18.10.2024
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Bundesgerichtshof Urteil12.07.2013

Zum Ankaufsrecht des Landes für begrünte private Innenhöfe im früheren Ostteil von BerlinBundes­ge­richtshof klärt Ankaufs­be­din­gungen

Das Verkehrs­flächen­bereinigungs­gesetz gibt öffentlichen Nutzern privater Grundstücke einen gesetzlichen Anspruch auf Verkauf von vor der Wieder­ver­ei­nigung in Anspruch genommenen Flächen zu einem festgelegten Preis. Der Bundes­ge­richtshof hat vor diesem Hintergrund das Ankaufsrecht und die Ankaufs­be­din­gungen des Landes für begrünte private Innenhöfe im früheren Ostteil von Berlin geklärt.

Den Beklagten des zugrunde liegenden Streitfalls gehört ein älteres Miethaus mit einem Innenhof im Bezirk Pankow von Berlin. Der Innenhof war ursprünglich vollständig von dem Miethaus der Beklagten und den angrenzenden Miethäusern anderer Eigentümer umgeben. Im Jahr 1982 wurde im Rahmen einer damals so genannten Volks­wirt­schaft­lichen Masse­n­i­n­i­tiative (VMI) eine Reihe von privaten Innenhöfen unter Mitwirkung von Bürgern begrünt und verschönert, darunter, unter zwischen den Parteien im Einzelnen streitigen Umständen, auch eine Teilfläche des Innenhofs auf dem Grundstück der Beklagten, der bepflanzt und mit Wegen, Beeten, einem Spielplatz und einer Hirschskulptur versehen wurde, weshalb er seitdem Hirschhof heißt. Er war längere Zeit für die Öffentlichkeit zugänglich.

Land Berlin versucht zunächst Einigung über Nutzung des Hirschhofs zu erreichen, beantragt dann aber notarielles Vermitt­lungs­ver­fahren

Das Land Berlin versuchte zunächst mit den Beklagten und den anderen Eigentümern zu einer Einigung über die Nutzung des Hirschhofs zu gelangen, brach die Verhandlung dann aber ab und beantragte ein notarielles Vermitt­lungs­ver­fahren nach dem Verkehrs­flä­chen­be­rei­ni­gungs­gesetz, das am Widerstand der Beklagten scheiterte. Es beantragt jetzt, seine Berechtigung festzustellen, den Beklagten den begrünten Teil des Innenhofs zu dem in dem Verkehrs­flä­chen­be­rei­ni­gungs­gesetz für Verkehrsflächen vorge­schriebenen Preis - das sind höchstens 15 €/m² - abzukaufen. Zu Verkehrsflächen gehören nach dem Gesetz auch öffentliche Grünanlagen.

Hintergrund

Das Verkehrs­flä­chen­be­rei­ni­gungs­gesetz gibt öffentlichen Nutzern privater Grundstücke einen gesetzlichen Anspruch auf Verkauf von vor der Wieder­ver­ei­nigung in Anspruch genommenen Flächen zu einem festgelegten Preis. Der Preis beträgt bei Flächen, auf denen sich Straßen, Wege, Plätze, Eisenbahnlinien oder auch Parks und Grünanlagen befinden, ein Fünftel des Verkehrswerts, höchstens - je nach Gemeindegröße - zwischen 5€/m² und 15 €/m², in Berlin also höchstens 15 €/m². Diese Regelung war notwendig geworden, weil in der DDR auch bei der Errichtung von Verkehrsanlagen, Verwal­tungs­ge­bäuden, See- und Verkehrs­flughäfen, Parks und anderen öffentlichen Einrichtungen die rechtlichen Verhältnisse oft nicht beachtet und solche Einrichtungen auch auf privaten Grundstücken errichtet wurden, ohne mit den Eigentümern die erforderlichen rechtlichen Regelungen zu treffen. Solange die DDR bestand, blieb das folgenlos, weil der Eigentümer keine Aussicht gehabt hätte, den Staat auf Herausgabe seines Grundstücks zu verklagen. Nach der Wieder­ver­ei­nigung mussten auch diese Nutzungs­ver­hältnisse neu geordnet werden. Dem dient das Verkehrs­flä­chen­be­rei­ni­gungs­gesetz.

BGH hebt Berufungsurteil wegen eines Verfah­rens­fehlers auf

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Kammergericht hat ihr stattgeben. Der Bundes­ge­richtshof hat das Berufungsurteil wegen eines Verfah­rens­fehlers aufgehoben. Das Berufungs­gericht hatte es versäumt, die von dem Land für seine Behauptung, der Hirschhof sei von jeher der Öffentlichkeit zugänglich gewesen, benannten Zeugen zu vernehmen.

