangig erfolgten fristlosen Kündigung. Vielmehr bringt er damit aus objektiver Mietersicht regelmäßig weiterhin zum Ausdruck, dass die ordentliche Kündigung auch dann zum Zuge kommen soll, wenn die zunächst wirksam erklärte fristlose Kündigung aufgrund eines gesetzlich vorgesehenen Umstands wie einer unverzüglichen Aufrechnung durch den Mieter (§ 543 Abs. 2 Satz 3 BGB), einer sog. Schon­frist­zahlung oder einer Verpflich­tungs­er­klärung einer öffentlichen Stelle (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB) nachträglich unwirksam wird.

Schon­frist­zahlung macht ordentliche Kündigung nicht unwirksam

Entgegen der Auffassung des Berufungs­ge­richts hat eine Schon­frist­zahlung oder Verpflich­tungs­er­klärung einer öffentlichen Stelle also nicht zur Folge, dass eine mit der fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs gleichzeitig hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung "ins Leere" ginge. Indem das Berufungs­gericht allein darauf abgestellt hat, dass eine in materieller und formeller Hinsicht wirksam erklärte fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs das Mietverhältnis (zunächst) auflöst, hat es die bei der Auslegung einer Kündi­gungs­er­klärung zu beachtenden rechtlichen Zusammenhänge (insbesondere Wirkung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) außer Acht gelassen und einen einheitlichen natürlichen Lebens­sach­verhalt (Zahlungsverzug, Kündigung, nachträgliche Befriedigung des Vermieters), auf den sich die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung bei vernünftiger lebensnaher und objektiver Betrachtung stützt, künstlich in einzelne Bestandteile aufgespalten.

Rückweisung der Sache an das Berufungs­gericht

Aus den vorgenannten Gründen hat der Bundes­ge­richtshof die Berufungs­urteile in beiden Verfahren aufgehoben und die Sachen jeweils zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen, damit dieses nunmehr Feststellungen dazu treffen kann, ob die jeweils hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen die gesetzlichen Anforderungen für das Vorliegen eines Kündi­gungs­grunds erfüllen und ob gegebenenfalls der kurze Zeit nach Zugang der Kündigung erfolgte Ausgleich der Rückstände bei tatrich­ter­licher Würdigung der konkreten Einzel­fa­l­lum­stände die Berufung auf die ordentlichen Kündigungen als treuwidrig erscheinen lässt.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

fristlose

fristlose Kündigung aus wichtigem Grund '>

(1) 1 Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. [...]

(2) 1 Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn

[...]

3. der Mieter

a) für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist

[...]

2 Im Falle des Satzes 1 Nr. 3 ist die Kündigung ausgeschlossen, wenn der Vermieter vorher befriedigt wird. 3 Sie wird unwirksam, wenn sich der Mieter von seiner Schuld durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die Aufrechnung erklärt.

[...]

§ 569 BGB Außer­or­dentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

[...]

(3) Ergänzend zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 gilt:

[...]

2. 1 Die Kündigung wird auch dann unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechts­hän­gigkeit des Räumungs­an­spruchs hinsichtlich der fälligen Miete [...] befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. [...]

§ 573 BGB Ordentliche Kündigung des Vermieters

(1) 1 Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietver­hält­nisses hat. [...]

(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietver­hält­nisses liegt insbesondere vor, wenn

1. der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat [...].

§ 573 c BGB Fristen der ordentlichen Kündigung

(1) 1 Die Kündigung ist spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig. 2 Die Kündigungsfrist für den Vermieter verlängert sich nach fünf und acht Jahren seit der Überlassung des Wohnraums um jeweils drei Monate.

[...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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