18.10.2024
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Bundesgerichtshof Urteil14.12.2016

Eigen­bedarfs­kündigungen durch eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zulässigBGH ändert Rechtsprechung zur Anbietpflicht eines Vermieters

Der Bundes­ge­richtshof hatte sich mit zwei grundlegenden und für die Praxis bedeutsamen Fragen im Zusammenhang mit Eigen­bedarfs­kündigungen im Wohnraum­mietrecht zu beschäftigen.

Die Beklagten des zugrunde liegenden Streitfalls haben im Jahr 1985 vom Rechtsvorgänger der Klägerin eine 5-Zimmer-Wohnung in München gemietet; die Miete für die 166 qm große Wohnung beläuft sich inzwischen auf 1.374,52 Euro monatlich.

Die Klägerin ist eine im Jahr 1991 gegründete, aus vier Gesellschaftern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die das Anwesen - in dem auch die streitige Wohnung liegt - im Gründungsjahr erworben hat. Nach dem Gesell­schafts­vertrag besteht der Zweck der Gesellschaft in der "Instandsetzung, Modernisierung und dem Ausbau des Anwesens, dessen Vermietung sowie nach Möglichkeit der Aufteilung in Wohnungs­ei­gentum". Im Jahr 1994 begann die Klägerin mit der Sanierung des Anwesens und der Aufteilung der Wohnungen, wobei einige inzwischen verkauft wurden. Die Wohnung der Beklagten ist die letzte Wohnung, die noch nicht saniert ist.

Klägerin kündigt Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs

Im September 2013 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis und begründete dies mit Eigenbedarf der Tochter eines der Gesellschafter. Die Beklagten sind der Kündigung entge­gen­ge­treten.

AG weist Klage auf Räumung der Wohnung ab

Das Amtsgericht München hat die Klage auf Räumung und Herausgabe der streitigen Wohnung abgewiesen. Auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs sei die Kündigung der Klägerin wegen Rechts­miss­brauchs unwirksam, weil die Klägerin treuwidrig versäumt habe, den Beklagten eine seit April 2014 leerstehende 76 qm große 2-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss anzubieten.

Berufungs­gericht hält Eigen­be­da­rfs­kün­digung einer GbR für unzulässig

Auch die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Das Berufungs­gericht hat allerdings - unter bewusster Abweichung von der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs - die Auffassung vertreten, dass eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit Rücksicht auf den unter anderem in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB* vorgesehenen Bestands- und Verdrän­gungs­schutz des Mieters einen Wohnraum­miet­vertrag bereits von vornherein nicht wegen Eigenbedarfs eines Gesellschafters oder dessen Angehörigen kündigen dürfe. Mit ihrer vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Räumungs- und Heraus­ga­be­be­gehren weiter.

BGH bestätigt Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Eigen­be­da­rfs­kün­digung durch GbR

Der Bundes­ge­richtshof entschied zunächst, dass der - seinem Wortlaut nach auf natürliche Personen zugeschnittene - Kündi­gung­s­tat­bestand des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB* in den Fällen entsprechend anzuwenden ist, in denen als Vermieterin eine teilrechts­fähige (Außen-)Gesellschaft des bürgerlichen Rechts auftritt. Der Bundes­ge­richtshof hat damit seine bisherige Rechtsprechung, wonach einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ein Eigenbedarf eines Gesellschafters oder deren Angehörigen "zuzurechnen" ist, im Ergebnis bestätigt.

BGH bejaht Befugnis der GbR zur Anmeldung von Eigenbedarf eines Gesellschafters oder dessen Angehörigen

Die vom Berufungs­gericht angestellten Schutz­zweck­über­le­gungen stehen einer entsprechenden Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB* nicht entgegen. Unzutreffend ist bereits die vom Berufungs­gericht als Ausgangspunkt seiner Überlegungen gewählte Prämisse, der Kündi­gung­s­tat­bestand des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB* solle den Mieter vor einem Verdrän­gungs­risiko durch eine unüberschaubare Anzahl von Personen auf Vermieterseite schützen. Dieser Zweck kommt allein der Kündi­gungs­sperre in § 577 a BGB** zu. Der Zweck der Kündi­gungs­re­ge­lungen in § 573 BGB* besteht dagegen darin, einerseits den vertragstreuen Mieter, für den die Wohnung einen Lebens­mit­telpunkt darstellt, vor willkürlichen Kündigungen zu schützen, andererseits aber auch dem Vermieter die Befugnis einzuräumen, sich bei Vorliegen eines triftigen Grundes aus dem Mietverhältnis lösen zu können. Durch die Ausgestaltung der einzelnen Kündi­gung­s­tat­be­stände sollen keineswegs nur (berechtigte) Miete­r­in­teressen geschützt werden. Vielmehr soll hierdurch ein gerechter Inter­es­se­n­aus­gleich zwischen den Mietver­trags­parteien ermöglicht werden. Dementsprechend wurde den Mitgliedern einer (Außen-)Gesellschaft des bürgerlichen Rechts vor deren im Jahr 2001 durch den Bundes­ge­richtshof erfolgten Anerkennung ihrer Teilrechts­fä­higkeit - unabhängig von der Überschau­barkeit ihrer Gesell­schaf­ter­ver­hältnisse - die Befugnis zugebilligt, sich als Vermie­ter­mehrheit gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB* auf den Eigenbedarf eines Gesellschafters oder dessen Angehörigen zu berufen.

