18.10.2024
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Sie sehen die Silhouette einer Person, welche an einer Wand mit vielen kleinen Bildern vorbeigeht.

Dokument-Nr. 14838

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Urteil11.12.2012BundesgerichtshofVI ZR 314/10 und VI ZR 315/10
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • AfP 2013, 57Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht (AfP), Jahrgang: 2013, Seite: 57
  • CR 2013, 184Zeitschrift: Computer und Recht (CR), Jahrgang: 2013, Seite: 184
  • K&R 2013, 260Zeitschrift: Kommunikation & Recht (K&R), Jahrgang: 2013, Seite: 260
  • MDR 2013, 405Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2013, Seite: 405
  • ZD 2013, 183Zeitschrift für Datenschutz (ZD), Jahrgang: 2013, Seite: 183
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Vorinstanzen zu VI ZR 314/10:
  • Landgericht Hamburg, Urteil15.08.2008, 324 O 774/04
  • Oberlandesgericht Hamburg, Urteil12.10.2010, 7 U 89/08
Vorinstanzen zu VI ZR 315/10:
  • Landgericht Hamburg, Urteil30.05.2008, 324 O 18/05
  • Hanseatisches Oberlandesgericht in Hamburg, Urteil12.10.2010, 7 U 67/08
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil11.12.2012

Gesteigertes Vertrauen der Presse in Verlautbarungen des Bundes­be­auf­tragten für die Unterlagen des Staats­si­cherheits­dienstes der DDRBGH zum Vertrauen in die Presse bei Berich­t­er­stat­tungen über Stasi-Tätigkeiten

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die Presse bei der Berich­t­er­stattung über mögliche Stasi-Tätigkeiten von Politikern den Stellungnahmen des Pressesprechers der Bundes­be­auf­tragten für die Unterlagen des Staats­si­cherheits­dienstes der DDR ein gesteigertes Vertrauen entgegenbringen darf.

In dem zugrunde liegenden Fall war der Kläger Professor an der Universität Leipzig, Frakti­o­ns­vor­sit­zender der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) im Sächsischen Landtag und der Spitzenkandidat der PDS für die Landtagswahl am 19. September 2004. Die Beklagte des ersten Verfahrens verlegt die Zeitungen "Sächsische Zeitung", "Dresdner Morgenpost" und "Dresdner Morgenpost am Sonntag", die Beklagte des zweiten Verfahrens die Zeitungen "Bild" und "Die Welt". Der Kläger beider Verfahren nimmt die Beklagten auf Unterlassung einer Berichterstattung über seine angebliche Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) für das Ministerium für Staats­si­cherheit der Deutschen Demokratischen Republik in Anspruch.

Fragwürdige Zusammenarbeit des Klägers als "IM Christoph" mit Ministerium für Staats­si­cherheit

In der Zeit vom 8. bis 17. August 2004 berichteten die Zeitungen der Beklagten in mehreren Artikeln über den Verdacht, der Kläger habe als langjähriger "IM Christoph" mit dem Ministerium für Staats­si­cherheit zusam­men­ge­ar­beitet und dabei insbesondere seine damalige Freundin und jetzige Frau bespitzelt. Der Kläger sieht sich durch die Veröf­fent­li­chungen in seinem allgemeinen Persön­lich­keitsrecht verletzt. Er behauptet, er habe keine Kenntnis davon gehabt, dass das Ministerium für Staats­si­cherheit ihn als "IM Christoph" geführt habe. Er sei ohne sein Wissen "abgeschöpft" worden.

Bundes­ge­richtshof hebt Urteile des OLG auf

Das Landgericht hat den Klagen überwiegend stattgegeben. Die Berufungen der Beklagten hatten keinen Erfolg. Auf die Revisionen der Beklagten hat der Bundes­ge­richtshof die Urteile des Oberlan­des­ge­richts aufgehoben und die Sachen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen.

Würdigung des Berufungs­ge­richts verstößt gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze

Die vom Berufungs­gericht getroffenen Feststellungen tragen nicht die Annahme, dass das von den Beklagten verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit hinter dem Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit zurückzutreten habe. Die Würdigung des Berufungs­ge­richts, die Beklagten hätten nicht bewiesen, dass der Kläger wissentlich und willentlich mit dem Staatssicherheitsdienst zusam­men­ge­ar­beitet habe, ist unvollständig und verstößt gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Die von ihm vorgenommene Deutung der in den Akten des MfS verwendeten Begriffe ist weit hergeholt und mit dem natürlichen Sprachempfinden kaum in Einklang zu bringen. Darüber hinaus hat das Berufungs­gericht die Anforderungen an die richterliche Überzeugung überspannt. Das Berufungs­gericht hat auch zu Unrecht die Voraussetzungen einer zulässigen Verdachts­be­rich­t­er­stattung verneint. Es hat insbesondere nicht berücksichtigt, dass die Beklagten der Stellungnahme des Pressesprechers der Bundes­be­auf­tragten für die Unterlagen des Staats­si­cher­heits­dienstes der DDR, den gefundenen Unterlagen sei zweifelsfrei zu entnehmen, dass der Kläger als IM Christoph für den Staats­si­cher­heits­dienst tätig gewesen sei, ein gesteigertes Vertrauen entgegenbringen durften. Bei dem Bundes­be­auf­tragten handelt es sich um eine Bunde­s­o­ber­behörde, der durch Gesetz die Aufgabe zugewiesen ist, die Stasi-Unterlagen auszuwerten und zu archivieren.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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