18.10.2024
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Bundesgerichtshof Urteil08.11.2017

Formular­vertragliche Verlängerung der Verjährung von Vermie­ter­ansprüchen nach Rückgabe der Mietsache unwirksamVerlängerung der Verjährung auf zwölf Monate benachteiligt Mieter unangemessen

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass ein Vermieter die in § 548 Abs. 1 BGB geregelte sechsmonatige Verjährung seiner gegen den Mieter gerichteten Ersatzansprüche nach Rückgabe der Mietsache durch formular­vertragliche Regelungen (Allgemeine Geschäfts­bedingungen) nicht verlängern kann.

Die Beklagte des zugrunde liegenden Streitfalls war seit 2003 Mieterin einer Wohnung der Klägerin in Berlin. Nach Kündigung des Mietver­hält­nisses durch die Beklagte erhielt die Vermieterin (Klägerin) die Wohnung Ende Dezember 2014 zurück.

Sachverhalt

Erst mit im Oktober 2015 zugestellter Klage nahm die Klägerin die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von rund 16.000 Euro wegen an der Wohnung eingetretener Schäden in Anspruch. Der hiergegen von der Beklagten unter Bezugnahme auf § 548 Abs. 1 BGB* erhobenen Einrede der Verjährung begegnete die Klägerin mit einem Verweis auf eine in dem von ihr verwendeten Formularmietvertrag enthaltene Bestimmung, nach welcher Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlech­te­rungen der Mietsache (ebenso wie Ansprüche des Mieters auf Aufwen­dungs­ersatz oder Gestattung der Wegnahme von Einrichtungen) erst zwölf Monaten nach Beendigung des Mietver­hält­nisses verjähren würden.

Die von der Klägerin erhobene Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit ihrer vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungs­be­gehren weiter.

BGH erklärt Regelung in Formu­la­r­miet­vertrag für unwirksam

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass eine Regelung in einem Formu­la­r­miet­vertrag, durch die ein Vermieter die nach dem Gesetz vorgesehene sechsmonatige Verjährung seiner Ersatzansprüche nach Rückgabe der Mietsache verlängert, wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB** unwirksam ist.

Streit­ge­gen­ständliche Klauseln stellen unangemessene Benachteiligung für Mieter dar

Die im streit­ge­gen­ständ­lichen Formu­la­r­miet­vertrag enthaltene Klausel erschwert den Eintritt der Verjährung der in § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB genannten Ansprüche des Vermieters gegenüber der gesetzlichen Regelung in zweifacher Hinsicht. Zum einen wird die Frist, nach deren Ablauf diese Ansprüche verjähren, von sechs auf zwölf Monate verdoppelt. Zum anderen verändert die Klausel zusätzlich den Beginn des Fristlaufs, indem sie nicht auf den Zeitpunkt des Rückerhalts der Sache, sondern auf das (rechtliche) Mietver­tragsende abstellt. Beide Regelungs­inhalte sind mit wesentlichen Grundgedanken des § 548 BGB nicht zu vereinbaren und stellen bereits aus diesem Grund eine unangemessene Benachteiligung der Beklagten dar. Dies führt zur Unwirksamkeit der Klausel nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Begutachtung der Wohnung durch Vermieter auch innerhalb der gesetzlichen Verjäh­rungsfrist von sechs Monaten möglich

Denn die in § 548 Abs. 1 BGB geregelte kurze Verjährung der Ansprüche des Vermieters ist durch berechtigte Interessen des Mieters im Rahmen der Abwicklung des Mietver­hält­nisses begründet. Der Mieter hat nach der Rückgabe der Mietsache an den Vermieter auf diese keinen Zugriff mehr und kann somit ab diesem Zeitpunkt regelmäßig auch keine beweis­si­chernden Feststellungen mehr treffen. Demgegenüber wird der Vermieter durch die Rückgabe der Mietsache, an die das Gesetz den Verjäh­rungs­beginn für dessen Ansprüche anknüpft, in die Lage versetzt, sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob ihm gegen den Mieter Ansprüche wegen Verschlech­terung oder Veränderung der Mietsache zustehen und er diese durchsetzen oder gegebenenfalls innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist erforderliche verjäh­rungs­hemmende Maßnahmen ergreifen will. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Prüfung nicht regelmäßig in der vom Gesetz vorgesehen Verjäh­rungsfrist von sechs Monaten vorgenommen werden könnte. Vor diesem Hintergrund war es - unter Berück­sich­tigung der Interessen sowohl des Mieters als auch des Vermieters - das ausdrücklich erklärte Ziel des Gesetzgebers, mit der kurzen Verjäh­rungs­re­gelung in § 548 BGB aus Gründen der Rechts­si­cherheit und Rechtsklarheit zeitnah zur Rückgabe der Mietsache eine "möglichst schnelle" Klärung über bestehende Ansprüche im Zusammenhang mit dem Zustand der Mietsache zu erreichen.

Unangemessene Benachteiligung des Mieters entfällt nicht durch die ebenfalls für ihn geltenden verlängerten Fristen

Die unangemessene Benachteiligung des Mieters im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB entfällt schließlich nicht dadurch, dass die streit­ge­gen­ständliche Klausel spiegelbildlich eine Verlängerung auch seiner Ansprüche auf Ersatz von Aufwendungen und auf Gestattung der Wegnahme einer Einrichtung vorsieht. Denn auch die spiegel­bildliche Verlängerung beider Verjäh­rungs­fristen ändert nichts an dem berechtigten und zentralen Interesse des Mieters an einer möglichst kurzen, an die Rückgabe der Mietsache anknüpfenden Verjäh­rungsfrist - zumal den in § 548 Abs. 1 BGB genannten Ersatz­ansprüchen des Vermieters eine große praktische Bedeutung zukommt, während Streitigkeiten über Wegnahme von Einrichtungen und Aufwen­dungs­ersatz des Mieters (§ 548 Abs. 2 BGB) deutlich seltener vorkommen dürften.

* § 548 BGB Verjährung der Ersatzansprüche und des Wegnahmerechts

Erläuterungen
(1) 1 Die Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlech­te­rungen der Mietsache verjähren in sechs Monaten. 2 Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem er die Mietsache zurückerhält. 3 Mit der Verjährung des Anspruchs des Vermieters auf Rückgabe der Mietsache verjähren auch seine Ersatzansprüche.

(2) Ansprüche des Mieters auf Ersatz von Aufwendungen oder auf Gestattung der Wegnahme einer Einrichtung verjähren in sechs Monaten nach der Beendigung des Mietver­hält­nisses.

307 BGB Inhalts­kon­trolle

(1) 1 Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 2 Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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