14.11.2024
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Sie sehen eine Einbauküche in einer Wohnung.

Dokument-Nr. 20976

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Urteil29.04.2015BundesgerichtshofVIII ZR 197/14
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • GE 2015, 849Das Grundeigentum - Zeitschrift für die gesamte Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft (GE), Jahrgang: 2015, Seite: 849
  • NZM 2015, 481Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM), Jahrgang: 2015, Seite: 481
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Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Hamburg-Harburg, Urteil16.12.2013, 644 C 148/13
  • Landgericht Hamburg, Urteil26.06.2014, 307 S 11/14
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil29.04.2015

Von einem Bolzplatz ausgehende Lärmbelästigung berechtigt nicht zwingend zur MietminderungBGH zum Mietmangel wegen Lärmbelästigung vom Nachba­r­grundstück

Der Bundes­ge­richtshof hat eine Grundsatz­ent­scheidung zu der Frage getroffen, unter welchen Voraussetzungen der Mieter einer Wohnung wegen sogenannter Umweltmängel - hier Lärmbe­läs­ti­gungen von einem Nachba­r­grundstück - die Miete mindern darf und wie dabei Kinderlärm zu berücksichtigen ist.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Beklagten mieteten vor vielen Jahren von den Klägern in Hamburg eine Erdge­schoss­wohnung nebst Terrasse. Das Wohngrundstück grenzt an eine Schule, auf deren Gelände im Jahr 2010 - zwanzig Meter von der Terrasse der Beklagten entfernt - ein Bolzplatz errichtet wurde. Der Bolzplatz soll nach der vom Schulträger angebrachten Beschilderung Kindern im Alter bis zu 12 Jahren von Montag bis Freitag bis 18.00 Uhr zur Benutzung offenstehen.

Vermieter hält die vom Mieter wegen Lärmbelästigung geltend gemachte Mietminderung für unberechtigt

Ab Sommer 2010 rügten die Beklagten gegenüber den Klägern Lärmbe­läs­ti­gungen durch Jugendliche, die auch außerhalb der genannten Zeiten auf dem Bolzplatz spielten, und minderten deshalb seit Oktober 2010 die Miete um 20 %. Die Kläger halten die Mietminderung für unberechtigt und begehren mit ihrer Klage Zahlung der restlichen Miete sowie die Feststellung, dass die Beklagten nicht berechtigt seien, wegen des Lärms die Miete zu mindern. Die hierauf gerichtete Klage ist vor dem Amts- und dem Landgericht ohne Erfolg geblieben.

Vermieter muss Fortbestand des bei Vertrags­ab­schluss vorgefundenen Wohnzustands nicht dauerhaft garantieren können

Die vom Landgericht zugelassene Revision, mit der die Kläger ihr Zahlungs- und Feststel­lungs­be­gehren weiter verfolgen, hatte Erfolg. Der Bundes­ge­richtshof entschied, dass nachteilige Einwirkungen auf die Mietsache von außen - sogenannte "Umweltmängel" - zwar Gegenstand einer Vereinbarung über die Beschaffenheit der Mietwohnung sein können, so dass im Laufe der Zeit eintretende nachteilige Änderungen wegen eines Zurückbleibens der vereinbarten hinter der tatsächlich bestehenden Beschaffenheit zu einem Mangel der Mietsache (§ 536 Abs. 1 BGB*) führen können. Allerdings kann - entgegen einer verbreiteten Praxis - bei Fehlen ausdrücklicher Vereinbarungen nicht ohne konkrete Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass die Mietver­trags­parteien gleichwohl den bei Vertragsschluss vorgefundenen Wohnstandard zumindest stillschweigend dahin hätten festlegen wollen, dass dieser Zustand sich in Bezug auf Umwelteinflüsse über die Dauer des Mietver­hält­nisses hinweg nicht nachteilig verändern darf und der Vermieter seinen Fortbestand jedenfalls im Wesentlichen zu garantieren hat. Solche konkreten Anhaltspunkte waren den tatsächlichen Feststellungen des Berufungs­ge­richts hier nicht zu entnehmen.

