Bundesgerichtshof Urteil06.07.1976
BGH: Ungewollter Deckungsakt kann Tierhalterhaftung begründenTierhalter haftet grundsätzlich für alle Folgen tierischer Unberechenbarkeit
Der ungewollte Deckungsakt zwischen zwei Hunden ist Folge der tierischen Unberechenbarkeit und kann daher eine Tierhalterhaftung begründen. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs hervor.
Im zugrunde liegenden Fall wurde eine reinrassige Chow-Chow-Zuchthündin während des Auslaufens an einer Leine von einem Mischlingshund gedeckt. Die Hundehalterin klagte aufgrund der ungewollten Begattung auf Ersatz der Tierarztkosten für den Schwangerschaftsabbruch und der Behandlung der dadurch eingetretenen Gebärmutterentzündung.
Deckungsakt stellt Verwirklichung der Tiergefahr dar
Der Bundesgerichtshof bejahte zunächst die Verwirklichung einer Tiergefahr und damit grundsätzlich einen Anspruch wegen der Tierhalterhaftung aus § 833 BGB. Soweit teilweise vertreten wird, dass ein ungewollter Deckungsakt keine Verwirklichung der Tiergefahr darstellt (vgl. OLG Nürnberg, Urt. v. 21.04.1970 - 7 U 72/69), da das Tier lediglich seiner natürlichen Veranlagung entsprechend oder unter dem Zwang dieser Veranlagung verhalten hat, folgten die Bundesrichter dieser Auffassung nicht. Denn es gebe durchaus Fälle, in denen Tiere sich lediglich ihrer natürlichen Veranlagung gemäß verhalten haben und dabei Schäden verursacht haben, die im Bereich der haftungsrechtlichen Tiergefahr liegen (Bsp.: Auf fremder Wiese fressende Kühe).
Tierische Unberechenbarkeit begründet Tierhalterhaftung
Der Grund der Tierhalterhaftung liege in der Unberechenbarkeit des Verhaltens eines Tiers und der dadurch hervorgerufenen Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum Dritter, so der Bundesgerichtshof weiter. Daher müsse ein Tierhalter für all das einstehen, was infolge dieser tierischen Unberechenbarkeit an Schaden entsteht. Ein solches unberechenbares Verhalten sei in jedem Deckungsakt zusehen, den die Tiere ohne Wissen und Wollen ihrer Halter vornehmen. Jeder Deckungsakt sei daher als Ausfluss der Tiergefahr anzusehen.
Mitverschulden der Hundehalterin lag vor
Der Bundesgerichtshof verneinte jedoch letztendlich einen Anspruch auf Schadenersatz, da der Hundehalterin ein überwiegendes den Anspruch ausschließendes Mitverschulden (§ 254 BGB) anzulasten gewesen sei. Sie habe dadurch, dass sie mit ihrer Zuchthündin trotz Wissen um ihre Läufigkeit spazieren ging, den Schaden selbst mitverursacht.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 10.10.2013
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (zt/NJW 1976, 2130/rb)