Anerkennung einer Teilrechts­fä­higkeit einer (Außen-)GbR ändert nichts an Interessenlage als Vermieter

Durch die Anerkennung einer Teilrechts­fä­higkeit einer (Außen-)Gesellschaft des bürgerlichen Rechts sind zwar nicht mehr die Gesellschafter als natürliche Personen Vermieter, sondern die Gesellschaft ist selbst Vermieterin geworden, so dass der auf natürliche Personen zugeschnittene Kündi­gung­s­tat­bestand des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht mehr direkt anwendbar ist. Die Interessenlage hat sich aber - was das Berufungs­gericht nicht hinreichend in den Blick genommen hat - nicht verändert. Insbesondere hatte die Anerkennung der Teilrechts­fä­higkeit einer (Außen-)Gesellschaft des bürgerlichen Rechts nicht zum Ziel, die ihr bis dahin zukommende Rechtsposition zu beschneiden. Auch haben sich Anzahl und Identität der Mitglieder einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts hierdurch nicht verändert.

Änderung der bisherigen Rechtslage war nicht beabsichtigt

Allerdings ist durch diese rein auf gesell­schafts­recht­lichen Erwägungen beruhende Recht­spre­chung­s­än­derung im Mietrecht eine - auch vom Gesetzgeber im Rahmen der Mietrechts­reform nicht erkannte und damit ungeplante - Regelungslücke entstanden. Den Geset­zes­ma­te­rialien zum Mietrechts­re­form­gesetz (in Kraft seit 1. September 2001) ist zu entnehmen, dass eine Änderung der bisherigen Rechtslage nicht beabsichtigt war. Mit der im Jahr 2013 erfolgten Ergänzung der Kündi­gungs­sperre des § 577 a BGB** auf bestimmte Fälle der Kündigung eines Mietver­hält­nisses wegen Eigenbedarfs eines Gesellschafters einer Perso­nen­ge­sell­schaft hat der Gesetzgeber (erneut) bestätigt, dass er einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts nicht die Befugnis zur Kündigung wegen Eigenbedarfs eines Gesellschafters oder dessen Angehörigen absprechen will, sondern lediglich in bestimmten Fallkon­stel­la­tionen die Verlängerung der Kündigungsfrist für geboten hält.

Die durch die Anerkennung der Teilrechts­fä­higkeit einer (Außen-)Gesellschaft des bürgerlichen Rechts entstandene Regelungslücke lässt sich nicht allein durch einen Rückgriff auf die Generalklausel des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB schließen, denn ein berechtigtes Interesse im Sinne dieser Vorschrift erfordert eine umfassende Würdigung aller Einzel­fa­l­lum­stände, während es sich bei den in § 573 Abs. 2 BGB aufgeführten Kündi­gung­s­tat­be­ständen um gesetzlich typisierte Fälle eines die Belange des Mieters überwiegenden berechtigten Interesses des Vermieters handelt.

Geltendmachung des Eigenbedarfs eines Gesellschafters mit Miteigentümer- oder Erben­ge­mein­schaft vergleichbar

Vielmehr ist die Lücke im Wege der analogen Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB dahin zu schließen, dass sich auch eine teilrechts­fähige (Außen-) Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf einen Eigenbedarf ihrer Gesellschafter oder deren Angehörigen berufen darf. Die Geltendmachung des Eigenbedarfs eines Gesellschafters oder dessen Angehörigen ist in allen wesentlichen Punkten einer Miteigentümer- oder Erben­ge­mein­schaft vergleichbar, die sich als rechtlich nicht verselb­ständigte Zusam­men­schlüsse natürlicher Personen unmittelbar auf § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB* berufen können. Auch bei solchen Vermie­ter­mehr­heiten gibt es - ebenso wie bei Gesellschaften des bürgerlichen Rechts - eine große Bandbreite unter­schied­licher Strukturen. Neben kleinen und kompakten Miteigentümer- und Erben­ge­mein­schaften gibt es auch solche, die eine große Mitgliederzahl oder verflochtene Strukturen aufweisen, was etwa bei über mehrere Generationen fortgesetzten Erben­ge­mein­schaften der Fall ist. Folglich ist die vom Berufungs­gericht angeführte "Unüber­schau­barkeit" des Mitglie­der­be­stands bestimmter Gesellschaften des bürgerlichen Rechts in Anbetracht des Normzwecks des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kein Kriterium, das es erlauben würde, eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts schlechter zu stellen als eine Miteigentümer- oder Erben­ge­mein­schaft. Auf Missbrauchsfälle können die Gerichte weiterhin mit der Anwendung der Vorschrift des § 242 BGB*** angemessen reagieren.

Der Bundes­ge­richtshof hat daher das Berufungsurteil aufgehoben und an das Landgericht zurückverwiesen, damit es die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen des geltend gemachten Eigenbedarfs und zu möglichen Härtegründen treffen kann.

Fehlendes Anbieten einer anderen freien Wohnung hat nicht Unwirksamkeit einer berechtigten Eigen­be­da­rfs­kün­digung zur Folge

Bezüglich der vom Amtsgericht bejahten und vom Berufungs­gericht offen gelassenen Frage, ob die Eigenbedarfskündigung der Vermieterin durch die unterlassene Anbietung einer im selben Anwesen gelegenen Zweizim­mer­wohnung rechts­miss­bräuchlich und damit unwirksam geworden ist, hat der Bundes­ge­richtshof in Abänderung seiner bisherigen Rechtsprechung ausgesprochen, dass dies nicht die Unwirksamkeit einer berechtigt ausgesprochenen Eigen­be­da­rfs­kün­digung zur Folge hat.

Verletzung der Anbietpflicht durch den Vermieter hat nicht zwingend Unwirksamkeit der Eigen­be­da­rfs­kün­digung zur Folge

Zwar ist ein Vermieter verpflichtet, die Folgen einer auf Eigenbedarf gestützten Kündigung für den Mieter so gering wie möglich zu halten, da der Wohnung als Mittelpunkt der persönlichen Existenz eines Menschen besondere Bedeutung von Verfassungsrang zukommt. Der Vermieter hat dem betroffenen Mieter deshalb eine andere, ihm während der Kündigungsfrist zur Verfügung stehende Wohnung zur Anmietung anzubieten, sofern diese sich im selben Haus oder derselben Wohnanlage befindet. Allerdings hält der Bundes­ge­richtshof nicht länger daran fest, dass die Verletzung einer solchen Anbietpflicht durch den Vermieter die Unwirksamkeit der Eigen­be­da­rfs­kün­digung zur Folge hat. Denn hierdurch stellt sich eine - rechtswirksam - ausgesprochene Kündigung nicht nachträglich als unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB***) dar. Vielmehr zieht eine Verletzung der mietver­trag­lichen Rücksicht­nah­me­pflichten (§ 241 Abs. 2 BGB****) des Vermieters - wie auch bei sonstigen Verstößen gegen Nebenpflichten - lediglich Schaden­s­er­satz­ansprüche nach sich. Dem Mieter können daher allenfalls Ersatzansprüche in Geld für hierdurch entstandene Schäden (etwa Umzugs- und Maklerkosten) zustehen.

* § 573 BGB Ordentliche Kündigung des Vermieters

Erläuterungen
(1) 1 Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietver­hält­nisses hat. 2 Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.

(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietver­hält­nisses liegt insbesondere vor, wenn

1.[...]

2. der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familien­an­ge­hörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt

[...]

** § 577 a Kündi­gungs­be­schränkung bei Wohnungs­um­wandlung

(1) Ist an vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungs­ei­gentum begründet und das Wohnungs­ei­gentum veräußert worden, so kann sich ein Erwerber auf berechtigte Interessen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 oder Nr. 3 erst nach Ablauf von drei Jahren nach der Veräußerung berufen.

(1a) Die Kündi­gungs­be­schränkung nach Absatz 1 gilt entsprechend, wenn vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter

1. an eine Perso­nen­ge­sell­schaft oder an mehrere Erwerber veräußert worden ist oder

2. zugunsten einer Perso­nen­ge­sell­schaft oder mehrerer Erwerber mit einem Recht belastet worden ist, durch dessen Ausübung dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch entzogen wird.

Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Gesellschafter oder Erwerber derselben Familie oder demselben Haushalt angehören oder vor Überlassung des Wohnraums an den Mieter Wohnungs­ei­gentum begründet worden ist.

[...]

***§ 242 BGB Leistung nach Treu und Glauben

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

**** § 241 BGB Pflichten aus dem Schuld­ver­hältnis

(1) [...]

(2) Das Schuld­ver­hältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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