Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Schwangere befand sich seit Januar 2005 aufgrund einiger Beschwerden, wie zum Beispiel einer Nierenbeckenentzündung und Schwangerschaftsdiabetes, in stationärer Behandlung. Zu Beginn der Behandlung wurde die Schwangere über die grundsätzliche Möglichkeit eines Kaiserschnitts aufgeklärt. Trotz der Beschwerden entschied sie sich für eine vaginale Entbindung. Einen Monat später erlitt die Schwangere jedoch einen vorzeitigen Blasensprung. Ohne sie nochmals über die Möglichkeit eines Kaiserschnitts aufzuklären, wurde die vaginale Geburt eingeleitet. Dabei kam es jedoch zu erheblichen Komplikationen, sodass sich die behandelnden Ärzte für einen Not-Kaiserschnitt entschieden. Das Kind konnte dadurch zwar gerettet werden, jedoch hatte es während des Versuchs der vaginalen Geburt schwere Hirnschäden erlitten und war daher schwerstbehindert. Die Mutter machte dafür die Ärzte verantwortlich und klagte auf Schadenersatz und Schmerzensgeld.
Sowohl das Landgericht Mannheim als auch das Oberlandesgericht Karlsruhe bejahten das Vorliegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers. Das Oberlandesgericht begründete dies damit, dass die Mutter unzureichend über die Möglichkeit eines Kaiserschnitts aufgeklärt worden sei. Nach dem Blasensprung hätte die Mutter nochmals aufgeklärt werden müssen. Der Kaiserschnitt hätte als gleichwertige Behandlungsalternative zu einer vaginalen Entbindung angesehen werden müssen. Gegen diese Entscheidung wurde Revision eingelegt.
Der Bundesgerichtshof führte zu dem Fall aus, dass ein Arzt ohne besondere Veranlassung nicht verpflichtet sei, mit einer Schwangeren die Möglichkeit eines Kaiserschnitts zu erörtern. Anders liege aber der Fall, wenn durch die vaginale Geburt ernstzunehmende Gefahren für das Kind drohen. Sprechen im Interesse des Kindes gewichtige Gründe für einen Kaiserschnitt und stellt dieser unter Berücksichtigung der Konstitution und Befindlichkeit der Mutter eine verantwortbare Alternative dar, so müsse der Arzt auf diese Möglichkeit hinweisen.
Der Arzt sei darüber hinaus nach Ansicht des Bundesgerichtshofs verpflichtet, auf die Möglichkeit eines Kaiserschnitts hinzuweisen, wenn bereits deutliche Anzeichen dafür bestehen, dass sich der Zustand der Schwangeren bzw. der Geburtsvorgang so entwickeln könne, dass ein Kaiserschnitt die bessere Alternative darstellt. Wenn die ernsthaft für möglich erachtete Entwicklung eintritt, müsse der Arzt jedoch nicht nochmals aufklären.
Eine nochmalige Aufklärungspflicht bestehe aber dann, so der Bundesgerichtshof, wenn sich die Umstände derart entscheidend verändern, dass die unterschiedlichen Entbindungsmethoden in einem neuen Licht erscheinen. Die Einschätzung über die Risiken und Vorteile der verschiedenen Methoden müssen sich entscheidend verändern. Ob dies im vorliegenden Fall so war, konnte der Bundesgerichtshof nicht erkennen. Es habe seiner Sicht nach insofern an den erforderlichen Feststellungen des Oberlandesgerichts gefehlt. Es sei unzutreffend gewesen allein aufgrund des Blasensprungs eine erneute Aufklärung zu fordern. Dass sich dadurch entscheidend die Umstände verändert hatten, sei aus den Ausführungen des Oberlandesgerichts nicht ersichtlich gewesen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 13.05.2015
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)