23.11.2024
23.11.2024  
Sie sehen eine Einbauküche in einer Wohnung.
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil21.03.2018

Kündigungs­beschränkung gemäß § 577 a Abs. 1a Satz 1 BGB erfordert keine (beabsichtigte) Wohnungs­um­wandlungBGH zur Sperrfrist nach Erwerb vermieteten Wohnraums durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts

Der Bundes­ge­richtshof hatte sich mit den Voraussetzungen der in § 577 a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 1a Satz 1 BGB vorgesehenen Kündigungs­beschränkung (Sperrfrist) beim Erwerb vermieteten Wohnraums durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu beschäftigen. Der Bundes­ge­richtshof verwies darauf, dass der in § 577 a BGB unter der Überschrift "Kündigungs­beschränkung bei Wohnungs­um­wandlung" vorgesehene Schutz des Mieters beim Erwerb vermieteten Wohnraums durch Personen­gesellschaften unabhängig davon gilt, ob Wohnungs­ei­gentum begründet werden soll.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der inzwischen über 70 Jahre alte Beklagte zu 1 hat im Jahr 1981 von der Rechts­vor­gängerin der Klägerin eine Vierzimmer-Altbauwohnung in Frankfurt am Main (Westend) gemietet, die er gemeinsam mit seiner Ehefrau und seiner Tochter bewohnt. Die Nettomiete für die 160 qm große Wohnung beläuft sich zwischen­zeitlich auf 856,25 Euro monatlich.

Klägerin kündigt Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs

Die Klägerin ist eine aus drei Gesellschaftern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die im Januar 2015 als Eigentümerin und Vermieterin in den Mietvertrag eingetreten ist. Mit Schreiben vom Mai 2015 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis und begründete dies mit dem Eigenbedarf eines ihrer Gesellschafter. Dieser habe sich von seiner Ehefrau getrennt und benötige als erfolgreicher Immobi­li­en­un­ter­nehmer repräsentative Wohnräume in entsprechender Wohnlage in der Nähe eines seiner Büros. Die in dem Kündi­gungs­schreiben im Einzelnen beschriebenen leerstehenden Wohnungen in den zahlreichen Liegenschaften in Frankfurt am Main und Umgebung, an denen dieser als Gesellschafter beteiligt sei, kämen insoweit allesamt nicht in Betracht.

Beklagter zweifelt an geltend gemachtem Eigenbedarf

Der Beklagte zu 1 widersprach der Kündigung und verlangte die Fortsetzung des Mietver­hält­nisses. Er machte Härtegründe für sich und seine Familie geltend und zog den von der Klägerin geltend gemachten Eigenbedarf ihres Gesellschafters in Zweifel.

Klage in allen Instanzen erfolglos

Die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage blieb in allen Instanzen schon deshalb ohne Erfolg, weil die Klägerin die Kündi­gungs­sperrfrist des § 577 a Abs. 1 BGB nicht eingehalten hatte.

Kündigung bereits wegen Nichtbeachtung der Sperrfrist nach § 577 a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BGB unwirksam

Der Bundes­ge­richtshofs entschied, dass die Kündi­gungs­be­schränkung nach § 577 a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 1a Satz 1 BGB nicht erfordert, dass über die im Tatbestand dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen - hier die Veräußerung des vermieteten Wohnraums an eine Perso­nen­ge­sell­schaft nach Überlassung an den Mieter - hinaus zumindest die Absicht des Erwerbers besteht, den vermieteten Wohnraum in Wohnungseigentum umzuwandeln. Vorliegend wäre es der Klägerin als Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwar an sich möglich, sich im Anschluss an ihren Eintritt in den Mietvertrag in entsprechender Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf einen Eigenbedarf ihres Gesellschafters zu berufen (vgl. hierzu Bundes­ge­richtshof, Urteil v. 14.12.2016 - VIII ZR 232/15 -). Ob im Streitfall ein solcher Eigenbedarf allerdings - was die Beklagten in Abrede gestellt haben - überhaupt in Betracht kam, hat das Berufungs­gericht offen lassen können, da die von der Klägerin im Mai 2015 ausgesprochene Kündigung bereits wegen Nichtbeachtung der Sperrfrist nach § 577 a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BGB unwirksam war. Denn trotz der Überschrift des § 577 a BGB ("Kündi­gungs­be­schränkung bei Wohnungs­um­wandlung") gilt der darin vorgesehene Schutz des Mieters nach dem Willen des Gesetzgebers beim Erwerb vermieteten Wohnraums durch Perso­nen­ge­sell­schaften unabhängig davon, ob Wohnungs­ei­gentum begründet wird oder werden soll.