Vermieter muss nicht zwingend für Vergrößerung der Geräu­sch­be­läs­tigung vom Nachba­r­grundstück einstehen

Bei Fehlen einer derartigen Vereinbarung im Mietvertrag ist die Frage, ob und in welchem Umfang der Mieter ein nachträglich verändertes Maß an Geräu­schim­mis­sionen hinzunehmen hat, ohne sich auf einen Mangel der Mietwohnung berufen zu können, im Wege der ergänzenden Vertrags­aus­legung unter Rückgriff auf die Verkehrs­an­schauung zu beantworten. Entgegen einer vielfach vertretenen Auffassung hat ein Vermieter dabei aber im Rahmen seiner nach § 535 Abs. 1 BGB** bestehenden Pflicht, die Wohnung in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten, nicht dafür einzustehen, dass sich ein bei Vertragsschluss hingenommenes Maß an Geräuschen vom Nachbargrundstück nicht nachträglich vergrößert, wenn er diese Geräusche selbst gegenüber dem Nachbarn gemäß § 906 Abs. 1 BGB*** (entschä­di­gungslos) zu dulden hätte. Denn Unmögliches hätte der Mieter, wenn die Vertrags­parteien das Ansteigen der Geräuschkulisse bei Vertragsschluss bedacht hätten, vom Vermieter redlicherweise nicht beanspruchen können. Er hätte vielmehr nur verlangen können, dass der Vermieter einen von ihm nicht mehr zu duldenden Geräuschanstieg gegenüber dem Dritten abwehrt oder ihm eine Minderung zubilligt, wenn auch er selbst von dem Dritten für eine wesentliche, aber als ortüblich zu duldende Störung einen Ausgleich (vgl. § 906 Abs. 2 BGB) verlangen kann.

Sofern Vermieter selbst Belästigungen ohne eigene Abwehr- oder Entschä­di­gungs­mög­lich­keiten hinnehmen müsste, besteht kein Mangel an der Mietsache

Vor diesem Hintergrund ist der Bundes­ge­richtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass in den hier neu aufgetretenen Lärmbe­läs­ti­gungen jedenfalls dann kein Mangel der Mietsache gesehen werden kann, wenn auch der Vermieter selbst die Belästigungen ohne eigene Abwehr- oder Entschä­di­gungs­mög­lich­keiten - etwa mit Rücksicht auf das bei Kinderlärm bestehende Toleranzgebot des § 22 Abs. 1a BImSchG **** - als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen müsste. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kommt es nicht darauf an, das § 22 Abs. 1 a BImSchG erst im Jahr 2011 und damit lange nach dem Abschluss des Mietvertrages in Kraft getreten ist. Denn diese Privi­le­gie­rungs­re­gelung ist nach dem Willen des Gesetzgebers darauf angelegt, über seinen eigentlichen Anwen­dungs­bereich und das damit vielfach verklammerte zivilrechtliche Nachbarrecht hinaus auch auf das sonstige Zivilrecht, insbesondere das Mietrecht und das Wohnungs­ei­gen­tumsrecht auszustrahlen, sofern dieses jeweils für die Bewertung von Kinderlärm relevant ist.

BGH weist Sache zurück an das Landgericht

Da hierzu die erforderlichen Feststellungen - insbesondere die Frage, ob die von den Beklagten geltend gemachten Lärmbe­läs­ti­gungen von Kindern oder von (nicht unter die Privilegierung des § 22 Abs. 1a BImSchG fallenden) Jugendlichen oder jungen Erwachsenen verursacht werden - bisher nicht getroffen sind, war das Berufungsurteil aufzuheben und der Rechtsstreit an das Landgericht zurück­zu­ver­weisen.

* § 536 BGB Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln

Erläuterungen
(1) Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht.

** § 535 BGB Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

(1) Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten [...]

*** § 906 BGB Zuführung unwägbarer Stoffe

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beein­träch­tigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechts­ver­ord­nungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwal­tungs­vor­schriften, die nach § 48 des Bundes-Immis­si­ons­schutz­ge­setzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beein­träch­tigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

**** § 22 BImSchG Pflichten der Betreiber nicht geneh­mi­gungs­be­dürftiger Anlagen

(1) Nicht geneh­mi­gungs­be­dürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass 1. schädliche Umwelt­ein­wir­kungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind,

2. nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelt­ein­wir­kungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden [...].

(1a) Geräu­schein­wir­kungen, die von Kinder­ta­ges­ein­rich­tungen, Kinder­spiel­plätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspiel­plätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelt­ein­wirkung. Bei der Beurteilung der Geräu­schein­wir­kungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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