BGH gibt Hinweise zur Klärung wesentlicher Rechtsfragen

Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen worden. Für die neue Verhandlung hat der Bundes­ge­richtshof zu den nachfolgenden, für den Ausgang des Rechtsstreits wesentlichen Rechtsfragen folgende Hinweise gegeben:

Privater Innenhof bleibt in der Regel befriedetes privates Besitztum

Erläuterungen
1. Ist die Begrünung des Hirschhofs eine tatsächliche Inanspruchnahme für die Erfüllung einer Verwal­tungs­aufgabe (§ 1 Abs. 1 Satz 1 VerkFlBerG)?

Die Schaffung von Grünanlagen dient der Daseinsvorsorge und damit einer Verwal­tungs­aufgabe. Ein privater Innenhof ist aber normalerweise der Öffentlichkeit nicht frei zugänglich und bleibt ein befriedetes privates Besitztum, auch wenn man ihn durch die offene Haustür oder eine Toreinfahrt betreten könnte. Anders kann es sein, wenn in einem Innenhof eine auch für die Öffentlichkeit zugängliche "Stadtoase" geschaffen und diese durch den Staat der Öffentlichkeit geöffnet wird.

Ankaufsrecht des Staats besteht nur bei überwiegend öffentlicher Nutzung

2. Besteht der Ankaufsanspruch des Staats nur, wenn die öffentliche Nutzung überwiegt?

Auch wenn ein begrünter Innenhof der Öffentlichkeit zugänglich ist, bleibt er jedenfalls auch ein privater Innenhof, den die Bewohner der angrenzenden Miethäuser privat nutzen. Das Verkehrs­flä­chen­be­rei­ni­gungs­gesetz regelt eine solche Mischnutzung bei Gebäuden und bestimmt (§ 1 Abs. 1 Satz 5 VerkFlBerG), dass in diesem Fall ein Ankaufsrecht des Staats nur bestehen soll, wenn die öffentliche Nutzung überwiegt. Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass diese Regelung auch für andere Formen einer gemischten staatlichen und privaten Nutzung gilt, zum Beispiel für die vorliegende Nutzung eines Innenhofs.

Definition als "Begrünter Innenhof" oder "Grünanlage in einem Innenhof" für Ankaufspreis entscheidend

3. Gilt der Ankaufspreis von bis zu 15 €/m² auch für eine Innen­hof­be­grünung?

Der genannte niedrige Preis gilt für Verkehrsflächen. Zu diesen gehören neben den Straßen, Wegen und Plätzen auch öffentliche Parks und Grünanlagen. Eine Grünanlage liegt aber nicht schon vor, wenn einen Fläche überhaupt begrünt ist, sondern nur, wenn die Nutzung gärtnerisch gestalteter Natur zur Erholung der Anlage ihr Gepräge gibt. Für die so genannten "Plansche" in der Nähe des ehemaligen Berliner Nordbahnhofs hat der Bundes­ge­richtshof das verneint (Urteil vom 20. Januar 2006 - V ZR 122/05, NJW-RR 2006, 805), weil sie ein begrünter Kinder­spielplatz ist. Im vorliegenden Fall wird festzustellen sein, ob der Hirschhof nur ein begrünter Innenhof oder eine Grünanlage in einem Innenhof ist.

Maßgeblich ist bei der Beantwortung aller drei Fragen der Zustand am 3. Oktober 1990, der auch heute noch vorhanden sein muss.

Die zitierten Vorschriften des Verkehrs­flä­chen­be­rei­ni­gungs­ge­setzes lauten:

§ 1 Anwen­dungs­bereich

(1) Dieses Gesetz gilt für in dem in Artikel 3 des Einigungs­ver­trages genannten Gebiet belegene Grundstücke privater Eigentümer, sofern sie frühestens seit dem 9. Mai 1945 und vor dem 3. Oktober 1990 für die Erfüllung einer Verwal­tungs­aufgabe tatsächlich in Anspruch genommen wurden, einer Verwal­tungs­aufgabe noch dienen und

1.Verkehrsflächen im Sinne dieses Gesetzes sind oder

2.vor dem 3. Oktober 1990 für die Erfüllung einer sonstigen Verwal­tungs­aufgabe mit einem Gebäude oder einer sonstigen baulichen Anlage bebaut worden sind.

[...] (Satz 5:) Dient das Gebäude oder die bauliche Anlage auch anderen als öffentlichen Zwecken, findet dieses Gesetz nur im Fall überwiegender öffentlicher Nutzung Anwendung.

[...]

§ 2 Begriffs­be­stim­mungen

(1) [...],

(2) Verkehrsflächen im Sinne dieses Gesetzes sind

1. [...],

2. [...],

3. [...],

4. [...],

5. öffentliche Parkflächen und Grünanlagen.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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