Eingefügte Neuregelung des § 577 a Abs. 1a BGB soll ausdrücklich auch etwaigen neuen Umgehung­s­tat­be­ständen vorbeugen

Mit der Einführung des § 577 a Abs. 1a BGB war zwar insbesondere beabsichtigt, die faktische Umgehung des in § 577 a Abs. 1 BGB vorgesehenen Kündi­gungs­schutzes bei der Umwandlung von Miet- in Eigen­tums­woh­nungen nach dem sogenannten "Münchener Modell" zu unterbinden. Bei diesem verzichtet eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine Mitei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft nach dem Erwerb des mit Mietwohnraum bebauten Grundstücks zunächst auf die Begründung von Wohnungs­ei­gentum und den anschließenden Verkauf von Eigen­tums­woh­nungen an Interessenten. Stattdessen kündigt sie den betreffenden Mietwohnraum wegen Eigenbedarfs ihrer Gesellschafter oder der Miteigentümer und umgeht so die Kündi­gungs­sperre des § 577 a Abs. 1 BGB. Mit der eingefügten Neuregelung des § 577 a Abs. 1a BGB wollte der Gesetzgeber jedoch nicht allein Umgehungen der Sperrfrist nach dem "Münchener Modell" entgegenwirken, sondern ausdrücklich auch etwaigen neuen Umgehung­s­tat­be­ständen vorbeugen. Deshalb hat er für ein Eingreifen der Sperrfrist jede Veräußerung eines mit Mietwohnraum bebauten Grundstücks an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder an mehrere Erwerber ausreichen lassen, da sich nach seiner Einschätzung bereits hierdurch das Verdrän­gungs­risiko für den Mieter erhöht und dieser insoweit eines Schutzes bedarf.

Kein Verstoß gegen höherrangiges Verfas­sungsrecht

§ 577 a Abs. 1a BGB verstößt auch nicht gegen höherrangiges Verfas­sungsrecht. Bei ihrer gegenteiligen Auffassung übersieht die Klägerin, dass neben der Rechtsposition des Vermieters auch das vom Vermieter abgeleitete Besitzrecht des Mieters von der verfas­sungs­recht­lichen Eigen­tums­ga­rantie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) geschützt ist. Den insoweit zum Schutz des Mieters erforderlichen Eingriff in die Eigentumsrechte des Vermieters hat der Gesetzgeber mit der Kündi­gungs­sperrfrist in § 577 a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 1a Satz 1 BGB dabei auf das erforderliche Maß beschränkt und etwa davon abgesehen, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts grundsätzlich zu verwehren, sich entsprechend § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf den Eigenbedarf eines Gesellschafters zu berufen. Ebenso wenig verletzt es das verfas­sungs­rechtliche Gleich­be­hand­lungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG), dass nach § 577 a Abs. 1a Satz 1 BGB nur der Erwerb durch eine Perso­nen­ge­sell­schaft oder -mehrheit, nicht aber durch eine Einzelperson die Sperrfrist auslöst. Denn es liegt auf der Hand, dass sich mit jeder weiteren Person, deren Eigenbedarf dem Mieter gegenüber geltend gemacht werden kann, die Wahrschein­lichkeit für den Mieter erhöht, auch tatsächlich wegen Eigenbedarfs in Anspruch genommen zu werden.

Nach alledem wies der Bundes­ge­richtshof die Revision der Klägerin zurück.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 573 BGB Ordentliche Kündigung des Vermieters

(1) 1 Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietver­hält­nisses hat. [...]

(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietver­hält­nisses liegt insbesondere vor, wenn

[...]

2. der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familien­an­ge­hörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt [...]

§ 577 a BGB Kündi­gungs­be­schränkung bei Wohnungs­um­wandlung

(1) Ist an vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungs­ei­gentum begründet und das Wohnungs­ei­gentum veräußert worden, so kann sich ein Erwerber auf berechtigte Interessen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 erst nach Ablauf von drei Jahren seit der Veräußerung berufen.

(1a) 1 Die Kündi­gungs­be­schränkung nach Absatz 1 gilt entsprechend, wenn vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter

1. an eine Perso­nen­ge­sell­schaft oder an mehrere Erwerber veräußert worden ist [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil25686

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI