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Bundesgerichtshof Urteil15.12.2015

BGH: Kein Verschulden des Rückwärts­fah­renden aufgrund Anscheins­be­weises bei Möglichkeit des Stillstandes vor KollisionKein Verstoß gegen Sorgfalts­pflichten

Zwar spricht der Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Rückwärts­fah­renden auf einem Parkplatz, wenn feststeht, dass die Kollision beim Rückwärtsfahren stattgefunden hat. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass sein Fahrzeug im Kolli­si­ons­zeitpunkt bereits stand, als der andere Unfall­be­teiligte mit seinem Fahrzeug in das stehende Fahrzeug hineingefahren ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor.

In dem zugrunde liegenden Fall kam es im Juni 2013 auf einem Parkplatz eines Baumarktes zu einem Verkehrsunfall, als zwei Autofahrer zur gleichen Zeit aus zwei gegen­über­lie­genden Parkbuchten rückwärts ausparkten. Einer der Autofahrer beanspruchte eine volle Erstattung seines Unfallschadens. Er behauptete, dass er mit seinem Fahrzeug bereits in der Gasse zwischen den Parkreihen gestanden habe, als der andere Unfall­be­teiligte in sein Fahrzeug hineingefahren sei. Da die gegnerische Haftpflicht­ver­si­cherung jedoch von einer Haftungsquote von jeweils 50 % ausging, erhob der Autofahrer Klage.

Amtsgericht und Landgericht wiesen Klage ab

Sowohl das Amtsgericht Strausberg als auch das Landgericht Frankfurt (Oder) wiesen die Klage ab. Dem Kläger habe kein Anspruch auf volle Erstattung seines Unfallschadens zugestanden. Denn ihm sei ein Mitverschulden von 50 % anzulasten gewesen. Es spreche ein Anscheinsbeweis auch dann für ein Verschulden des Rückwärts­fah­renden, wenn dieser zum Kolli­si­ons­zeitpunkt zwar bereits zum Stehen gekommen sei, aber ein enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang mit dem Rückwärtsfahren vorliege. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Revision ein.

Bundes­ge­richthof verneint Anwendung des Anscheins­be­weises bei Möglichkeit des Stillstandes vor Kollision

Der Bundes­ge­richtshof entschied zu Gunsten des Klägers und hob daher die Entscheidung der Vorinstanz auf. Zwar sei die Anwendung des Anscheins­be­weises gegen den Rückwärts­fah­renden auf einem Parkplatz nicht zu beanstanden, wenn feststehe, dass die Kollision beim Rückwärtsfahren stattgefunden habe. Dies gelte aber dann nicht, wenn zwar feststehe, dass vor der Kollision ein Fahrzeugführer rückwärts gefahren sei, aber nicht ausgeschlossen werden könne, dass sein Fahrzeug im Kolli­si­ons­zeitpunkt bereits gestanden habe, als der andere Unfall­be­teiligte mit seinem Fahrzeug in das stehende Fahrzeug hineingefahren sei.

Kein Verstoß gegen Sorgfalts­pflichten

Die Anwendung des Anscheins­be­weises setze Gesche­hens­a­bläufe voraus, so der Bundes­ge­richtshof, bei denen sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Schluss aufdränge, dass ein Verkehrs­teil­nehmer seine Pflicht zur Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verletzt habe. Dies sei bei einem Fahrzeugführer, der sein Fahrzeug vor der Kollision auf dem Parkplatz zum Stillstand bringe, aber nicht der Fall. Ein Rückwärts­fah­render müsse mit geringer Geschwindigkeit und bremsbereit fahren, um jederzeit anhalten zu können. Habe ein Fahrer diese Verpflichtung erfüllt und gelinge es ihm, beim Rückwärtsfahren vor einer Kollision anzuhalten, habe er grundsätzlich seiner Verpflichtung zum jederzeitigen Anhalten genügt. Für ein Verschulden aufgrund eines Anscheins­be­weises sei dann kein Raum mehr.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

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